Virtuoses Spiel kombiniert mit eingängigen, fast schon mitsingbaren Kompositionen: Damit prägte Joe Satriani viele Generationen an Gitarrist*innen. Demnächst veröffentlicht der 63-Jährige, zu dessen ehemaligen Gitarrenschüler*innen prominente Namen wie Steve Vai, Kirk Hammett oder Tom Morello gehören, sein siebzehntes Studioalbum.
von Markus Brandstetter
Wer bereits vor der Veröffentlichung das eine oder andere neue Stück davon hören möchte, kann dies im Rahmen von Satrianis Europatournee tun. Im April 2020 kommt „Satch“, wie er von Fans und Freund*innen genannt wird, für sechs Shows nach Deutschland – darunter Mainz (15. April), Karlsruhe (18. April) und Berlin (19. April).
Hört hier einige der besten Songs von Joe Satriani:
Wir fragten bei der Gitarrenlegende einige Monate vor seiner Tour und dem Release schon mal nach, was Fans vom neuen Album erwarten können und wie es zu seiner aktuellen Bandbesetzung kam. Außerdem verriet Satriani auch, wie seine Übungsroutine aussieht, wie oft er die Gitarre auch mal beiseite legt und wie er seine Signature-Gitarrenserie (die JS-Reihe von Ibanez) stets verbessern und erneuern möchte.
Joe, für dich geht es diesen Frühling wieder auf Tournee – und da soll es neben Satriani-Klassikern auch einige neue Songs deines kommenden Longplayers zu hören geben. Verrate uns doch schon ein wenig über dein neues Album.
Das neue Album heißt The Shapeshifting. Darauf zu hören sind Kenny Aronoff am Schlagzeug, Chris Chaney am Bass, Eric Caudiex an den Keyboards sowie Lisa Coleman und Christopher Guest als Special Guests. Ich ändere auf dieser Sammlung, bestehend aus dreizehn Songs, oft meine musikalische Gestalt mit jeder Menge unterschiedlicher Stile. Ich nehme die Zuhörer*innen mit auf eine emotionale Reise der Selbstentdeckung – mit Gitarrenspiel in all seinen Aspekten und Formen.
Du bringst ein neues Line-up mit auf Tour, zumindest hier in Europa. Dieses wird aus Kenny Aronoff am Schlagzeug, Bryan Beller am Bass und Rai Thistlethwayte an den Keyboards bestehen. Bryan ist ja nun schon länger Teil deiner Live-Band, mit Kenny hast du auf der Experience-Hendrix-Tour gespielt. Wie kam es nun zu dieser Besetzung?
Ich wollte meine Live-Band auf ein noch höheres Energie- und Begeisterungslevel hieven. Bryan, Kenny und Rai sind nicht nur für das neue Material perfekt, sondern auch für die Klassiker meines ziemlich großen Repertoires. Rai ist neu dabei und er bringt so viel musikalische Power in die Band. Er ist ein toller Performer, Keyboarder und Gitarrist, aber auch ein toller Frontmann mit seiner eigenen Band Thirsty Merc. Ihn in meiner Live-Band zu haben wird nochmal ein ganz neues Energielevel bringen.
Wie sieht dein Kompositionsprozess aus ? Wo und wann schreibst du? Hat sich das über die Jahre geändert – und: Welches Equipment hast du immer bei der Hand, wenn du zuhause spielst?
Ich schreibe in meinem Kopf in allen möglichen Locations, zum Beispiel im Tourbus oder wenn ich mich für ein Getränk anstelle. Man weiß nie, wann oder wo einen die Inspiration überkommt. Also ist es gut, darauf vorbereitet zu sein, sich an das, was man erträumt hat, in einer musikalischen Sprache erinnern zu können. Eine Gitarre oder ein Keyboard bei der Hand zu haben ist gut, und am besten auch noch was, mit dem man aufnehmen kann. Mit meiner Gitarre in der Hand vor dem Pro-Tools-Rig zu schreiben kann schon ziemlich praktisch sein, aber manchmal ist das, was einem beim Autofahren einfällt, genauso gut. Viele meiner Songs beginne ich auf dem iPhone, das sind einfach spontane Live-Aufnahmen.
Nimmst du dir auch mal Auszeiten von der Gitarre? Was war in den letzten Jahren die längste Phase, in der du keine Gitarre angegriffen hast – oder spielst du dauernd?
Ich spiele schon fast jeden Tag. Es gibt aber auch Zeiten, zum Beispiel nach einer besonders harten Tour, wo ich mir ein, zwei Wochen Pause vom Spielen gönne. Das ist nicht nur gut für Hände und Ohren, sondern hilft auch dabei, Riffs und Licks zu vergessen, die du vielleicht zu oft wiederholt hast. Wenn du dann wieder zum Spielen zurückkommst, fühlt sich das wie ein Neubeginn an.
Wenn man als Gitarrist*in ein so hohes Level erreicht hat, muss man dann eigentlich noch üben?
