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Zeitsprung: Am 31.10.1989 veröffentlichen Grateful Dead ihr letztes Album.

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 31.10.1989.

von Max Röbel und Christof Leim

Live gefeiert, kommerziell auf Höhenflug, dann gerät alles ins Wanken: Am 31. Oktober 1989 erscheint mit Built to Last das 13. und letzte Studioalbum von Grateful Dead. Als hätten sie damals schon geahnt, dass die Band als solche in absehbarer Zeit ihr Ende finden würde, sieht man die kalifornischen Jam Rocker auf dem Plattencover an einem gigantischen Schloss aus Spielkarten basteln. „Show me something built to last” singt Jerry Garcia auf dem Titeltrack – und nimmt damit den Tod vorweg, der ihn und seine Band gut fünf Jahre später ereilen wird.


Hier könnt ihr euch Built to Last anhören:

Doch der Reihe nach: Bereits in seiner Entstehungsphase wackelt das Kartenhaus mit dem ironisch-prophetischen Namen gefährlich vor sich hin. Mehrmals versuchen Grateful Dead, ihre neue Platte in einem simulierten Konzert-Setting live einzuspielen, wie sie es bereits für ihr vorangegangenes Album getan hatten. Das zwei Jahre zuvor veröffentlichte In The Dark hatte sich damals bestens verkauft, doch diesmal klappt die Erfolgsformel nicht. Irgendwie will der Funke bei den Live-Aufnahmen nicht überspringen.


Digital isoliert

Kurzerhand einigt man sich auf grundlegende Songstrukturen. Man nimmt die Rhythmusspuren gemeinsam auf, bevor sich die Bandmitglieder zurückziehen und jeder für sich weiter an den eigenen Parts arbeitet. Verschickt werden die Aufnahmen im Anschluss ganz zeitgemäß digital. Erst als Produzent John Cutler und Sänger Jerry Garcia sich geraume Zeit später aus der Studioversenkung wagen, bekommen die restlichen Musiker das fertige Album zu hören.


Am 31. Oktober 1989 ist es dann soweit: Built To Last erscheint wie geplant pünktlich zu Halloween auf Arista Records. Bandleader Garcia zeigt sich der Presse gegenüber zunächst sehr zufrieden mit dem neuen Album. Die Platte fange die typische Lockerheit der Band ein. Gleichzeitig sei sie sauberer gespielt und detailreicher als seine Vorgänger, lobt der Sänger im Interview. Doch schon bald beginnt das Kartenhaus zu rutschen. Built To Last bleibt hinter den hohen Erwartungen zurück und scheint auch die Herzen der Kritiker*innen nicht so richtig für sich gewinnen zu können. Immerhin: Mit Platz 27 in den Albumcharts und einer Top-Ten-Platzierung für die Single Foolish Heart in den Mainstream Rock Charts bleibt ein komplettes Desaster aus.


Der Wurm im Kartenhaus

Dass bei der Entstehung des Albums dennoch ein wenig der Wurm drin war, geben später auch andere Mitglieder zu Protokoll: Die Band hatte für die neue Scheibe einen großen Vorschuss von Arista angenommen und sich somit verpflichtet, die Halloween-Deadline des Labels einzuhalten. Trotz eines Produktionszeitraums von zwei Jahren stellt das ein gehöriges Problem für die notorisch entspannten Kalifornier dar. Es zählt zu den Gewohnheiten der Band, regelmäßig erst auf den letzten Drücker zu liefern, wie Gitarrist Bob Weir in der Grateful-Dead-Doku Long Strange Trip erzählt: „Wenn die richtige Friss-oder-stirb-Deadline vor der Tür steht, schauen wir noch so lange weg, bis die schiere Panik uns zum Arbeiten treibt. Dann machen wir die meisten unserer Platten in etwa anderthalb Monaten. Die letzten zwei Wochen sind besonders höllisch.“




Daneben quälen die Band zu diesem Zeitpunkt außerdem noch ganz andere Sorgen: Immer wieder verfallen die Musiker dem Reiz harter Drogen und haben parallel mit psychischen Krankheiten wie der Depression von Keyboarder Brent Mydland zu kämpfen. Kurz nach dessen Tod an einer Überdosis im Juli 1990 beginnt auch Frontmann Garcia, zwischenzeitlich abstinent, wieder Heroin zu nehmen. Auch nach einem weiteren Entzug und mit Beistand zahlreicher Ärzte verschlechtert sich seine Gesundheit nach anfänglicher Besserung weiter. Am 9. August 1995 stirbt Jerry Garcia an einem Herzinfarkt in einer Entzugsklinik in Kalifornien.

Nicht nur ihr eigenes, auch das Ende seiner Geschichte scheinen Grateful Dead auf Built To Last längst zu kennen: Im wohl bemerkenswertesten Song des Albums, Victim Or The Crime, besingt Bob Weir die Strapazen eines Junkies. Als er Garcia während der Albumproduktion mit dem Gebrauch des Wortes „Junkie" in seinem Songtext konfrontiert, entgegnet dieser nur: „Mir scheißegal. Sing, was du willst.“

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