Man hört es dem Album nicht an — aber das zweite, eben erschienene Inhaler-Album Cuts & Bruises war eine schwere Geburt. Das lag einerseits an dem Zeitdruck, andererseits auch an den hohen Erwartungen an sich selbst, erklärt uns das Quartett rund um Frontmann Elijah „Eli“ Hewson (Sohn von U2-Frontmann Bono) via Zoom. Endlose Stunden voller Jams, Band-Diskussionen, bei denen schon mal Percussion-Instrumente geworfen worden — und ein Lernprozess, der schlussendlich zu einem bemerkenswerten Zweitlingswerk führten: Wie das alles ablief, erzählen uns Inhaler selbst.
Es ist eine alte Rock'n'Roll-Realität, dass das zweite Album für Bands immer schwierig ist. Wie war das für euch?Eli Hewson: Und wie! Es war sogar ziemlich schwierig. Es fühlte sich nicht wirklich nach Rock’n’Roll an – sondern zeitweise so, als würden wir eben einen Job erledigen müssen. Ich denke, das lag einfach daran, dass wir unter so viel Zeitdruck standen, weil wir gleichzeitig auf Tournee waren. Immer, wenn wir einen Tag frei hatten, waren wir im Studio oder haben geschrieben. Wir beschweren uns zwar gerne darüber, aber um ehrlich zu sein: Wahrscheinlich hat es dem Album sogar geholfen, weil wir so spontan sein und große Entscheidungen schnell und entschlossen treffen mussten. Ich glaube, dass wir mit dem Album auf ein neues Level gekommen sind.
Nach einem so erfolgreichen Debütalbum war da beim Nachfolger ja auch sicher jede Menge Druck da.
Eli: Ja, wir haben eine Menge Druck gespürt, aber den haben wir uns auch selbst gemacht. Wir haben durchgehend geschrieben, haben mit dem Songwriting gar nicht aufgehört. Wir wollten einfach einen richtigen Hit dabei haben. Das hat uns irgendwie angetrieben. Dieser Druck ist immer da.
Als ihr euer erstes Album veröffentlicht habt, endete gerade der Lockdown in Großbritannien, das Land öffnete sich wieder, Bands konnten wieder touren. Wie war das für euch, denkt ihr, ihr habt dadurch noch etwas Schwung mitnehmen können?Eli: Es war definitiv ein Risiko, das Album genau zu dieser Zeit zu veröffentlichen. Aber wir können das nicht auf die lange Bank schieben. Wir haben uns gefragt, ob wir jemals überhaupt wieder raus können und touren.
Ryan McMahon: Manchmal dachten wir uns schon: Sind wir etwas dumm, dass wir das JETZT tun? Es gab keine Garantie, dass wir jemals wieder touren konnten. Wir hatten Glück, dass wir einen Monat nach Release wieder spielen konnten.
Eli: Es gab diese Zeit, in der wir dachten: Wenn das erste Album rauskommt und wir gar nicht touren können, machen wir eben gleich das zweite. Das Gefühl war in die Richtung: Das nervt zwar, aber es ist eben so und wir müssen damit arbeiten.
Wie unterschied sich der Arbeitsprozess von Cuts & Bruises von dem des Debütalbums?Josh Jenkinson: Wir hatten beim ersten viel unerfahrener, was Studioequipment angeht. Wie man seine Verstärker einstellt, wie man aus Pedals einen guten Sound rauskriegt. Unser Produzent und die Tontechniker haben uns damals sehr weitergeholfen. Diesmal mussten sie nicht mehr unsere Hand halten, sondern einfach nur noch den Überblick über unseren kreativen Prozess wahren.
Robert Keating: Diesmal haben wir viel mehr selbst die Kontrolle übernommen. Auch wenn wir beim ersten Album natürlich alle Songs selbst geschrieben und auch das letzte Wort hatten, wussten wir damals, dass wir eine Menge zu lernen hatten. Diesmal konnten wir das Gelernte auch anwenden.
Weil ihr vorhin von Verstärkern und Pedals gesprochen habt — was habt ihr denn verwendet?Eli: Oh Mann, da werden wir jetzt den ganzen Tag dafür brauchen (lacht)
Josh: Ich habe einen Vox Amp benutzt. Kein Vintage-Modell, eine Reissue eines AC30. Sehr versatil, das Ding.
Robert: Eigentlich benutzen wir das gleiche Equipment, wie wir es auch live tun. Der Unterschied ist, dass im Studio einige Flügel rumstanden, deswegen hört man auf der Platte auch Piano. Auch Honky-Tonk-Pianos. Wir haben Hammond-Orgel auf der Platte.
Eli: Und den Strymon Volante.
Robert: Ja, das ist eines der Pedals, die wir benutzten. Unser Produzent hat eine große Sammlung von Gitarrenpedals.
Josh: Auf der Website seines Studios steht, dass er an die 200 Pedals hat, die man benutzen kann.
Ryan: Ein Spielzeugladen für jeden Musiker.
Eli: Wir hatten manchmal fast zu viel Spaß im Studio. Wir verbrachten Stunden damit zu sagen: Was wäre mit dem Pedal hier? Oder mit dem? Wenn man Zeitdruck hat, ist es aber ganz gut, schnelle Entscheidungen treffen zu können. Deswegen haben wir gar nicht lange diskutiert, sondern sind es einfach etwas holprig angegangen. Aber ich denke, das hat sehr gut funktioniert.
