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Foto: Anthony Wilson

Amerikanische Poesie: Indie-Folker Lord Huron veröffentlichen neues Album „Long Lost“

Wildwest-Romantik, Großstadtgeschichten und atemberaubende Landschaften vor dem inneren Auge: Storytelling können die Indie-Folker Lord Huron. Mit Long Lost legen die Kalifornier bereits ihr viertes Album vor.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Long Lost von Lord Huron anhören:

Eigentlich war Lord Huron ja als Soloprojekt gedacht. Mehrere EPs hat der US-amerikanische Musiker Ben Schneider ab 2010 unter diesem Namen veröffentlicht. Zusätzliche Musiker*innen engagierte er zunächst nur für Live-Shows, doch später wurde daraus eine ausgewachsene Band. Inzwischen hat die Gruppe bereits drei Alben rausgebracht, Nummer vier folgt nun. Schauen wir uns mal an, wie alles angefangen hat und wo Lord Huron heute stehen.

Seine ersten musikalischen Gehversuche unternimmt Ben Schneider in seiner Heimatstadt Lansing in Michigan. Von dort aus verbringt er nicht nur viel Zeit am Lake Huron und spielt Songs am Lagerfeuer. Er studiert auch bildende Kunst an der University Of Michigan; seinen Abschluss macht er in Frankreich. Anschließend zieht er nach New York, wo er sich in der Kunstszene bewegt. Sein bis dato letzter großer Umzug geht 2005 über die Bühne. Diesmal lautet das Ziel Los Angeles.


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Lord Huron: Kalifornische Geschichten

Dort fällt auch der Startschuss für Lord Huron. Nach drei EPs erscheint am 9. Oktober 2012 das Debütalbum Lonesome Dreams und steigt aus dem Stand in die US-Charts ein. Ben Schneider trifft mit seiner abstrakten Darstellung der nordamerikanischen Wildnis einen Nerv, mühelos und voller Hingabe erzählt er von Dünen und endlosen Flüssen. Wenn man genau hinhört, glaubt man inmitten eines Stammes amerikanischer Ureinwohner*innen zu stehen, während am Horizont ein paar Cowboys ihre Viehherde vorbeitreiben.

Parallelen zu Indie-Folk-Größen wie Fleet Foxes und Mumford & Sons sind nicht zu überhören, auch auf dem zweiten Album Strange Trails nicht. Hier erzeugen engelsgleich klingende Gitarren ineinanderfließende Übergänge, Western-lastige Sounds untermalen den hallenden Gesang und vor dem inneren Auge der Zuhörerschaft entstehen weite Prärien, knisternde Lagerfeuer und beeindruckende Gebirge. Keine Frage: Bilder erzeugen können Lord Huron mit ihrer Musik. Und der Durchbruch gelingt der Band mit Strange Trails auch noch. So wird der Song The Night We Met für die Netflix-Serie Tote Mädchen lügen nicht verwendet und landet prompt in den Billboard Hot 100.

Der Durchbruch

Mit ihrem dritten Album Vide Noir schaffen Lord Huron 2018 zum ersten Mal den Sprung in die US-amerikanische Alben-Top-Ten. „Schwarze Leere“ bedeutet der Titel übersetzt, doch zu hören gibt es einen etwas anderen Blickwinkel auf Ben Schneiders Wahlheimat Los Angeles. Der Website Stereogum erzählt er im Interview, er habe L.A. vor allem bei Nacht beobachtet und sich davon inspirieren lassen. „Meine nächtlichen Fahrten erstreckten sich über die ganze Stadt“, verrät er im Interview.

„Über das funkelnde Gitternetz des Tals, in die kriechenden Schatten des Vorgebirges, durch die neonfarbenen Canyons von Downtown und weit hinaus zum dunklen Ozean. Ich hatte diese Vorstellung von ‚Vide Noir‘ als epische Odyssee durch die Stadt, über die Dimensionen und hinaus in den Kosmos. Eine Reise durch das Spektrum der menschlichen Erfahrung. Eine Suche nach Bedeutung inmitten der kalten Gleichgültigkeit des Universums.“

Cowboy-Kitsch statt Redneck-Mief

Mit Long Lost legen Lord Huron jetzt ihre vierte Platte vor. Die Singles Not Dead Yet und Mine Forever hat die Gruppe bereits auf die Öffentlichkeit losgelassen, nun folgt das komplette Album. Aufgenommen haben Lord Huron ihr viertes Werk in ihrem eigenen Whispering Pine Studio in Los Angeles, dessen Geschichte auch Hauptgegenstand des Albums ist. So gehen die Musiker auf eine Zeitreise und ergründen die Historie ihres Aufnahmestudios, in dem der Legende nach noch heute allerlei tote Musiker*innen herumspuken sollen. Außerdem spielt der fiktive Mr. Tubbs Tarbell eine zentrale Rolle.

Musikalisch bewegen sich Lord Huron auf vertrautem Terrain und lassen mit ihren Instrumenten den Westen Amerikas zum Leben erwecken. Ob Folk, Country oder Western-Soundtrack: Die Band weiß genau, wie man alte Musik mit einem kräftigen Indie-Einschlag in die Gegenwart holt und dabei auch noch spannende Geschichten erzählt. Redneck-Mief? Fehlanzeige. Cowboy-Kitsch? Schon eher. Wer etwas für den wilden oder den modernen Westen übrig hat, sollte hier unbedingt ein Ohr riskieren.

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