Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 26.4.1940.
Beliebt bei den Kritikern, geschätzt von Kollegen und verehrt vom Publikum: Kaum jemand erfährt eine Wertschätzung wie Giorgio Moroder. Lest in unserem Geburtstagsrückblick, wie er als Tanzmusiker über die Dörfer tingelt, Schlager produziert, mit dem Disco-Klassiker I Feel Love einen Welthit landet und als Filmmusik-Produzent gleich drei Oscars erhält. Vorhang auf für den großen Giorgio Moroder.
Hier könnt ihr euch From Here To Eternity aus dem Jahr 1979 anhören:
Die Essenz seines Lebens? Die Musik. „Ich bin mitten in den Dolomiten aufgewachsen, im Grödnertal. Da gab es außer den Bergen und der Natur nicht viel. Irgendwie habe ich schon ganz früh ein Gefühl und eine Faszination für die Musik entwickelt. In frühen Jahren war Paul Anka mein Idol, seinen Hit Diana habe ich immer im Radio gehört. Das hat etwas in mir geweckt.“ Mit 19 bricht Moroder die Schule ab und seiner Mutter damit das Herz – denn die wollte viel lieber, dass er Architektur studiert. Stattdessen tingelt er zunächst acht Jahre lang als Musiker durch diverse Hotelbars. Weil die Gagen knapp sind, übernachtet er schon mal nach den Auftritten auf der Rückbank seines Autos.
Erste Tour mit Johnny Hallyday
Doch es geht voran: „In den frühen Sechziger Jahren habe ich Johnny Hallyday am Bass bei einer Tour in Südfrankreich begleitet, also etwa zum Zeitpunkt, als er seinen Hit Souvenirs Souvenirs draußen hatte.“ Produktionen mit Mireille Mathieu und France Gall folgen. Nach einem Umzug nach Deutschland verbessert sich die Lage Moroders, Von 1967 an konzentriert er sich auf das Komponieren, unter anderem schreibt er gemeinsam mit Michael Holm den Charterfolg Ich sprenge alle Ketten für den französisch-libanesischen Schlagersänger Ricky Shayne. Das Talent des Italieners spricht sich rum, Moroder erinnert sich gern daran: „Beim Berliner Label Hansa wurde ich erst Tonmeister, wenig später bin ich nach München gezogen. Und mit Looky, Looky ist mir dann mein erster Hit gelungen.“
Mit dem Album Son Of My Father legt der Südtiroler 1972 einen weiteren Grundstein für seine außergewöhnliche Karriere. Michael Holm, damals ein enger Vertrauter, erinnert sich an die Aufnahmen zu diesem Album in München: „Synthie-Streicher gab es damals noch nicht, deshalb setzte Giorgio einen sogenannten Phasing-Effekt ein. Er griff einfach bei dem einen von zwei synchron laufenden Aufnahmegeräten zwischendurch mit der Hand ins Band. Diese winzig verschobene Geschwindigkeit ließ die Streicher künstlich klingen.“Studio unter einem Hotel
Derweil werden dicker Schnäuzer, Minipli-Frisur und getönte Sonnenbrille zum Markenzeichen des Musikers, der die Musikszene Münchens prägt.Mit dem vielseitigen Genie als Galionsfigur entwickelt sich die bayrische Hauptstadt zu einem Zielort für internationale Bands, darunter die Rolling Stones, Queen, Led Zeppelin, Iron Maiden, Rainbow und Elton John. Sie alle kommen in das Musicland-Studio von Giorgio Moroder, welches damals direkt unter dem Arabella Hotel liegt. „Wir hatten eine tolle Technik dort – und das sprach sich rum, gerade bei den Hardrockern. Es war dort recht klein, aber gemütlich. Hier fühlten sich die Musiker einfach wohl“, kommentiert Moroder die Begegnungen in seinem Studio, wo er unter anderem auch ein eigenes Vocoder-Effektgerät entwickelt hat.
Ein Pionier im Disco-Zeitalter
Mit viel Feingefühl trägt Giorgio seine Komposition Love To Love You Baby mit Donna Summer am Gesang ins Disco-Zeitalter und bedient sich indirekt beim erotisch aufgeladenen Serge-Gainsbourg-Klassiker Je t’aime. „Bei der Aufnahme kam mir im Musicland-Studio die Idee, Donna mitten im Song stöhnen zu lassen. Als sie loslegte, hörte sich das aber überhaupt nicht erotisch an. Sie wirkte irgendwie verklemmt. Da habe ich alle anderen Männer aus dem Studio geschickt, auch ihren Ehemann. Und plötzlich ging sie ab.“ Mit 22 simulierten Orgasmen wird dieser Welthit gefüttert, entfacht 1975 prompt einen Skandal und landet in Großbritannien auf dem Index.
