Featured Image
Foto: Universal Music

Review: Auf „For Cryin' Out Loud!“ huldigt Finneas dem klassischen Pop der Siebziger

Natürlich ist er vor allem als Bruder von Billie Eilish bekannt. For Cryin' Out Loud! ermöglicht Finneas jetzt aber ein Freischwimmen von Erwartungen im Schatten seiner Schwester: Sein zweiter Langspieler als Solist ist ein lebhafter Pop-Spaziergang, der sein Talent als Songwriter herausstellt.

Zehn Grammys und zwei Oscars mit 27

Es gehört schon ordentlich Mumm dazu, ein Album mit einer Piano-Ballade über eine hässliche Trennung zu eröffnen. Aber wenn sich Finneas in den letzten Jahren eins draufgeschafft hat, dann ist es Mumm. Mit gerade mal 27 Jahren Finneas Baird O’Connell zehn Grammys gewonnen, darunter Produzent des Jahres und gleich zweimal Album des Jahres. Er hat nicht einen Oscar, sondern zwei irgendwo als Türstopper in seinem Haus in Los Angeles stehen. Das meiste davon hat er natürlich für seine herausragende Arbeit an der Seite seiner Schwester Billie Eilish abgestaubt. Gemeinsam haben die beiden die Popgeschicke der vergangenen fünf Jahre geleitet – kein Ende in Sicht.

Werk der Freundschaft

Wann immer Finneas Zeit findet, produziert er seine eigene Musik. Ziemlich genau drei Jahre nach seinem Debüt Optimist erscheint mit For Cryin’ Out Loud! sein mutiger, eklektischer, ungewöhnlicher Nachfolger. Verschwunden ist der introspektive Songwriter-Stil des Erstlings; an seine Stelle treten groovender Bandsound, funkelnde Disco-Einflüsse, elegante Jazz-Spritzer und viel Gefühl.

Finneas im Circle Store:

Das hat Gründe: Während er in bester Bedroom-Manier überwiegend allein und abgekehrt von der Welt an Optimist arbeitete, schlägt er für den Nachfolger die komplett andere Richtung ein. „Bei diesem Album habe ich mir vorgenommen, sehr viel mit anderen zusammenzuarbeiten. Glücklicherweise sind die meisten meiner Freunde Produzenten“, so erzählte er vor einigen Monaten dem Rolling StoneFor Cryin’ Out Loud! ist also eine kollaborative Anstrengung, ein Werk der Freundschaft und des Austauschs.

Finneas schlägt das Songbook der Siebziger auf

Während er sich bei den meisten dieser Songs zwar weiterhin auf das Klavier als Melodieführer verlässt, sind da noch jede Menge Gitarren, Streicher und Blasinstrumente, die das Album voller, satter, runder machen. Das klingt mal nach dem guten alten Songbook der Siebziger, mal nach Ed Sheeran und mal nach Coldplay. Ja, wirklich. Die Stärke des Albums liegt in den subtilen Zwischentönen, in der beflügelnden Tatsache, dass man nicht immer laut sein muss, um sich Gehör zu verschaffen. Mehr als alles andere ist dieses Album deswegen entspannend, unaufgeregt. Wie sein Schöpfer, der mit unter 30 alles erreicht hat, was man erreichen kann.

Ein Song über Billie Eilish

Als stärkster Song des Albums mag das abschließende Lotus Eater gelten, ein perlender Popsong, der Fleetwood Mac heraufbeschwört und die perfekte Untermalung für einen Roadtrip durch Kalifornien ist. Das Schöne an For Cryin’ Out Loud! ist aber eben, dass es ein Album ist, mehr eine Reise als das bloße Aneinandertackern potentieller Singles. Deswegen gönnt sich Finneas auch den einen oder anderen sehr persönlichen Moment, wenn er in Family Feud etwa die Beziehung zu seiner Schwester thematisiert.

Billie Eilish taucht bis auf diese Erwähnung gar nicht auf – wie schon auf Optimist. Finneas tut gut daran, diese Arbeitsbereiche klar zu trennen, nutzt seine Schwester nicht als Verkaufsargument, verzichtet auf das obligatorische Duett mit ihr, um etwas mehr Starpower zu generieren. Braucht er gar nicht, will er gar nicht. Lieber nimmt er diese Lieder live mit engen Freunden in Los Angeles auf, ohne sich dem Diktat des Marktes zu unterwerfen. Das hat er sich durch seine herausragende Arbeit in den letzten Jahren verdient. Und das kommt jetzt auch seinen Hörer:innen zugute.

Weiter stöbern im Circle Mag: