Featured Image
Foto: Thorsten Seiffert/ RocknRoll Reporter

Machine Head: Drei Stunden Metal und „Burn My Eyes“ komplett

"Robb Flynn hält Kurs: Nach Ausstieg der halben Band und gemischten Reaktionen auf das letzte Album Catharsis (2018) spielen Machine Head dieser Tage Drei-Stunden-Shows vor vollen Häusern. Dabei feuert zunächst ein neues Line-up die Greatest Hits raus, dann spielen die Urmitglieder von einst das Debüt Burn My Eyes zu seinem 25. Geburtstag. Zu wenig Metal gab es am 14. Oktober 2019 im Bochumer Ruhrcongress jedenfalls nicht…

von Christof Leim

Hier könnt ihr euch Burn My Eyes anhören:

Seit Jahren spielen Machine Head um Sänger/Gitarrist Robb Flynn ohne Vorgruppe, dafür länger. Wesentlich länger. „An evening with…“ heißt die Veranstaltung dann und gibt den Musikern die Gelegenheit, auch abwegige oder vernachlässigte Schätzchen auszupacken. Das Konzept führt der Kapitän 2019 fort, aber mit einem Schlenker:

Die längjährigen Mitstreiter Phil Demmel (Gitarre) und Dave McClain (Drums) hatten die Band im September vergangenen Jahres verlassen. Für sie sind Wacław "Vogg" Kiełtyka von den polnischen Todesmetallern Decapitated dabei und Matt Alston, Trommler von Devilment und bereits als Techniker mit Machine Head auf Tour gewesen. Beide erweisen sich als hochkompetente Musiker, die von den Fans mit Applaus aufgenommen werden. Mit ihnen spielen Robb Flynn und der langjährige Bassist Jared MacEachern Stücke von allen Alben ihrer Karriere. 

Ambitionierter Plan

Das Debüt Burn My Eyes, mit dem Machine Head 1994 schwungvoll in der harten Szene aufgeschlagen sind (alles dazu hier), findet sich sogar in voller Länge auf der Setlist. Dabei stehen neben Flynn und MacEachern zwei Urmitglieder von damals auf der Bühne: Gitarrist Logan Mader und Schlagzeuger Chris Kontos. Lediglich Bassist Adam Duce ist nicht mit von der Partie. Drei Viertel des Burn My Eyes-Line-ups sind also am Start, und Machine Head gehen an diesen Abenden mit zwei Besetzungen ins Rennen. Ambitioniert. Das zieht nicht wenige Fans alter Schule in die Hallen: Der Ruhrcongress in Bochum mit seinen 5.000 Plätzen ist zwar nicht voll, aber gut gefüllt. Andere Termine der Rundreise in kleineren Hallen sind ausverkauft.

 
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
 

Ein Beitrag geteilt von Machine Head (@machine_head) am

Um fünf nach acht geht es brachial los mit Imperium: Die Besetzung aus Flynn, MacEachern, Vogg und Alston ballert gut eingespielt, Anlaufschwierigkeiten gibt es offensichtlich keine. Die erste halbe Stunde bleibt es hart: Take My Scars, Now We Die, Beautiful Mourning, ein Brett folgt dem nächsten, der Sound tönt wuchtig, aber zu laut, Flynn brüllt vor allem, die Riffs fliegen, und wer die Songs nicht wirklich gut im Ohr hat, wird von ihrer Komplexität schier erschlagen. Die Musiker haben damit keine Probleme, und was die beiden Gitarristen hier veranstalten, muss man als erstklassig bezeichnen. 

 
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
 

Ein Beitrag geteilt von Machine Head (@machine_head) am

Schon früh starten die Fans Chöre zwischen den Songs, die bis zum Ende des Abends immer wieder erklingen: „Machine Fuckin’ Head! Machine Fuckin’ Head!“ Offensichtlich hat die Truppe aus Kalifornien immer noch und weiterhin viele Freunde in Europa, wo ihre Karriere damals erst richtig losgegangen war.

Durchgeballert. Gut oder schlecht?

Mit Bite The Bullet gibt es ein einen „Jungfernflug“, denn die Nummer steht zum ersten Mal auf dieser Reise auf dem Programm. Ansonsten fliegen Machine Head durch alle Platten, mit einem Schwergewicht (pun intended) auf Unto The Locust und The Blackening. Sogar die vergleichsweise experimentellen Supercharger und The Burning Red, von der konservativen Fraktion als Nu Metal verschrien, finden Beachtung. Catharsis ist mit einem Song dabei, dem Titelstück.

 
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
 

Ein Beitrag geteilt von Machine Head (@machine_head) am

Fast zwei Stunden haut uns das Quartett in diesem Greatest-Hits-Teil harten, gut gespielten Metal um die Ohren; einmal darf Vogg ein zwar nicht grundsätzlich mitreißendes, aber technisch versiertes Solo vom Stapel lassen. Große Überraschungen im Sinne von stilistischen Querschlägern gibt es allerdings nicht, obwohl hier ja ein Reiz der „An Evening With…“-Konzert liegt. Vor allem in Anbetracht der angekündigten Überlänge wäre mehr Abwechslung wünschenswert, denn wir haben noch 55 Minuten Burn My Eyes vor uns. Kurz gesagt: Es zieht sich. Lediglich Darkness Within setzt einen Kontrapunkt: Robb Flynn kommt mit einer Akustikgitarre auf die Bühne und hält eine sympathische, lebensbejahende Rede über die Kraft der Musik, worauf der Song seinen epischen Charakter umso stärker entfaltet. Große Nummer. Auch Ten Ton Hammer und das abschließende Mosh-mit-Melodie-Fest Halo schlagen ordentlich ein. Dann gibt es erstmal zehn Minuten Pause. Puh.

