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Foto: Mick Hutson/Redferns/Getty Images

Der Sound des neuen Jahrtausends: Diese Alben werden 20 Jahre alt

homeFlaute bei den Neuerscheinungen? Dann schmeiß mit uns die Zeitmaschine an, wir reisen ins Jahr 2000. Wider Erwarten gab es damals nicht den großen Computer-Crash zum Jahreswechsel 1999/2000, und das Leben ist einfach ganz normal weitergegangen. Aber was brachte das erste Jahr des neuen Jahrtausends in Sachen Musik? Schaute man mutig nach vorne, oder wartete man noch ein bisschen ab? Wir haben die wichtigsten Alben von damals aufgelistet und darüber nachgedacht, wofür sie stehen oder was sie bewirkt haben.

von Michael Döringer

Radiohead – Kid A

Nichts kündigte das neue Millennium an wie Kid A, mit dem sich Radiohead endgültig von klassischem Indie-Rock verabschiedeten und sich kleinteiliger und subtiler Electronica widmeten. Thom York war Fan von Aphex Twin und anderen Elektroniker*innen, das hörte man jetzt deutlich. Kid A ist eine Zäsur und für manche das Symbol einer Zeitenwende in der Musikkultur. Für viele ist es das beste Album der letzten 20 Jahre, für andere heillos überbewertet. War es nun der Beginn der Freiheit und Experimentierfreude im Bereich Alternative? Oder herrschte nun die Diktatur des guten Geschmacks? Vielleicht brauchen wir für die Antwort nochmal 20 Jahre.

Limp Bizkit – Chocolate Starfish & The Hotdog Flavored  Water

Nu-Metal zu beurteilen fällt da deutlich leichter, oder? Es war ne geile Zeit, schön dass sie vorbei ist. Limp Bizkit waren die wohl exponiertesten Vertreter dieser Ära und mit ihrem zweiten Album auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs. Jeder Song war durch Fred Durst und Wes Borland sofort wiedererkennbar, Durst war mit seinem roten Cap zum Maskottchen des Genres geworden. Take A Look Around wurde prominent in „Mission Impossible II“ eingesetzt und machte die Band noch berühmter – es hagelte Nummer-Eins-Auszeichnungen weltweit für dieses Album. Ist hier schon die Nostalgie am Werk oder muss man tatsächlich Klassiker dazu sagen?

Deftones – White Pony

Völlig klar, dass es noch ein paar Nu-Metal-Momente geben wird in dieser Liste, denn das Jahr 2000 markierte den endgültigen Mainstream-Siegeszug dieses Sounds, bevor er doch recht bald wieder sang- und klanglos verschwand. Die Deftones muss man zu den Pionieren zählen, die sich mit dem düster-experimentellen Sound ihres dritten Albums White Pony auf dem Höhepunkt des Hypes von dem ganzen Trubel distanzieren wollten. Hat nicht so ganz geklappt, aber Haltung haben sie allemal bewiesen.

The Hives – Veni Vidi Vicious

Es war eine gute Zeit für die Rockmusik, das muss man schon sagen. Und zwar in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen. Alles schien möglich. Die Schweden The Hives bliesen irgendwo zwischen 60s-Garagenrock und Punk’n’Roll zum Angriff, immer gut gekleidet und mit überbordender Energie. Sänger Per Almqvist klang jedenfalls wie ein tollwütiger Hund mit Schaum vorm Mund, zum Beispiel in den zwei ewigen Hits Die, All Right und Hate To Say I Told You So.

A Perfect Circle – Mer De Noms

Tool waren gerade dabei, ihr epochales Werk Lateralus (2001) zu vollenden, doch währenddessen hatte Maynard James Keenan noch Zeit, mit seiner anderen Band zu debütieren. Dieser Supergroup mit James Iha und anderen Hochkarätern gelang mit Mer De Noms ein Album, das irgendwie in seiner eigenen Sphäre schwebt und letztendlich von den Superkräften aller Beteiligten lebt. Dank der richtigen Mischung aus Mystik, Zugänglichkeit, Emotionalität und Härte hätte Mer De Noms eigentlich ein noch größerer Erfolg werden müssen. So bleibt es ein gefühlter Geheimtipp, mit dem wohl jede*r ein paar Erinnerungen verknüpft.

