Lange Jahre war Marilyn Manson der musikalische Staatsfeind Nummer eins der Vereinigten Staaten. Heute taugt der selbsternannte God Of Fuck selbst in Amerika nicht mehr zum Sündenbock; in Sachen Cover-Versionen ist auf diesen bösen Buben namens Brian Warner aber immer noch Verlass. Eine Ausgrabung in den finsteren Katakomben des Industrial Rock.
von Björn Springorum
Niemand ist in den Neunzigern berüchtigter als er: Marilyn Manson ist Bürgerschreck und Vorbild in einem, ein Antiheld, der alles dafür tut, um diesen Status quo aufrecht zu erhalten. Er wird verantwortlich gemacht für das Massaker in Columbine, überzeugt später mit vernünftigen und cleveren Aussagen dazu. Provozieren gehört für ihn dennoch zum Broterwerb, bei den Shows wie in seinen Videos oder bei offiziellen, lange gefürchteten Presseterminen. Vor allem aber ist Marilyn Manson ein Künstler, der in den letzten drei Dekaden unzählige Karrierephasen durchlaufen hat. Vom wüsten, juvenilen, sengenden Industrial Rock der frühen Tage über morbiden Pomp und Theatralik hin zu einem reifen, düsteren, Rock-Sound. Einer Vorliebe ist sich Brian Warner dabei immer treu geblieben: Cover-Songs. Hier kommen zehn seiner besten, ungewöhnlichsten und seltensten – und damit meinen wir jetzt zur Abwechslung mal weder Personal Jesus noch Tainted Love.
Manson am Posen.Foto: Mick Hutson/Redferns/Getty Images
I Put A Spell On You
Fangen wir mit einer obskuren und weitgehend unbekannten Fremdinterpretation an. 1995 wird Smells Like Children veröffentlicht, eine wüste, von Trent Reznor (Nine Inch Nails) produzierte EP, die die Band im bodenlosen Drogentaumel porträtiert. Heute am ehesten bekannt für das Cover des Eurythmics-Dauerbrenners Sweet Dreams (Are Made Of This), ist es aber eigentlich I Put A Spell On You von Screamin‘ Jay Hawkins, das mit seiner fiebrigen, irrsinnigen, bedrohlichen Aura viel besser zum damaligen Gemütszustand der Band passt.
You‘re So Vain
Klar, schon der Titel des Carly-Simon-Klassikers passt perfekt zu einer an Eitelkeit durchaus nicht armen Figur wie Marilyn Manson. Hübsch selbstironisch also, dass er mit einem Cover dieser Nummer sein unterschätztes 2012-we Album Born Villain beschließt. An Gitarre und Schlagzeug: Ein ebenfalls nicht ganz uneitler Kerl namens Johnny Depp…
Golden Years
Mit Mechanical Animals ehrt Marilyn Manson 1998 das musikalische wie visuelle Schaffen seines großen Idols David Bowie. Das Album ist theatralischer, ausladender als zuletzt, öffnet Einflüssen aus Glam Rock und Electro Tür und Tor und feuert mit The Dope Show, Rock Is Dead, I Don't Like The Drugs (But The Drugs Like Me) und Coma White gleich vier Welterfolge in Singleform ab. Nicht auf dem Album, aber aus derselben Ära stammt mit Golden Years ein Bowie-Cover, das sein Schattendasein auf dem Soundtrack des Films Dead Man On Campus fristet. Dabei hätte die Interpretation dieser Station To Station-Nummer durchaus mehr Aufmerksamkeit verdient.
Highway To Hell
Eine kurze Umfrage im uDiscover-Team hat ergeben, dass Marilyn Manson mit seiner abgehackten, steril vor sich hin pumpenden Variante von Highway To Hell nicht für alle ins Schwarze trifft. Ist natürlich Geschmackssache, wie immer. Nicht abzustreiten ist indes der Druck, den der Refrain entfaltet. Und für eine Posse wie Detroit Rock City, auf deren Soundtrack die Nummer auftaucht, ist das dann doch irgendwie wieder ganz passend. Die Snare, die scheinen sich Metallica außerdem direkt für St. Anger ausgeborgt zu haben.
Down In The Park
Als 1994 das erste Manson-Album Portrait Of An American Family entfesselt wird, ist das ein bisschen wie ein Urknall. Wenn auch nicht vom Fleck weg kommerziell erfolgreich, verbreitet die Platte bei manchen ahnungsvoll-ehrfürchtiges Raunen, während sie bei anderen für Albträume oder ungute Fantasien sorgt. Die B-Seite der Single Lunchbox, laut Manson übrigens ein Song darüber, wie er sich früher mit seiner KISS-Lunchbox gegen Drangsalierer verteidigte, ist eine wenig bekannte Cover-Version von Down In The Park, im Original 1979 veröffentlicht von Gary Numans Band Tubeway Army. Sie ist nur eines von vielen Beispielen, bei denen das Manson-Cover besser ist als das Original.
Helter Skelter
Deutlich jüngeren Datums ist Helter Skelter in dieser rigorosen 2018-er Neubearbeitung von Marilyn Manson und seinem Kumpel Rob Zombie. Wunderbar schleppend, maliziös wummernd, mit jaulenden Gitarren, tonnenschweren Grooves und hörbar viel Bock bei den Herren Manson und Zombie: Die Beatles-Nummer ist wie gemacht für die beiden. Und nicht zuletzt war es eh längst überfällig, dass sich der God Of Fuck dieser Nummer annimmt: Bekanntlich inspirierte sie Charles Manson zu seiner Weltanschauung.
Suicide Is Painless
Jetzt wird‘s richtig seltsam: 2000 nimmt Marilyn Manson für den Soundtrack des Flops Blair Witch Project 2: Book of Shadows ein Cover von Suicide Is Painless auf. Bei dem Titel erst mal wenig überraschend, doch wenn man weiß, dass es eigentlich der Titelsong der TV-Serie M.A.S.H. ist, legt sich die eine oder andere Stirn schon in Falten: Wieso, zum Teufel, ist dem Antichristen der Rockmusik höchstselbst die Cover-Version eines TV-Themes so wichtig? Eines Songs, dessen Text binnen weniger Minuten von einem 14-jährigen Mike Altman geschrieben wurde?
Five To One
Erst voriges Jahr ließ Marilyn Manson eine ziemlich unheilvolle Version des Doors-Klassikers The End hören. Der Song wurde aus unerfindlichen Gründen mittlerweile wieder von allen Portalen genommen und ist längst zum gesuchten Sammlerstück geworden. Macht aber nix: Ist schließlich nicht das erste Mal gewesen, dass er The Doors gecovert hat: Auf der japanischen Single-Fassung des Holy Wood-Hits Fight Song befindet sich Five To One, ursprünglich von Waiting For The Sun.
Workin Class Hero
Selbe japanische Single, selbes Spiel: Auch Lennons Working Class Hero bekommt das Manson-Treatment und wird in seinen Händen zu einer schaurigen Gothic-Folk-Ballade mit rauer Stimme und bedrückender Stimmung.
God‘s Gonna Cut You Down
Er kann es immer noch: Marilyn Mansons aktuelleste Cover-Version ist zugleich eine seiner besten: Was bei ihm aus Johnny Cashs God‘s Gonna Cut You Down wird, ist eine düstere, schwelende Southern-Gothic-Nummer mit dem stoischen Marschrhythmus von Sargträgern. Es ist durchaus zu hoffen, dass Manson diesem Stil auch auf seinem in Bälde kommenden Album treu bleibt.