Als The Who im Oktober 1965 ihre erste Album-Single My Generation veröffentlichen, treffen sie damit einen Nerv: Wütend, roh und voller jugendlicher Energie schaffen die Briten den Soundtrack einer ganzen Ära – und stoßen ganz nebenbei das Tor zum Punkrock auf. Lest hier, was Queen Mum damit zu tun hat.
„People try to put us d-down!“ – Mit dieser gestotterten Textzeile treten The Who am 29. Oktober 1965 einen musikalischen Aufstand los, der noch 60 Jahre später nachhallt. Nicht nur, dass es im Text von My Generation offensichtlich um Rebellion und das Aufbegehren der Jugend in den Sechzigern geht. Nein, die Briten legen mit der Nummer auch wichtige Grundsteine für den Punkrock. Heute ist das Stück in allen namhaften Auflistungen der „größten Songs aller Zeiten“ zu finden und genießt Ehrenstatus in der Grammy Hall Of Fame – wegen seines historischen, künstlerischen und generell signifikanten gesellschaftlichen Werts. Doch wie lautet die Geschichte des berühmten Who-Hits? Nun ja, der Legende nach beginnt sie mit einem Auto, das ausgerechnet der Queen Mum im Weg stand. Pete Townshends Auto.
My Generation: Zwei Autos, ein Mega-Hit
Townshend fährt damals einen umgebauten Leichenwagen des US-Luxusherstellers Packard – exzentrisch, gewiss, aber mit ordentlich Stauraum, den ein Musiker gut gebrauchen kann. Weniger praktisch denkt Queen Mum. Sie wird zu jener Zeit täglich durch Belgravia chauffiert, jenem noblen Londoner Stadtteil südwestlich des Buckingham-Palastes, in dem auch Townshend wohnt. Sein rabenschwarzer Koloss steht folglich vor seiner Haustür – bis sich die Queen Mum so sehr am Anblick des Wagens stört, dass sie ihn kurzerhand abschleppen lässt. Ihre Begründung: Ihr verstorbener Ehemann sei in einem ähnlichen Auto zu Grabe getragen worden. „Auch wenn ich damals Gitarren zerschmettert habe, liebte ich Queen Mum“, erinnert sich Townshend später. „Das fucking änderte sich danach.“
My Generation im C-C-Circle Store:
Doch Townshends Leichenwagen ist nicht das einzige Auto, das zur Entstehung von My Generation beiträgt – denn der Gitarrist lebt damals keineswegs freiwillig im teuren Belgravia. Die Idee stammt von Manager Kit Lambert, der überzeugt ist, Townshends Freunde von der Kunstschule würden seiner Karriere eher schaden als nützen. Also verfrachtet er den jungen Musiker kurzerhand in das feine Viertel. „My Generation handelt davon, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden“, erklärt Townshend 1987 im Rolling Stone. Nach den ersten Erfolgen mit The Who habe er sich einen Lincoln Continental gegönnt und sei damit durch den Stadtteil gecruist – bis eine Frau ihn spöttisch gefragt habe, ob er mit Mamis Auto unterwegs sei. „Dieser und viele ähnliche Momente sorgten dafür, dass ich solche Leute einfach hasste.“
Der Beginn einer Jahrhundertkarriere
Seine Wut lässt Townshend in My Generation einfließen. „Schön, ihr Motherf*****“, denkt er. „Ich krieg euch. Ich werde größer und reicher als ihr alle und dann zieh ich in eure Nachbarschaft. Ich werde das Haus gleich neben euch kaufen.“ Ein trotziges Vorhaben, das er mit entschlossener Inbrunst in Musik verwandelt. „I'm just talkin' 'bout my g-g-generation“: Eine Textzeile wie ein Donnerschlag – legendär vorgetragen von Sänger Roger Daltrey, der das ikonische Stottern beisteuert … äh … -stottert. Warum, ist bis heute nicht ganz klar. John Lee Hookers Stuttering Blues könnte der Grund sein, aber auch (Schimpf-)Wortspielereien wie „Why don’t you all f-f-f … fade away!“. Fakt ist, dass Townshend mit dem Song gehörig an den Karren des Establishments pinkelt – nachdem das Establishment gewissermaßen ihm an den Karren gepinkelt hat.
60 Jahre später blickt Pete Townshend, Jahrgang 1945, auf eine beispiellose Karriere zurück. Der wohl berühmteste Wunsch aus My Generation hat sich nicht erfüllt: „I hope I die before I get old“. Stattdessen ist Townshend nun weiser, reflektierter. „Ich muss sehr aufpassen“, erklärt er, „dass ich nicht selbst zu einem der Menschen werde, die ich damals verachtet habe.“ My Generation bleibt für ihn eine Erinnerung an seine Jugend und daran, wo er herkommt. Am 1. Dezember 1965 knacken The Who mit dem Song erstmals die britischen Top 5, zwei Tage später gelingt das auch mit dem gleichnamigen Debütalbum. „Viele dachten, unsere Karriere sei bald vorbei“, erinnert sich Townshend. Doch My Generation war nur der Anfang – und die Queen Mum hat den Song bestimmt auch heimlich gehört.