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No Doubts „No Doubt“ - Das unterschätzte Debüt

Manchmal ist es ja schon ganz interessant, wie und wo diese umschmetternden Pop-Karrieren ihre zarten und zerbrechlichen Anfänge nehmen. Dass die unbescholtene High-School Schülerin Gwen, die mit einem astreinen 90er Mauerblümchen-Haarschnitt in der Band ihres Bruders hin und wieder ein bisschen im Background singen durfte, wenige Jahre später mal als Powerhouse Frontfrau der Ska-Giganten No Doubt um die Welt segeln würde und regelmäßig den Staub von drei Grammys, dem American Music Award, dem Brit Award und noch einer ganzen Reihe anderer Pokale wedeln müsste, hätte sich die gute Frau damals wahrscheinlich selbst nicht abgekauft. Die Jungs von Interscope Records im Übrigen auch nicht. Aber dazu kommen wir gleich noch.


Höre die hier das No Doubt Album No Doubt an und lies weiter:


Zugegeben, der Erfolg stand auch nicht grade im Horoskop der jungen Band aus Orange County, ließ sich die gesamte USA (inklusive der Südkalifornischen Sunny-Surfer-Regionen) doch grade von einer genüsslich pessimistischen Grunge-Welle auf die dunkle Seite der Macht ziehen. Eine Zeit, in der sich Nirvana und die Smashing Pumpkins gegenseitig das Zepter über Headlines in den großen Musikmagazinen und prestige Chartplatzierungen zuwarfen. Auch wenn sich die Region südlich von Los Angeles noch als amtliche Brutstätte für Ska und Punk herausstellen sollte (Reel Big Fish, Sublime… you name it), wirkte man mit dem durchschnittlich eher in Dur gehaltenem Genre ein bisschen wie hingestellt und nicht abgeholt. Irgendwie jugendlich naiv, mutig und  gleichzeitig ganz schön fehl am Platz. Aber gut. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Das wusste man schon vor 25 Jahren. Damals, im wunderschönen Jahre 1992, hauten No Doubt ihr selbstbetiteltes Debüt auf den Markt.

Glaubt man heute, ein viertel Jahrhundert später, Biografien über No Doubt, dann muss die Reaktion auf dieses Debüt irgendwo zwischen Skepsis und dem Wunsch, lieber Surfen zu gehen, als in den nächsten Plattenladen zu stiefeln, gelegen haben.


No-Doubt---Pressefotos-2004


Oder in anderen Worten: Es war noch ein längerer Weg und einiges hin und her mit der Plattenfirma, bis No Doubt mit ihrem dritten Album Tragic Kingdom, der Platte, die sich ohne Zweifel (sorry, der musste sein) heute noch am häufigsten auf dem Plattenspieler dreht, endlich den wohlverdienten Durchbruch schafften. Aber wir kommen vom Thema ab - wir wollten ja noch ein bisschen über holprige Anfänge sprechen. Bevor sich jetzt der ein oder andere empört aufplustert, mit „holprig“ meine ich gar nicht das Songwriting. Das war nämlich schon eine runde Sache - und das ohne großes Produzenten Team.


No-Doubt


Holprig war da eher die Strategie der Plattenfirma. Nachdem Gwen und ihre Jungs bereits das Album fertig geschrieben und aufgenommen hatten, signierten sie bei Interscope den Deal für den ganz großen Durchbruch. Oder so ähnlich. Und da man ja ein tolles Label war, mussten die dazugehörigen Bands natürlich auch mit einer ebenso tollen Produktion ins Presswerk. Also, antreten zur Recording Session. Alles nochmal aufnehmen. Und trotz der Tatsache, dass die Herren aus Santa Monica einen ganzen Bündel Dollars in die Hände nahmen, um die Band auf Teufel komm raus wieder ins Studio zu schicken, an der tatsächlichen Produktion und anschließenden Promotion verlor man schließlich das Interesse. Frau Stefani hatte dazu später nur folgendes Kommentar übrig: „Und wir sind davon ausgegangen, in einem richtig guten Studio aufzunehmen. Aber rückblickend waren wir ziemlich naiv.“



Nun gut, regen wir uns nicht weiter über vergossene Milch auf. Bottom line, das Album war, um es höflich auszudrücken, kommerziell gesehen nicht grade ein Meteoriten-Einschlag. An Ohrwurm-Material mangelt es aber trotzdem nicht, Talent kommt ja schließlich vor der großen Bühne - und nicht umgekehrt. Bestes Beispiel ist wahrscheinlich Trapped In A Box, No Doubts aller, aller, aller erste Single-Auskopplung. Auch, wenn die gewisse Portion Schülerband-Ethos noch mitschwingt, der gewiefte Hörer kann hier schon genau die Band raushören, die uns noch mit Songs wie Just A Girl, Settle Down oder Sunday Morning über die nächsten Jahre begleiten würde. Ein Song, wie No Doubt selbst über sich sagen, der regelrecht stellvertretend für ihr Album-Debüt steht und gleichzeitig ein ideales Barometer für die Entwicklung der Band ist. Angefangen hatte alles mit einem Gedicht, das Gitarrist Tom Dumont noch für den Schulunterricht schrieb. Eric, Gwens großer Bruder und damaliger Bandleader, bastelte ein Arrangement um eben dieses Gedicht und schrieb mit allen Mitgliedern zusammen die Lyrics fertig. Der Song stieß bei den Radio Promotern - trotz Major-Label Release - zwar eher auf taube Ohren, das hielt die lustige Truppe aber nicht davon ab, in Eigenregie und klassisch hochauflösender VHS-Homerecording Ästhetik gleich noch das erste No Doubt Musikvideo hinterher zu schieben. Reinschauen unbedingt empfohlen, das ist ein wahres Erbstück der 90er.

Schaut euch hier das No Doubt Video zu Trapped In A Box an und lest weiter:


 

No Doubt (das Album) wirkt in den meisten Stories über unsere Ska-Punk-Pop-Helden von der Westküste eher als eine marginalisierte Nebenfigur á la „nach den ersten beiden gefloppten Platten kam der Durchbruch mit Tragic Kingdom, et cetera pp.“, ohne auf die Idee zu kommen, dass genau dort, mit kleinen Konzerten und nur dreißigtausend verkauften Exemplaren (klingt heute viel, reichte in den damaligen Goldenen Zeiten der Musiklabels aber lediglich zur Aufbesserung der Porto-Kasse) sich eines der größten Pop-Phänomene auf dem Weg zum Weltruhm aufmachte.


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