PJ Harvey – Stories From The City, Stories From The Sea

PJ Harvey war so unglaublich wichtig für den Rock der 90er-Jahre, und das untermauerte sie im Jahr 2000 mit ihrem bis dato erfolgreichsten und direktesten Album. Für Stories From The City, Stories From The Sea wurde sie als erste Frau überhaupt mit dem Mercury Prize ausgezeichnet, dem neben den BRIT Awards wichtigsten britischen Musikpreis, und auch für einen Grammy wurde sie zumindest nominiert. Verletzliche Balladen, dynamische Rocksongs, perfekter Stil. Und was für ein Hammer-Video zur Single This Is Love!

Coldplay – Parachutes

Das scheint jetzt aber wirklich verdammt lang her zu sein: Coldplay veröffentlichten vor 20 Jahren ihr Debütalbum. Wer hätte gedacht, dass diese eher verhuscht-introvertierte Formation mal die führende neue Stadion-Band unserer Zeit wird? Nein, wir hätten es angesichts von Songs wie Trouble oder Yellow wirklich nicht geglaubt, auch wenn ihnen schon von Beginn an die Kritikerherzen zuflogen. Der Sound von Coldplay ist sehr schnell um einiges größer geworden, aber ist er auch besser geworden? Das darf ruhig bezweifelt werden.

Ryan Adams – Heartbreaker

Auch dieser Herr war Debütant im Jahr 2000, und für viele Fans und Kritiker*innen bleibt Heartbreaker bis heute das beste Album von Ryan Adams, der irgendwo zwischen Alternative Country und klassischem Folk-Rock sein ganz eigenes, sympathisches Ding machte. Heartbreaker hat seine rockigen und rolligen Momente, aber vor allem ist das Album wundervoll introspektiv und in sich ruhend. Wer mal wieder Stress abbauen muss, legt zum Jubiläum diese Platte auf.

Queens Of The Stone Age – Rated R

Stressabbau der anderen Art geht natürlich immer mit QOTSA. Die Meinungen gehen schwer auseinander, was die beste Platte der Band von Josh Homme ist. Für das Zweitlingswerk Rated R sprechen zumindest Hits wie Feel Good Hit Of The Summer, The Lost Art Of Keeping A Secret oder Better Living Through Chemistry. Das selbstbetitelte Debüt war zwar auch sehr okay und im Prinzip sind alle Beteiligten von QOTSA ja mindestens ein Relikt der 90er-Jahre, aber dennoch: Hier beginnt die Zeitrechnung für eine der dominierenden, schlicht und einfach coolsten Bands unserer Tage.

At The Drive-In – Relationship Of Command

Für diese legendäre Truppe markierte das Jahr 2000 wiederum Ende und Neuanfang zugleich: At The Drive-In lösten sich quasi direkt nach diesem vertrackten Post-Hardcore-Epos auf, Sänger Cedric Bixler und Omar Rodriguez-Lopez frickelten fast nahtlos als The Mars Volta weiter, nur noch ein bisschen abgespacter. Fun Fact: Iggy Pop singt Backing Vocals in Rolodex Propaganda.

Linkin Park – Hybrid Theory

In Linkin Park kulminiert gewissermaßen das Jahr 2000. Nicht viele Bands des Nu-Metal-Hypes konnten eine über Jahre hinweg wirklich stabile Karriere aufbauen. Chester Bennington, Mike Shinoda und Co. schon. Ihre Musik war von Anfang an nicht wirklich auf Trends gebaut, auch wenn sie zum Zeitgeist passte, mit den Turntables, dem Rappen und all den anderen Dingen. Unterm Strich waren Linkin Park eine moderne Rockband, die als Bindeglied zwischen den Dekaden fungierte und immer genug kreative Energie fand, um weiter zu machen. Bis sie dann ihr unerwartetes Ende erreichten.