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Foto: Koh Hasebe/Shinko Music/Getty Images

Zeitsprung: Am 11.1.1992 machen Nirvana bei “Saturday Night Live”, was sie wollen.

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 11.1.1992.
von Victoria Schaffrath und Christof Leim

Wie jeden Samstag flimmert auch am 11. Januar 1992 die Sketch-Institution Saturday Night Live über US-Bildschirme. Mit dabei: Die musikalischen Gäste Nirvana aus Seattle. Deren Mainstream-Debüt schubst den Grunge ins nationale Rampenlicht. Wie der Sender den Schaden in Grenzen hält und was hinter den Kameras passiert, steht im heutigen Zeitsprung.

Hört hier ins Album Nevermind rein, dass Nirvana an besagtem Abend vorstellten: 

Schon seit 1975 gehört der Samstagabend dem Studio 8H im New Yorker NBC-Gebäude. Die dort aufgezeichnete Sketch-Show Saturday Night Live lässt sich aus der Medienlandschaft der USA nicht wegdenken: Hier verdienen sich Comedy-Größen wie Bill Murray, Adam Sandler und John Belushi die Sporen; außerdem entstehen Konzepte zu Filmen wie Wayne’s World oder Blues Brothers. Ein prominenter, wöchentlich wechselnder Gast führt durch den Live-Abend, spielt Sketche mit dem Ensemble und stellt die geladenen Musikerinnen und Musiker vor. 

Feuerprobe des Grunge

An jenem 11. Januar 1992 kündigt Schauspieler Rob Morrow eine nicht ganz so bekannte Band aus Seattle an. Doch Nirvana steht der Sinn nicht gerade nach gediegener Abendunterhaltung: Die Musiker konnten zuletzt mit der durch das Label glattgebügelten Produktion ihres Albums Nevermind nicht viel anfangen. Daher setzen sie alles daran, die rohe und unangepasste Energie des Grunge zu transportieren, Fernsehen hin oder her.

Als ersten Song präsentiert das Trio Smells Like Teen Spirit. Das Tempo ziehen Cobain, Grohl und Novoselic dabei tüchtig an, von den weniger differenzierten Parts des Songs versteht man eigentlich nur etwas, wenn man das Stück schon kennt. Das tun zu diesem Zeitpunkt natürlich einige; Nevermind erkämpfte sich auf den Fersen von Michael Jacksons Dangerous immerhin schon Platz zwei der Charts. Vom kommerziellen Erfolg merkt man aber besonders Sänger Kurt Cobain nichts an. Die (angeblich mit Getränkepulver) pink gefärbten Haare hängen dem Frontmann ins Gesicht, nur scheinbar widerwillig hebt er den Kopf zum Mikrofon. Beim Singen hält er die Augen geschlossen. Mehr „Fuck You“-Attitüde als in Cobains Stimme geht nicht. Denkste, denn dann kommt der zweite Song. 

Ungewollte oder sorgfältige Inszenierung?

Für das gern mal als prüde verschriene amerikanische Publikum wählen die Jungs die sanfte Ballade Territorial Pissings. Halt, Moment, Ballade stimmt ja gar nicht. Was da aus den Boxen kommt, zerfetzt allen zuschauenden „Hillbillys“ vermutlich geradewegs Gehörgänge und Herzmuskel. Im Anschluss an die Nummer erfolgt die Nirvana-typische Zerstörung des Equipments. Die Produzenten von SNL scheinen aber nicht auf den Kopf gefallen: Der Band eilte ihr Ruf wohl voraus, sodass man vor der zweiten Nummer die Verstärker gegen günstigere Modelle austauscht. Ein Spektakel bleibt das trotzdem.

Zu allem aufrührerischen Überfluss besiegeln die drei Kumpels die Show mit leidenschaftlicher Knutscherei, natürlich um „die Rednecks und Homophoben zu ärgern“, wie die Band später verlauten lässt. Dass Nevermind in der Woche nach der Show den ersten Platz der Albumcharts kapert, versteht sich von selbst. Der Grunge befällt die Nation, Smells Like Teen Spirit schafft es wenig später bis Platz 6 bei den Singles. Dave Grohl kehrte übrigens häufig zurück ans Saturday-Night-Live-Set, mal mit Novoselic und Pat Smear als Support für Paul McCartney, als Aushilfe für Tom Petty, mal mit Projekten wie den Foo Fighters oder Them Crooked Vultures.

Nur für einen markiert der Abend wohl keinen Erfolg: Als Kurt Cobain nach der Show in sein Hotel zurückkehrt, meint er es mit den bewusstseinserweiternden Substanzen etwas zu gut und injiziert eine Überdosis Heroin. Seine Verlobte Courtney Love kann ihn gerade so wiederbeleben. Es wird nicht die letzte brenzlige Situation bleiben.