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Foto: Michael Donovan

Ekkstacy im Interview: „Ich will nicht sterben, das klingt verdammt langweilig“

Mit seinem neuen Album FOREVER schlägt Ekkstacy sich frei: neue musikalische Einflüsse und eine optimistischere Perspektive aufs Leben. Im Gespräch erzählt er uns von den Erkenntnissen und Ängsten, die dazu führten.

Der 23-jährige Musiker Ekkstacy hat trotz seines jungen Alters schon einiges hinter sich. Große Hits, mehrere erfolgreiche Alben, aber auch Drogen-Teufelskreise, Selbsthass und zeitweise Verachtung der eigenen Werke, wie er in manchen früheren Interviews äußerte. Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs wirkt er aber wesentlich harmonischer gestimmt und scheint seinen Frieden damit geschlossen zu haben.

Nach einer ungesunden Zeit in Los Angeles, New York City und auf Tour entschied Ekkstacy sich letztes Jahr dazu, zurück in seine Heimatstadt Vancouver zu ziehen. Dort sei das Leben zwar nicht sonderlich spannend, aber bequemer. Ein guter Ort, um das alles mal zu verarbeiten. Wie sein jetziger Gemütszustand ist, kann man nun auf seinem neuen Album FOREVER hören.

Schluss mit Pessimismus?

Ekkstacy erlangte vor circa vier Jahren durch seinen düsteren Lo-Fi-/New-Wave-Sound Bekanntheit. Hoffnungsvolle Musik ist das nicht ‒ sein größter Hit trägt immerhin den Titel i walk this earth all by myself. Aber genau diese Stimmung kann Ekkstacy eben so gut einfangen, und deswegen bewegt seine Musik so viele Leute. Der Song zählt mittlerweile fast 300 Millionen Streams auf Spotify.

FOREVER markiert für den Musiker einen Neuanfang. Mit dem Abstand, den er nun zu seinen turbulenten Lebensphasen hatte, ist es also ein optimistischeres Album geworden? „Ja, ein wenig. Vor allem der Song keep my head down, das ist ein hoffnungsvolles Lied. Da singe ich darüber, dass Dinge besser werden und dass ich einfach lächeln muss. Ich habe es für meine Oma geschrieben, die vor ein paar Jahren gestorben ist. Es ist ein Lied über den Versuch, glücklicher zu sein.“ Und ja, obwohl der Song melancholisch klingt, wirkt er auch ein wenig wie leichte Sommerstrahlen, die sich langsam, aber endlich zeigen.

Ob er selbst ein optimistischer Mensch sei, kann Ekkstacy nicht genau sagen: „Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Welt mich hasst und dass es meine Schuld ist. Ich habe viele schlechte Tage, aber die guten Tage fühlen sich wirklich gut an. Also versuche ich, mich daran zu erinnern, dass es gute Tage gibt. Ich habe gute Freunde und eine gute Familie. Also versuche ich einfach, sie im Hinterkopf zu behalten, wenn ich das Gefühl habe, dass da nichts ist.“

Faszination der Vergänglichkeit

Auch das Thema Tod kommt oft in Ekkstacys Musik vor. Mittlerweile betrachte er es aber etwas anders als noch vor ein paar Jahren, sagt er: „Ich glaube, als ich jünger war, hatte ich mehr Angst vor dem Sterben, aber ich glaube nicht, dass ich mein Leben so sehr schätzte wie jetzt. Jetzt sind mir die Dinge wichtiger.“ 

In einer Arte-Doku erzählte Ekkstacy vor Jahren mal, er wolle eine Festplatte mit unveröffentlichter Musik füllen, auf der „für den Fall, dass ich sterbe“ steht. Darauf angesprochen sagt er nun: „Ja, die habe ich. Aber ich möchte überhaupt nicht sterben. Ich fürchte den Tod mehr als alles andere. Und deshalb rede ich so viel darüber. Ich bin irgendwie besessen davon, weil ich solche Angst davor habe, weißt du?“ Etwas augenzwinkernd meint er schließlich noch: „Ich hoffe, ich lebe lang genug, dass sie mein Bewusstsein in einen neuen Körper übertragen können. In einen Roboterkörper oder einen Computer oder so einen Scheiß, damit ich einfach für immer sein kann. Das wird lustig. Ich will nicht sterben, das klingt verdammt langweilig.“