Eli, du hast vorhin von Zeitdruck gesprochen. Ich nehme an, ihr kommt demnach schon gut vorbereitet ins Studio?Eli: Ich wünschte, es wäre so, aber das war leider nicht der Fall.
Ryan: Als wir für Cuts & Bruises ins Studio gingen, dachten wir, dass wir eigentlich schon ein paar ganz gute Songs hätten. Wir waren uns aber nicht sicher. Ich erinnere mich an die Worte unseres Produzenten. Er meinte nur: „Ich denke, wir haben noch keine Tunes“. Es gab eine Phase, in der wir zehn bis zwölf Stunden am Tag nur gejammt und versucht haben, irgendwas zu finden. Wir warteten auf etwas Magisches, das uns in den Schoß fällt. Es ist dann glücklicherweise auch passiert, aber wir mussten eine „Trial and Error“-Phase durchlaufen. Wir schrieben 40 Songs, haben es dann auf elf heruntergebrochen. Es war schon zermürbend, aber ich bin froh, dass es so gelaufen ist. Wir sind sehr glücklich mit dem Album.
Ein schwieriges Album also.Eli: Absolut.
Ryan: Ja, es war ziemlich schwer. Es gab einige Momente, in denen wir gerne woanders gewesen wären. Uns ganz einfach versteckt hätten. Aber das war auch deswegen, weil wir müde vom Touren waren. Wenn man ein Album macht, möchte man den Prozess ja auch genießen — und es gab einfach einige Momente, in denen wir das nicht konnten.
Eli: Wenn das so war, haben wir uns zusammengesetzt und darüber gesprochen. Jeder hat dem anderen erklärt, was los ist — und das hat uns geholfen, damit umzugehen. Wir waren offen — und das hatte auch einen Einfluss auf die Texte. Männer reden ja nicht so gerne über ihre Gefühle, aber uns blieb gar nichts anderes übrig. Und somit hatten wir auch viel, worüber wir schreiben konnten. Es war nicht immer alles eitel Wonne. Ich sage es mal so: Es ist durchaus mal das eine oder andere Tamburin durch den Raum geflogen.
Lasst uns über eure Anfänge sprechen — wie war die Dubliner Musikszene?
Ryan: Wir haben von der Musikszene Dublins gar nicht so viel mitgekriegt, bis wir etwa 19 Jahre alt waren. Dann haben wir Bandswie die Fontaines D.C. oder The Murder Capital kennengelernt. Wir haben unser erstes Konzert mit 16 in einer Venue namens The Grunt Social gespielt, dann spielten wir regelmäßig in einem Club namens The Workman’s. Dort lernten wir einige Mitglieder der genannten Bands kennen. Oder Leute, die dann Bands wie Milk oder NewDad gegründet haben. Es kommt viel tolle Musik aus Irland. Ich denke, das hat mit dem Wetter zu tun. Viele tolle Bands kommen aus Orten, wo es oft regnet oder es immer bewölkt ist. Ich denke, zurzeit sind wir aber gar kein Teil der Dubliner Musikszene, einfach, weil wir dauernd unterwegs sind. Aber es kommen wirklich aufregende Dinge von dort und das ist toll zu sehen.
Gibt es Bands, mit denen ihr euch seelenverwandt fühlt?Robert: The Academic sind so eine Band. Wir sind früher viel mit ihnen getourt, ich denke, wir haben einen ähnlichen Zugang zum Songwriting. Sie veröffentlichten auch gerade ihr zweites Album.
Josh: Wenn wir mit Bands touren, schauen wir uns viel von ihnen ab. Sei es den Arbeitsethos oder sonst was.
Eli: Ja, wir stehlen viel! (lacht)
Gab es in letzter Zeit Konzerte, an die ihr euch besonders gern erinnert?Robert: Wir spielten in Rumänien, das war super. Wir haben an vielen neuen Orten gespielt. Glastonbury war auch toll.
Ryan: Wir haben als Support von Kings of Leon gespielt. Das war auch super, weil sie einen großen Einfluss auf uns hatten. Letztes Jahr war verrückt. Wir sind auch einige Wochen durch die USA getourt, das war großartig. Ein echtes Abenteuer. Wir können nur hoffen, dass dieses Jahr genauso aufregend wird wie letztes Jahr!
Habt ihr euch Cuts & Bruises schon mit etwas Distanz anhören können — oder ist es noch zu frisch?Robert: Sobald ein Album draußen ist, höre ich es mir eigentlich nicht mehr an.
Ryan: Mir geht es gleich. Während des Arbeitsprozesses höre ich es wirklich oft, aber dann gar nicht mehr.
Eli: Es ist seltsam, gerade gestern habe ich mir unser erstes Album angehört. Es war überraschenderweise ein angenehmes Gefühl!
Ryan: In einer Platte steckt einfach viel emotionales Trauma und Aufruhr. Und wenn es fertig ist, muss man es manchmal für eine Zeitlang zurücklassen.
Eli: Man muss sich davon distanzieren. Sonst verkrampft man sich auf Details, die man anders machen hätte sollen. „Oh Mann, wir hätten noch mehr Reverb dazunehmen sollen”, sowas eben. Erst, wenn man diese Gedanken zurücklassen kann, kann man es sich wieder mit klarem Kopf anhören und es als das sehen, was es ist. Aber das braucht seine Zeit.
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