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Miley Cyrus zum 24. Geburtstag – “Pop’s Wildest Child” wird erwachsen

In den vergangenen Jahren konnte man Miley Cyrus beim Erwachsen werden zusehen. Als jemand, der nur ein paar Jahre älter ist als Cyrus, rief diese Phase 24h-livegebloggten Irrens und Wirrens einige Empathie hervor. Die Stationen der nun 24-Jährigen sahen grob so aus: Miley Cyrus ist Miley Stewart und wird zum Teenstar in der Disneyserie Hannah Montana (genau zehn Jahre ist das nun her). Miley Cyrus will nicht mehr Miley Stewart sein und bringt 2009 ein Album heraus namens The Time of Our Lives. Es wird in der Musikpresse weitläufig als Fortsetzung der Montana-Ära angesehen. 2012 beginnt so etwas wie die orale Phase der jungen Sängerin: Sie streckt fortan jeder Kamera ihre überaus große Zunge entgegen wie ein Leguan auf Fliegenfang.


 

Langsam fruchtet der anvisierte Imagewandel, den Cyrus in jedem Interview betont. Das Frühlingserwachen erlebt seinen vorläufigen Höhepunkt, als Cyrus ihren Hintern 2013 auf den MTV Video Music Awards an Robin Thickes (wer war das noch gleich?) Schritt reibt und das sogenannte Twerking repopularisiert. Die Presse und christliche Organisationen ereifern sich: Peinlich, schockierend, kulturelle Aneignung, ein Engel ist vom Himmel gefallen.



Es war unmöglich, sich beim Zuschauen dieses Spektakels nicht zu alt zu fühlen. Man wollte Cyrus sanft über den Kopf streicheln und sie früh ins Bett bringen. Und anderseits: Sie war mit ihren 20 Jahren quasi erwachsen. Ihre Patentante Dolly Parton, eine wichtige Person in Cyrus’ Leben, sagte damals: "...the girl can write. The girl can sing. The girl is smart. And she doesn't have to be so drastic. But I will respect her choices. I did it my way, so why can't she do it her way?”

Schaut euch hier ein Video von Miley Cyrus und Dolly Parton mit dem Song Jolene an:


In Post-Lady-Gaga-Zeiten ist es aber auch verdammt schwer geworden, mit freizügigen Kostümen, mit künstlichen Penissen und angeklebten Brüsten – ja selbst nackt – seine Adoleszenz zu zelebrieren, da hilft es auch nicht, dass der “Rolling Stone” Cyrus "Pop's Wildest Child” nannte. Und je krasser die Performances wurden, je freizügiger die Kostüme, je absichtsvoller sich Cyrus aus ihrer alten Haut schälte, desto weniger erwachsen wirkte sie. Tattoos, der öffentliche Konsum von Alkohol (*japs*), die Simulation ausgefeilter Sexpraktiken auf der Bühne, der (simulierte!) Kuss mit einer Tänzerin auf der Bühne, das Bekenntnis, Gras zu lieben…Drogen, eh. Sonst noch was?

Miley Cyrus’ Gebaren zeige lediglich, wie sie sich die Nase an den goldenen Gittern ihres Disney-Käfigs blutig laufe auf der Flucht vor ihrem früheren Ich, schrieb ein Popkritiker zuletzt einmal sehr treffend.

Es hilft wohl auch nur bedingt, dass dieses Mädchen aus den Südstaaten, mit starkem Nashville-Akzent, einem nasalen Twang in der Stimme und einem Gesicht, das man nur als niedlich bezeichnen kann (man schaue sich diese Stupsnase, diese Kulleraugen an!), mit 13 Jahren bereits 18 Millionen US-Dollar verdient hat (Zum Vergleich: Barack Obama verdient im Jahr rund eine halbe Million Dollar). Schwierig auch, wenn der Vater selbst gut mit der Vermarktung der Tochter verdient.


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Doch in den letzten zwei Jahren, hört man einiges, das auf festeren Boden unter Cyrus’ Füßen schließen lässt: Cyrus machte mit ihrer Happy Hippie Foundation auf das Schicksal von obdachlosen Jugendlichen insbesondere aus der LGBT-Community aufmerksam, deren Leben auf der Straße sich noch gefährlicher gestaltet als es sowieso schon wäre. Cyrus sammelte mit ihren Auftritten Geld für so unterschiedliche Belange wie den Kampf gegen AIDS, die Erdbebenopfer von Tahiti, sie unterstützt Amnesty International und setzt sich für den Tierschutz ein. PETA ernannte sie 2015 zum “sexiest vegetarian celebrity”. Das ist doch eine Auszeichnung, die man sich gerne ans Jacket heftet.

Cyrus’ freizügiges Bekenntnis, sie verstehe sich als pansexuell, also angezogen von allen Geschlechtern und ehm, Dingen – auch Objekten – trug dazu bei, dass zumindest für ein paar Wochen über Pansexualität gesprochen wurde. Ihr leidenschaftlicher Ritt auf einer Abrissbirne im Video zu Wrecking Ball bekommt da auch eine neue Bedeutung.


Schaut euch hier das Video zu Wrecking Ball an:


 

Was bleibt, wenn die Rolle des Agent Provocateur schon von anderen gespielt wird? Nun, vielleicht dies: Eine immer bessere Sängerin und Musikerin zu werden, musikalisch neue Wege zu gehen, sich ins Studio zurückzuziehen und neue Kollaborationen mit Künstlern einzugehen. Das ist wohl die nachhaltigste Art, sich als Künstlerin neu aufzustellen. Und Miley Cyrus kann singen, das beweist sie mit jeder Platte und jedem Live-Auftritt aufs Neue. Ihr letztes richtiges Album Bangerz ist ein wirklich gutes Popalbum, mit einigen interessanten Ausflügen ins Country- (4x4), Rap- (SMS) und Balladengewerbe (Adore you). Und auch als Schauspielerin macht Cyrus eine immer bessere Figur, zuletzt an der Seite von Woody Allen in seiner Amazon-Produktion Crisis In Six Scenes.


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In einem Interview sagte Cyrus mal, sie wolle ein Album machen, das Menschen noch viele Jahrzehnte später immer wieder hören wollten, wie etwa Michael Jackson Bad. "Ich versuche, einen neuen Standard in der Popmusik zu setzen”, sagte sie der britischen Zeitung The Sun. Das letzte Album und auch ihr Ausflug als Miley Cyrus & Her Dead Petz - ein Kollabo Projekt mit den Flaming Lips, dass außerhalb der großen Pop-Maschine statt fand - sind da schon große Schritte in die richtige Richtung. Außerdem: Mit 24 Jahren hat Miley Cyrus doch noch alles vor sich.