Begegnung auf „Herren“

Natürlich sind die Interaktionen auf der nächsten, weil obligatorischen Zwischenstation des Abends, der Toilette nämlich, statistisch nicht aussagekräftig. Aber nicht wenige der Wasserabschlagenden lassen beim fröhlichen Plausch am Urinal durchklingen, dass sie sich vor allem auf den nächsten Teil freuen. Was lernen wir: Die Party passiert immer in der Küche, Konzertkonversation auf dem Pott. Vor allem: Die erste Platte wird immer noch geliebt, deswegen sind viel hier, wie die späteren Reaktionen auch zeigen werden.

 
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
 

Ein Beitrag geteilt von Machine Head (@machine_head) am

Auf der Bühne wird derweil ein neues Backdrop mit dem ikonischen Cover von Burn My Eyes gehisst. Schön auch: Heute Abend gibt es sogar seitliche Vorhänge mit Logo, was in der ansonsten nüchternen Halle gewissermaßen eine optische Machine-Head-Welt schafft. Nicht schlecht.

Zeitreise

Und dann geht’s los: Real Eyes, Realize, Real Lies ertönt als Intro vom Band, gleich darauf das mächtige Davidian, der größte Hit im Katalog unserer Helden. Die spielen die Scheibe also womöglich wirklich von vorne nach hinten! (Nicht wie Metallica, die die Reihenfolge des Black Albums 2012 einfach umgedreht hatten, damit die dicken Dinger wie Enter Sandman am Ende stehen). Natürlich knallt Davidian der Song wie nix Gutes, natürlich feiern die Headbanger.

[embed]https://www.facebook.com/MachineHead/photos/a.10150789077803823/10156932538883823/?type=3&theater[/embed]

Es folgen erwartungsgemäß Old, A Thousand Lies und None But My Own, allesamt endfett groovend und gerade vielleicht wegen ihrer relativen Einfachheit effektiver als manche neue Nummer. Flynn und MacEachern legen auch bei ihrer zweiten Schicht noch ordentlich Energie an Tag, Logan Mader und Chris Kontos ballern frisch und ohne Tadel. Eingerostet wirkt hier niemand. In diesem Teil des Sets darf dann auch der Pyrotechniker ran, unzählige Flammensäulen schießen in die Luft. Kennen wir alle, wirkt immer. 

Gute Laune, Doublebass

Vor The Rage To Overcome gibt Kontos ein kleines Drumsolo, dann kommen Death Church und A Nation On Fire, die allerdings weniger einschlagen. Nicht alle Songs können Hits sein. Dafür funktioniert die Hardcore-Breitseite von Blood For Blood bestens. Die Musiker sind bestens gelaunt, Kontos grinst viel, und Bodybuilder Mader wirft sein Shirt von sich. 

 
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
 

Ein Beitrag geteilt von Machine Head (@machine_head) am

Nach I’m Your God Now amüsieren sich der Drummer und der Frontmann ein bisschen: Kontos spielt das Intro zu Metallicas …And Justice For All, Flynn versucht mitzuspielen. Klappt so mittel, also ballert er das Riff zu Blackened raus, los geht der nächste Jam. Anschließend werden wir erinnert, dass Machine Head vor 25 Jahren zum ersten Mal nach Europa kamen als Vorgruppe der „mächtigen, mächtigen Slayer“. Also gibt’s jetzt noch ein bisschen South Of Heaven. Geht ja immer, alle freuen sich, schöne Sache.

Das Stinkegesicht

Ob wir noch einen Song wollen? Klar. Es fehlt ja noch einer: Block a.k.a. „Fuck it all“. Also ein letztes Mal volles Pfund voraus, mit allem was dazugehört: Dicke Dropped-Tuning-Riffs, quietschende Obertöne, Gebrüll und Groove. Und ob der funktioniert, sieht man bekanntermaßen immer dann am besten, wenn man dazu ein Gesicht machen muss, als würde es stinken. Und Stinkegesichter gibt’s es heute einige in Bochum. Machine Head stehen dann noch lange auf der Bühne, alle sechs, und verteilen Plektren und Drumsticks. Es fällt auf, dass vor allem Chris Kontos richtig viel Applaus erhält.

[embed]https://www.facebook.com/MachineHead/photos/a.10150789077803823/10156927171203823/?type=3&theater[/embed]

Mittlerweile ist es nach 23 Uhr, und wir sind alle müde. Bei aller Liebe, bei aller Kompetenz, bei allen tollen Songs: Drei Stunden von der gleichen Band ist eine Menge Holz, einen Spannungsbogen zu schaffen, keine leichte Aufgabe. Deshalb hatte der Abend durchaus seine Längen. Aber grundsätzlich muss man sagen:

Machine Head haben abgeliefert. Und wir dürfen gespannt sein, wie und mit welcher Mannschaft Robb Flynn weitermacht.

SETLIST:

Imperium Take My Scars Now We Die Beautiful Mourning Bulldozer Bite The Bullet Locust This Is The End I Am Hell (Sonata In C#) Aesthetics Of Hate Guitar Solo Vogg Darkness Within Catharsis From This Day Ten Ton Hammer Is There Anybody Out There? Halo Davidian Old A Thousand Lies None But My Own Drum Solo The Rage To Overcome Death Church A Nation On Fire Blood For Blood I’m Your God Now Jam Block