Ein Jahr später erscheint mit I Feel Love der ultimative Geniestreich aus der Zusammenarbeit zwischen der ehemaligen Musical-Sängerin und Moroder. Er selbst sagt dazu: „Das ist eine meiner bekanntesten Produktionen. Diese Sequenzerlinie ist innerhalb der elektronischen Tanzmusik zu einer Art Standard geworden – und wurde gerade im Techno-Zeitalter sehr oft zitiert.“
Hollywood klopft an
Die Karriere des ehemaligen Hotelbarpianisten nimmt nun richtig Fahrt auf und führt 1978 in die USA, denn Hollywood klopft an. Regisseur Alan Parker vertraut dem Südtiroler die Filmmusik für Midnight Express an: „Ihm gefiel, was ich mit I Feel Love produziert habe. Er wollte von mir eine Art künstliche Synthesizer-Musik.“ Für den Score erhält Giorgio im Jahr 1979 seinen ersten Oscar für die beste Filmmusik, zwei weitere folgen für Top Gun und Flashdance. Der Meister kommentiert das bescheiden: „Die Leute, die Filmmusik komponieren, kommen fast immer aus der klassischen Musik, sie haben das studiert. Ich hatte, als ich in Hollywood anfing, nur zwei Hits auf meiner Visitenkarte. Musik zu schreiben und Noten zu lesen habe ich ja nicht gelernt.“Titelmusik von Scarface
Auch seine Soundtracks für die Filme Die unendliche Geschichte und Scarface werden überaus erfolgreich. Moroder prägt die Popmusik der Achtziger wie kein zweiter Produzent und setzt im Sujet des Yacht-Rock mit der Musik zu American Gigolo einen Genreklassiker. „Wenn ich mich auf ein Stück dieser Ära beschränken müsste, dann würde ich die Titelmusik von Scarface wählen. Mich hat damals ein Lied von Klaus Nomi inspiriert, nämlich The Cold Song, was ja wiederum eine Adaption aus der Oper King Artur vom britischen Komponisten Henry Purcell ist. Allerdings sind die Akkordfolgen, die ich mir ausgedacht habe, derart komplex, dass ich sie jetzt nicht mehr spielen könnte. Dafür müsste ich sehr lange üben.“
Von Adam Ant über Blondie bis Daft Punk
Immer wenn Giorgio Moroder redet, schwebt nichts Aufgesetztes in seinen Worten. Er wirkt genügsam, aufgeschlossen und freundlich. Als er im Jahr 1984 den Song Love Kills mit Freddy Mercury für den Film Metropolis einspielt, hält sich der Produzent auf rührende Weise zurück: „Du kannst zu einem Superstar wie Freddie Mercury nicht sagen ‚Bitte sing’ das noch einmal, der Take war unsauber’. Er war ein Genie, dem ich mit viel Respekt gegenübergetreten bin.“
Weitere Produktionen mit so ungleichen Stars wie Adam Ant, Blondie, David Bowie, Cheap Trick, Daft Punk, Limahl, Kylie Minogue, Sigue Sigue Sputnik, The Sparks und Barbra Streisand folgen. Über 700 Eigenkompositionen hat er erschaffen und weit über 1.000 Titel im Studio produziert. Auch als Remixer ist er gefragt: Im Jahr 2017 hat Moroder für die Deutsch Amerikanische Freundschaft noch mal eine spezielle Version von Der Mussolini in seinem Studio angefertigt.
Immer noch aktiv: Giorgio Moroder 2015 in Sydney - Foto: Don Arnold/Wire Image/Getty Images
Das allgemeine Credo den Künstlers ist vom Weitermachen geprägt: „Du darfst nie denken: Jetzt hab ich einen Hit komponiert, jetzt werde ich berühmt. Das ist verkehrt. Denn du weißt ja nie, wie der Song bei den Leuten ankommt. Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist natürlich auch Glück.“ Und davon hat der große, freundliche Mann ganz viel abbekommen. Wir wünschen ihm alles Gute zum Geburtstag und noch viele gute Jahre. Happy Birthday, Giorgio Moroder!