Ja. Üben ist gut für die Hände, den Geist und die Seele.
Im Oktober hattest du deine erste Ausstellung deiner Malereien. Man kannte dein Artworks zuvor beispielsweise von einigen deiner Gitarren, die ausgestellten Werke waren aber etwas ganz anderes. Bildnerische Kunst und Musik – sind das für dich einfach zwei verschiedene Mittel, um eine Vision zu verwirklichen, oder etwas Grundverschiedenes?
Zeichnen ist eine meiner Leidenschaften, schon seit ich ein Kind war. Vor einigen Jahren hatte ich meine Frau Rubina gebeten, mir dabei zu helfen, meine Zeichenkünste auf die Leinwand zu übersetzen. Sie ist eine ausgebildete Künstlerin, genau wie mein Sohn und meine zwei älteren Schwestern. Ich hatte also während des Prozesses eine tolle Orientierung, die mir dabei half, Technik und das Kanalisieren meiner Ideen auf dieses neue Medium zu verstehen. Für mich hat es seine eigene Flugbahn und seinen eigenen Stil, gelöst von der Musik.
Foto: Joseph CulticeDein letztes Album läutete ja auch eine Neuauflage deiner legendären Chromeboy-Gitarre ein – zuerst als Limited-Edition-Model, jetzt als reguläres Serienmodell JS1CR. Das Modell anlässlich des zehnten Jubiläums deiner Signature-Gitarrenlinie ist mittlerweile ein begehrtes und ziemlich teures Sammlerobjekt. Erkläre doch mal, wie die Chromeboy entstand und wie es kam, dass du sie zurückbrachtest.
Während der Aufnahmen zu Surfing With The Alien im Jahr 1987 war es eine logische Idee für Bill Reim von Ibanez und mich, eine Gitarre mit Chrome-Finish zu erschaffen. Das Design- und Produktionsteam von Ibanez, gemeinsam mit Hoshino Gakki, arbeitete unermüdlich daran, die Herausforderungen eines solchen Modells zu bewältigen. Die neue JS1CR ist ein großartiges, wunderschönes Instrument. Sie sollte im Smithsonian Institute of Design stehen, ohne Zweifel. Sie ist auch mein Lieblingsmodell, das bestklingende und am besten zu spielende JS-Modell bis jetzt.
Deine JS-Signature-Serie ist seit Jahrzehnten etabliert. Wie gehst du an die Entwicklung und Veröffentlichung neuer Modelle heran, wonach suchst du?
Optimieren, optimieren und nochmals optimieren, ha! Ich arbeite einfach daran, die Gitarre jedes Jahr besser zu machen. Wenn du an die Entwicklung von Gitarren wie Telecasters oder Stratocasters denkst, merkst du, wie wichtig die Evolution des Gitarrendesigns für die Bedürfnisse sich stetig weiterentwicklender Stile ist. Ich genieße die Arbeit daran wirklich und hoffe, es zu schaffen, dass das JS-Modell für weitere Generationen ein lebendiges musikalisches Werkzeug bleiben wird.
Seit es Youtube gibt, sind ganz neue Generationen von Gitarrist*inneen entstanden. Vor dem Internet musste man sich Bücher kaufen, jetzt hat man jede Information, jedes Tutorial für jeden Trick und jede Technik ständig verfügbar. Man sieht Kinder, die schon in frühem Alter eine fantastische Technik haben – schaust du dir auf Youtube manchmal junge Spieler*innen an? Und glaubst du, dass die Verfügbarkeit von allem zu jeder Zeit die Gitarrenwelt verändert hat?
Das ist eine großartige Art und Weise, um das Internet zu nutzen. Es war früher so schwer, wirklich authentische Infos zum Thema Spielen zu bekommen. Ich bin wirklich inspiriert von den ganzen jungen Gitarrist*innen auf der ganzen Welt. Zwar kann nichts die Erfahrung ersetzen, vor einem Live-Publikum zu spielen, aber mit YouTube kannst du zumindest die richtige Art zu spielen sofort „sehen“. Solange du weißt, welche Posts du ernst nehmen kannst!
Wie siehst du den Status Quo der Gitarre – oder noch spezifischer: den von Gitarrensoli in der populären Musik?
Ich wünschte, es gäbe mehr Möglichkeiten für die ganzen großartigen Gitarrist*innen draußen, ihr Können zu zeigen. Aber was kann man schon machen? Veränderung ist unumgänglich, in allen Aspekten des Lebens. Ich versuche einfach in allem, was ich tue, besser zu werden und meine Fans weiterhin glücklich zu machen.
Joe Satriani live in Deutschland:
- 15. April 2020: Mainz/Halle45
- 18. April 2020: Karlsruhe/Tollhaus
- 19. April 2020: Berlin/Huxleys
- 20. April 2020: Oberhausen/Turbinenhalle2
- 25. April 2020: Winterbach/Salierhalle
- 19. Mai 2020: Nürnberg/Löwensaal