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Foto: Andrew Southam

Von der Pub-Band zur Weltmacht: Der Aufstieg und Fall von INXS

Viele Bands fangen in einer Kneipe an. Die meisten hören dort auch wieder auf. Manche aber bringen es von dort bis ganz, ganz nach oben und machen das Wembley-Stadion voll. Dies ist die Geschichte des Aufstiegs von INXS. Und ihres jähen Endes.

von Björn Springorum

Es ist eine weithin anerkannte Wahrheit, dass es eine Band mit dem Namen Doctor Dolphin nicht weit bringen wird. Das merkte auch die Urform von INXS, die sich bald danach in The Farriss Brothers umbenannte. Wollte aber auch nicht so recht zünden, weswegen man es danach mal mit The Vegetables versuchte und einen Song namens We Are The Vegetables schrieb. Im Ernst, wenn man das so liest, kann man kaum glauben, dass das hier die Anfänge einer der größten australischen Rock-Bands aller Zeiten sind.

Aber so fangen sie manchmal eben an, die Mythen. Eine Zufallsbegegnung auf dem Parkplatz des Pubs Narrabeen Antler im Norden Sydneys später – und man trat urplötzlich im Vorprogramm von Midnight Oil auf. Genau, das sind die mit Beds Are Burning. Gary Morris, dem Midnight-Manager, ist zu verdanken, dass sich die Band einen anderen Namen gab. Wahrscheinlich wusste auch er um das musikalische Talent der Jungs, das eben nicht für die Wahl eines coolen Namens reichte. Er schlug den grandiosen Namen INXS vor, wollte die Jungs aber ursprünglich in eine christliche Band verwandeln. INXS lehnten höflich, aber bestimmt ab.


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300 Konzerte in einem Jahr

Endlich konnte also das beginnen, was innerhalb weniger Jahre zu einem ganz großen Phänomen der Rock-Welt werden sollte: der rasche Aufstieg von INXS. Vor fast genau 40 Jahren, am 1. September 1979, gab die Band ihren ersten Auftritt. In einem Hotel. Am Strand. Rock’n’Roll sieht echt anders aus. Aber den strebten Sänger Michael Hutchence, die Gitarristen Tim Farriss und Kirk Pengilly, Bassist Garry Gary Beers, Keyboarder, Andrew Farriss und Schlagzeuger Jon Farriss anfangs auch gar nicht an. Ihr erstes Album, schlicht INXS betitelt, war eher im New Wave zuhause und wurde in einem Jahr auf 300 Konzerten promotet. Die Band spielte sprichwörtlich in jeder Bar, die ihnen ein bisschen Platz und Strom bot – nichts Besonderes an der Ostküste Australiens, zu dieser Zeit das Mekka für Live-Musik schlechthin.

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Diese Kompromisslosigkeit brachte INXS schnell voran. 1984 war man schon bei Album vier, The Swing, angekommen, auf dem mit Original Sin der erste Welthit der ehemaligen Vegetables vertreten war. Sie hatten den typisch-australischen Pub-Rock inzwischen kultiviert, ihn mit Ska und Funk angereichert und ihn in ungeahnte Sphären geschossen. Doch damit fing alles erst an: Sie spielten Tourneen auf der ganzen Welt, versetzten immer mehr Menschen mit ihren furiosen Shows in Ekstase, gaben ein Konzert für Prince Charles und Diana, traten vor Queen im Wembley-Stadion auf und hatten sich binnen weniger Jahre den Ruf erspielt, die beste Live-Band der Welt zu sein. Nicht schlecht für eine Truppe, die mit We Are The Vegetables anfing.

Live, Baby, Live

Jedes Album setzte einen drauf, jede Tour war größer und länger als die letzte, jeder Auftritt ausgefeilter. In Pubs trat die Band schon lang nicht mehr auf, verkaufte Hallen und Arenen auf der ganzen Welt aus. Kick und X festigten ihren Status als Rock-Großmacht mit Pub-Wurzeln, warf Songs wie Need You Tonight oder Suicide Blonde ab. Was sollte da noch kommen? Nun, eine Sache. Ein solitäres Ereignis in der Geschichte dieser Band: Ihr Auftritt im ausverkauften Wembley-Stadion. Diesmal als Headliner. 74.000 Fans bezeugten die Band auf ihrem Zenit, das epochale Live-Album Live Baby Live hält diesen unsterblichen Moment bis heute fest. Und nicht nur das: Ab dem 27. November 2019 wird der überarbeitete Konzertfilm erstmals in Kinos auf der ganzen Welt gezeigt, das unübertroffene Soundtrack-Album dazu erscheint zudem in einer umfangreichen neuen Edition.

Fragt sich nur, was am Ende für ihren Erfolg, für 60 Millionen verkaufte Platten, verantwortlich war. Sicher, ihre Musik war wie gemacht für die Achtziger. INXS verbanden bodenständigen Pub Rock mit Wave, Funk und megalomanischem Stadion-Rock zu einer Portion puren Zeitgeists. Sie spielen sich die Hintern wund. Sie taten alles für den Erfolg.

Aber vor allem war es die Figur des Michael Hutchence, die die Massen berauschte. Charismatisch, geheimnisvoll, mit einer extrem wandelbaren Stimme zwischen kernig, verführerisch, düster und leidenschaftlich, dazu sein exzessiver Rock’n’Roll-Lebensstil, die Autos, die Affären mit berühmten Frauen wie Kylie Minogue: einer der letzten schillernden Rockstars. Sein durch Drogen und Depressionen verursachter Selbstmord am 22. November 1997 setzte einen traurigen und vollkommen unverdienten Schlusspunkt unter eine der erstaunlichsten Karrieren der Rock-Geschichte. Und selbst seine Beerdigung nährte seinen Mythos: Nick Cave spielte Into My Arms und gerüchteweise soll ihm seine Affäre Paula Yates am offenen Sarg ein Gramm Herion in die Tasche gesteckt haben. Für die letzte Reise des gefallenen Michael Hutchence.