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Screenshot YouTube

Zeitsprung: Ab 29.10.1992 kämpft Lemmy als Computer-Spielfigur.

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 29.10.1992.

von Christof Leim

Da sag’ noch jemand, Rock’n’Roll rettet nicht die Welt. In einem Computerspiel von 1992 jedenfalls ist es Lemmy höchstselbst, der mit allen Tugenden eines wahrhaftigen Rockstars Monster und anderes Geschmeiß bekämpft. Seine Waffen: Bass, Faust und infernalische Rülpser. Als Power-ups gibt’s natürlich Bier.

Hört euch hier die besten Motörhead-Songs an:

Der legendäre Lemmy Kilmister von Motörhead stand nicht nur auf Gedaddel und Videospiele, er taucht sogar als Star in einigen davon auf. So gibt es eine Lemmy-Figur in Brütal Legend, außerdem läuft seine Musik in Guitar Hero und Rock Band. Sogar in Super Mario wurde eine Figur nach ihm benannt. Doch los ging Lemmys Games-Karriere schon 1992 mit einem kleinen Spiel namens, klar, Motörhead für Amiga und Atari ST.

Knubbel-Lemmy gegen Country & Rap

Dabei bewegt sich ein knubbelig animierter Lemmy durch mehrere horizontale Level und bekämpft seine Feinde. Das muss er auch, denn nach der abgedrehten Vorgeschichte wurden seine Bandkollegen entführt, um den Motörhead-Auftritt in einer besonders spießigen Stadt zu verhindern. Gerade aus einem „Bourbon-induzierten Blackout“ erwacht, macht sich der Boss also auf die Reise und legt sich mit feindlichen Genres an wie Country, Rap, Gothic und sogar Karaoke. Dabei begegnet er etwa einer peitschenschwingenden Gegnerin, die verdächtig nach Dolly Parton aussieht. Im Goth-Level steht ihm, man könnte schwören, Robert Smith von The Cure gegenüber.

Das Artwork des „Motörhead“-Computerspiels.

Die Struktur erinnert an Hauerei-Klassiker wie Streets Of Rage, es geht sehr geradlinig voran, sieht man von Zwischenspielchen ab wie „Beer Frenzy“ (alles wegsaufen) und „Hippy Headache“ (komische Hexen weghauen). Vor jeder Stufe proklamiert unser Held „Let’s rock!“, als Waffen stehen ihm sein Bass, seine Fäuste und Kopfstöße zur Verfügung, er kann aber auch – kein Witz – seinen Mundgeruch einsetzen. Dafür muss er nur ausreichend Pilsbier und Bourbon reingekippt haben, denn das sind die Power-ups, mit denen er seine „Health“, seine Gesundheit auffrischen kann. Und wenn er genügend Motörhead-Talismane eingesammelt hat, erscheinen auch mal hilfreiche Dämonen einschließlich des Wrestlers The Undertakers, der einfach alle umhaut. Das ist so bescheuert, dass man es prinzipiell großartig nennen muss.

Fast normale Tagesbeschäftigung: Lemmy kämpft, säuft und fährt Motorrad.

Mehr Rock’n’Roll, bitte

Das Spiel selbst gibt allerdings, glaubt man Rezensionen von damals, nicht viel her. Zu eindimensional, zu repetitiv. Aber vielleicht geht es darum gar nicht. Viel schwerer wiegt die Sache mit dem Soundtrack: Denn wenn das Ding schon Motörhead heißt, sollte klanglich Besseres kommen als generische Piep-Piep-Töne für die jeweiligen feindlichen Genres. Und selbst als Computer-Lemmy sich durchgekämpft hat, spielt seine Band nur eine elektronisch-leblose Version des Songs Motörhead.

Heutzutage taugen solche Klötzchengrafiken und die Spielführung höchstens noch als Kult, zumal das Ding kaum Spuren hinterlassen hat: Produziert wurde es von der Firma Kaitsu Software, die nur diese eine Veröffentlichung vorweisen kann. Den Vertrieb übernahmen immerhin Virgin Games, ein großer Laden. Eine Mail an den Produzenten Michael Merren blieb unbeantwortet. Nicht mal ein Veröffentlichungsdatum als Stichtag für unseren Zeitsprung ließ sich so einfach rausfinden. Laut der Software Preservation Society stand Motörhead am 29. Oktober 1992 in den Regalen. 

Macht aber alles nix, den die Zeitschrift Maxim schrieb zu Recht: „Wie viele Rockstars können ein eigenes Spiel vorweisen?“ Eben. Wer, wenn nicht der große Lemmy Kilmister?