Die Schweizer Sensation Nemo wurde durch den Sieg beim Eurovision Song Contest 2024 bekannt. Seitdem scheint Nemo immer wieder zu überraschen. Was kann man also vom Debütalbum erwarten?
Wenn wir ehrlich sind: ESC-Stars geraten oft nach ihrem Sieg in Vergessenheit. Ein catchy Song und eine unterhaltsame Performance sind oft nicht genug, um sich eine jahrelange Karriere zu sichern. Ein Beispiel, bei dem man sich jedoch ziemlich schnell sicher war, dass dies nicht der Fall sein würde, ist Nemo. Seit dem Gewinn für die Schweiz beim Eurovision Song Contest 2024 bleibt Nemo im Gespräch und begeistert immer wieder mit neuen musikalischen Highlights.
Nemo - jetzt auf Vinyl bei uns:
Eine Musikkarriere lange vorm ESC
Aber nur den Begriff „ESC-Star“ zu verwenden, würde das Ganze sehr reduzieren. Nemos musikalische Vergangenheit reicht wesentlich weiter zurück. In der Schweizer Stadt Biel aufgewachsen, entdeckte Nemo schon im Grundschulalter den Spaß am Musizieren und Theaterspielen. Mit 13 produzierte Nemo die ersten eigenen Beats und rappte auf Schweizerdeutsch darüber. Zwei Jahre später erschien schon die erste EP. Neben darauffolgenden EPs, Singles und Live-Auftritten wurde sich kurz an einer Kochlehre probiert, aber schnell wurde klar: Die Zukunft muss aus Musik bestehen. Also begann Nemo ein Musikstudium und lernte dort auch, für andere Künstler:innen zu komponieren.
Durch diese Tätigkeit zog Nemo an Orte wie Los Angeles und Berlin, wo Nemo nicht nur mittlerweile auf Englisch textete, sondern auch begann, sich selbst noch freier zu präsentieren. Die offen gelebte Queerness in Berlin begeisterte Nemo, denn Nemo ist nicht-binär und wollte dies nun noch mehr thematisieren. Zu dieser Freiheit von Geschlecht passt der genderneutrale Name Nemo – das ist tatsächlich sogar Nemos bürgerlicher Vorname. Auf Latein heißt nemo „niemand“. Der Schweizer Illustrieren erklärte Nemo:
„Meine Eltern dachten, wenn ich niemand bin, kann ich alles werden.“
Ein wilder Mix führt zum Durchbruch
Auch was das Genre angeht, kann Nemos Musik vieles sein. Während die Anfänge im Hip-Hop steckten, sind die ältesten Tracks auf Spotify (von 2020) eher grooviger Indie-Pop. Mit The Code tobte sich Nemo musikalisch komplett aus – und feierte seinen großen Durchbruch. Beim Eurovision Song Contest 2024 performte Nemo den Song und gewann den Wettbewerb. Dabei ist The Code nicht gerade einfach zu definieren: Ein Drum’n’Bass-Beat trifft auf Operngesang und einen Rap-Verse. Wer hätte gedacht, dass das beim ESC zündet?
Aber The Code ist schlicht ein perfekter ESC-Song: Er ist dramatisch, abwechslungsreich, glamourös, stolz und voller Energie. Dass Nemo bei diesem nicht gerade einfach zu singenden Song auch noch auf einer sich drehenden Scheibe herumturnte, beeindruckte zusätzlich. The Code setzte auch inhaltlich ein wichtiges Zeichen: Der Song handelt davon, die eigene nichtbinäre Identität zu entdecken und stolz darauf zu sein: „I went to Hell and back / To find myself on track / I broke the code“. Umso symbolischer ist es, dass Nemo damit die erste offen nicht-binäre Person wurde, die den ESC gewann.
Wie sieht das „Arthouse“ aus?
Wie eingangs erwähnt, ist so ein Gewinn beim Eurovision Song Contest kein Garant für anhaltenden Erfolg. Doch Nemo zeigt sich seitdem musikalisch vielfältig und gewinnt die Herzen vieler Hörer:innen. Nun darf man gespannt auf das Debütalbum des Stars warten: Arthouse wird es heißen und am 10. Oktober 2025 erscheinen. Der Titel gibt schon mal einen Ausblick darauf, dass die Kraft des künstlerischen Ausdrucks darin weiter erforscht wird.
Aber was kann man musikalisch von Arthouse erwarten? Die drei Singles, die seit The Code erschienen, sind alle recht unterschiedlich. Eurostar ist ein technoider Electro-Pop-Song, bei dem der Titel eine Referenz auf den Sieg des ESC zu sein scheint. Werden die Folgen dieses plötzlichen Ruhms also auf dem Album weiter behandelt?
Die darauffolgende Single Casanova ist wahrscheinlich Nemos größter Ohrwurm bisher. Das ausgelassene Synthpop-Instrumental und vor allem der Gesang im Refrain erinnern an Chappell Roan. Und auch thematisch gibt es Ähnlichkeiten zu Roan, denn Nemo behandelt queere Liebe: „Der Großteil meines Antriebs stammt von der Sehnsucht, verstanden zu werden und Konzepte wie Gender Identity, Diversität und Selbstakzeptanz vollkommen normal und natürlich werden zu lassen“, erklärt Nemo im Pressetext. „Als non-binäre Person, die sich die meiste Zeit des Lebens eher maskulin gezeigt hat, hatte ich oft das Gefühl, dass die Leute erwarten, dass ich bei romantischen Begegnungen die Führung übernehme – obwohl ich mich auf der anderen Seite dieser Dynamik tatsächlich viel wohler fühle.“
Verstanden zu werden ist auch das Thema der neusten Single, Unexplainable – allerdings aus einer hoffnungsloseren Perspektive. Im Kontrast zu den vorherigen Songs beginnt Unexplainable als ruhige Klavierballade und steigert sich zu einem emotionalen Ausbruch mit Operngesang. Ein dramatischer und schmerzhafter Song, der sich dadurch aber wieder perfekt dafür eignet, beim ESC performt zu werden. Denn da spielte Nemo den Song am vergangenen Wochenende – dieses Mal außer Konkurrenz, in der Pause vorm Ergebnis. Mit dieser Performance sendete der Star wieder das Signal: Von Nemo kann man alles erwarten.