Neuer Input

Dass Ekkstacy eine neue Perspektive erlangt hat, hört man auch musikalisch auf FOREVER. Er singt extrovertierter, die Songs sind dynamischer und voller. Es erklingen mehr preschende Drums und Shoegaze-artige Gitarren, die oft eine gewisse Euphorie in sich tragen ‒ auch wenn diese Euphorie in einem großen Mantel aus Melancholie eingekleidet ist. Ekkstacy erzählt: „Dieses Mal habe ich mich von mehr unterschiedlichen Musikrichtungen inspirieren lassen. Früher habe ich einfach nur reinen Indie-Rock gehört: Current Joys, Surf Curse, The Drums und so Lo-Fi-Kram. Aber nun fing ich an, Emo und Punk zu hören. Viel Japandroids, Remo Drive und Nirvana. Und dann dachte ich mir: ‚Okay, ich muss meine Musik ein bisschen verändern.‘“

Dadurch klingt das Album auch mehr nach einer ganzen Band. Denn Ekkstacy hat eine Live-Band und wollte diese nun auch im Studio spielen lassen. Die Songs schrieb er selbst und verfeinerte sie dann mit den anderen Musiker:innen. „Für dieses Album habe ich nur einfache Akkorde genutzt und darüber den Gesang geschrieben. Jeden Song auf dem Album habe ich mit den gleichen drei Akkorden geschrieben, weil ich nicht so gut Gitarre spielen kann. Aber als wir dann im Studio waren, haben wir es umgeschrieben. Jetzt hat keines der Demos die gleichen Akkorde wie die endgültigen Songs.“

Der Song, der für ihn selbst diese stilistische Veränderung am meisten aufzeige, ist she will be missed. Den bezeichnet Ekkstacy als seinen liebsten Song, den er bisher geschrieben habe. Verständlich: Der Song wechselt gekonnt zwischen Hochs und Tiefs, und so intensiv hat man ihn noch nie singen hören. Auf den Schritt, den er mit FOREVER gemacht hat, kann der Musiker durchaus stolz sein. Es klingt alles reifer.

Er selbst erkenne es ebenfalls als Reifeprozess. Songs wie keep my head down seien erwachsener, meint er, sowohl musikalisch als auch textlich. „Manchmal möchte ich einfach nur 190 beats per minute, so viel Verzerrung wie möglich und die ganze Zeit nur schreien. Aber das kann ich nicht immer machen.“

Es geht immer noch roher

Gleichzeitig weiß Ekkstacy bereits, was seine Ziele fürs nächste Projekt sind. „Ich mag mein neues Album, aber es klingt sehr sauber.“ Es soll also noch mehr die Band involvieren und nach einer rohen Live-Aufnahme klingen: „Ich wollte das schon für die letzte Platte machen, aber wir haben nicht alles zusammen eingespielt. Wir haben zum Beispiel erst Schlagzeug aufgenommen, dann Gitarre, dann Bass und dann Gesang. Aber in einer perfekten Welt nehmen wir einfach nur auf fünf Spuren alle gleichzeitig auf. In einer Garage.“

Die musikalische Entwicklung, die auf FOREVER stattfand, möchte er vertiefen. Noch mehr Emo-Sound, auch von 90er-Bands wie The Get Up Kids. Die jüngeren Emo-Bands aus den 2010ern seien dennoch genauso wichtig für ihn, denn, wie er über Japandroids sagt: „Ihre Scheiße lässt dich etwas fühlen, weißt du?“ Und das hat Ekkstacy mit FOREVER ebenfalls geschafft.

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