Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 15.10.1995.
von Victoria Schaffrath und Christof Leim
The Who, U2, die Red Hot Chili Peppers: Springfield hatte sie alle. Ein Besuch bei den Simpsons gilt in der gesamten Popkultur als Ritterschlag, und auch absolute Musiklegenden bilden da keine Ausnahme. Als man Mitte der Neunziger einen Beatle ankündigt, herrscht also allgemeine Freude – doch Sir Paul bringt ernste Absichten mit. Und er enthüllt ein „Geheimnis“ zu einem Beatles-Klassiker, das mit Linsensuppe zu tun hat…
Hört hier McCartneys Album Paul Is Live von 1993:
An Experimentierfreude mangelt es bei Paul McCartney bekanntlich selten. So widmet er sich in den Neunzigern unter anderem einem MTV Unplugged, dem Electronica-Projekt The Fireman und der Beatles Anthology, die ein großes Maß an Zeit und Energie verlangt. 1994 drückt er daher in punkto eigener Musik auf den Pausenknopf. Praktisch, denn die kreativen Köpfe hinter den Simpsons stehen bereits in den Startlöchern.
Die Beatles bei den Simpsons
Wenige Jahre zuvor durften diese nämlich George Harrison und Ringo Starr begrüßen. Fehlt also nur noch „Macca“ im Bunde, denn John Lennon erlebt die erste Folge der Comicserie schon nicht mehr. Praktisch, dass Serienproduzent David Mirkin gerade seine Ernährung überdenkt und McCartney damit ideologisch auf den Fersen ist.
Wie so mancher Beatles-Fan weiß, bekennt sich der Yesterday-Schöpfer seit Mitte der Siebziger dazu, kein Fleisch und keinen Fisch zu konsumieren. Der Sinneswandel passiert während des Essens: „Wir waren auf einer Farm, auf der wir Schafe und ihre Lämmer hielten. Und trotzdem lag da eine Lammkeule auf dem Teller. Da wurde uns der Zusammenhang klar, und wir entschieden uns, das nicht mehr zu tun.“ Mit diesem „wir“ meint Paul auch seine damalige Frau Linda, die mit Linda McCartney Foods seit April 1991 gar Fleischalternativen in die Supermarktregale bringt.
Paul McCartney: Vegetarier aus Überzeugung
Als ein Autor Mirkin also vorschlägt, mit Lisa Simpson eine der Protagonistinnen der Zeichentrickserie zur Vegetarierin zu machen, zögert dieser nicht lange, schweben ihm doch die idealen Gäste für die entsprechende Folge vor. Paul, selbst schon länger Fan der Sendung, stimmt zu – unter einer Bedingung: Lisa dürfe nach der Folge nicht wieder anfangen, Fleisch zu essen, sondern muss für den Rest der Laufzeit Vegetarierin bleiben. Da die Serie das Leben der amerikanischen Durchschnittsfamilie und damit auch den amerikanischen Fleischkonsum parodiert, fällt die Veränderung als eine der wenigen dauerhaften besonders auf. Die Verantwortlichen aber lassen sich darauf ein – und Paul und Linda bekommen gelbe Ebenbilder.
Ähnlich wie bei McCartneys beginnt die Folge mit Lämmern und Lammkeulen, die Lisas Entscheidung inspirieren, dem Fleisch zu entsagen. Bei einem Grillfest der Familie Simpson, während dem Lisas Bruder Bart und ihr Vater Homer sie kontinuierlich aufziehen, entführt das Mädchen mithilfe eines elektrischen Rasenmähers das Spanferkel. In der Schule erntet sie ebenfalls Häme. Nur der vegane Supermarktbesitzer Apu bringt ihr Verständnis entgegen, zeigt ihr Tofu-Würstchen und stellt sie schließlich den McCartneys vor.
Maybe I’m Amazed als Rezept für Linsensuppe
Im Gespräch mit der angehenden Tierschützerin verrät Sir Paul dann, dass man beim Rückwärts-Abspielen von Maybe I’m Amazed angeblich ein Rezept für eine „ziemlich coole Linsensuppe“ hören kann. Zu diesem Zwecke nimmt der ehemalige Beatle die Nummer sogar teilweise neu auf – und kann sich ein kurzes „Übrigens, ich lebe noch!“ als Reaktion auf die „Paul is dead“-Verschwörungstheorien nicht verkneifen.
Die Folge Lisa als Vegetarierin strahlt man in den USA am 15. Oktober 1995 erstmals aus und fährt mächtig Quote ein. Zwei Preise für umweltbewusstes Fernsehen gibt es obendrein, und McCartney erkundigt sich bis heute regelmäßig, ob denn Lisas Zukunft weiterhin fleischfrei sei; hier zeigt sich das Simpsons-Team ungewohnt artig. Nur als während der Folge das geklaute Spanferkel dank eines Missgeschicks über das Atomkraftwerk von Springfield fliegt, muss man eher an Pink Floyd als an die „Fab Four“ denken.
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