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Review: Indie-Ikone Alex G kombiniert auf „Headlights“ Nostalgie, Transzendenz und Reife

Nach neun Alben, die etliche Bedroom-Musiker:innen mit einem rohen Sound und wilder Kreativität inspirierten, wagt Alex G den Sprung zum Major-Label. „Headlights“ klingt nach einem reifen Künstler, der sich auf seine Stärken besinnt.

Alex G: Ein einflussreicher Eigenbrötler

Das Internet hat in den 2010ern schon absurde Indie-Gestalten ans Tageslicht gebracht. Eine der markantesten: Alex G. Und das nicht, weil Alex Giannascoli solch eine schillernde Persönlichkeit ist – eher im Gegenteil. Über ihn selbst erfährt man gar nicht so viel. Er kommuniziert, was in ihm vorgeht, vor allem durch seine Musik. Die ist wiederum wirklich faszinierend.

Singer-Songwriter:innen, die introvertierten Indie-Folk oder Lo-Fi-Slacker-Rock im Schlafzimmer aufnehmen, gibt es zuhauf. Alex G fällt da oberflächlich irgendwie rein, aber überrascht immer wieder mit Elementen, die diesen Rahmen sprengen: Verzerrung, elektronische Manipulation, ungewohnte Sounds treffen auf den ruhigen Singer-Songwriter-Stil und formen damit eine gänzlich eigene Vision. Bekannt wurde Alex G mit selbst produzierten Releases auf Bandcamp, die in ihrer Simplizität einen genauen emotionalen Nerv trafen. Seitdem hat er mit immer experimentellerer, verspielter Produktion auf Alben wie House of Sugar seinen Sinn für Impressionismus und bunte Soundbilder bewiesen. Aufgrund dieser Mischung aus roher Emotion und sprudelnder Kreativität hat Alex G einen Underground-Kultstatus erlangt und selbst bei Musik von Frank Ocean oder Halsey mitgewirkt.

Eine Atmosphäre aus Vergangenheit und Zukunft

Und nun sind wir bei seinem zehnten Album Headlights angelangt, das einen großen Schritt für Alex G darstellt: das erste Album auf einem Major-Label, RCA Records und somit Sony. Will er nun also im Mainstream landen? So eine einflussreiche Lo-Fi-Ikone wie Alex G? Das kann man ihm hier nicht attestieren. Ja, Headlights klingt sauberer, nach einem höheren Budget und weniger Chaos. Wie bereits der Vorgänger God Save The Animals wurde das Album nicht in Eigenregie zuhause, sondern in mehreren Studios gemeinsam mit Produzent Jacob Portrait aufgenommen. Das hört man, aber Alex G kompromittiert seine künstlerische Vision nicht; sein Songwriting und Gespür für Stimmung sind immer noch so prägnant wie eh und je.

Eine Sache, die Alex G beispielsweise verdammt gut beherrscht, ist der Vibe „zwischen jugendlicher Naivität und existenzieller Tiefe“, wie es ein Pressetext perfekt beschreibt. Paradebeispiel: die Single Afterlife. Darin reflektiert Alex G Teenie-Erinnerungen, Veränderung und Neuanfänge; wahrscheinlich auch angetrieben durch die Tatsache, dass er nun Vater geworden ist und den Beginn eines neuen Lebens mit beobachtet – für seinen Sohn und sich selbst. „Son!“, ein einziges Wort, das er im Refrain voller Lebensfreude ausruft.

Auch Beam Me Up erzeugt einen solchen Kontrast aus Nostalgie und Transzendenz durch die Vermischung sehr unterschiedlicher Bilder: auf der einen Seite ein Fußballspiel, auf der anderen eine Reise ins Weltall. „Locker rooms and blushes“ versus „missions or abductions“. Das Schwelgen in Erinnerungen regt den Wunsch nach einer höheren Kraft, die sein Leben bestimmt.

Gezielt gesetzte Twists

Der Americana- und Slacker-Rock-Stil auf Headlights ist dabei größtenteils unaufgeregt und konzentrierter als gewohnt. Überraschendes gibt es trotzdem. Akkordeon, Panflöten und plötzliche und kurze Synth-Strahlen erinnern uns daran: Das ist immer noch Alex G, hier kann immer noch alles passieren. Louisiana und Bounce Boy bringen wieder verfremdeten, fast hyperpoppigen Gesang und schmetternde Drum-Machines ins Bild. Ein schnulzig, Sinatra-esque singender Alex G in Far and Wide oder ein klassischer Frauenchor in Is It Still You In There?, das sind neue Elemente, die absurd und bewusst ungewohnt klingen.

Aber im Rahmen der berührenden Simplizität vieler dieser Songs entfaltet das wieder ein spannendes Gesamtbild. Im einen Moment schätzt man die schonungslose Gegenüberstellung verschiedener klanglicher Welten, im anderen fühlt man sich einfach von Alex Gs warmen Balladen umarmt. Und diese vergleichsweise nicht so abenteuerlichen, aber schlicht schönen Songs überwiegen auf dem Album. Einfach mal nur gute Songs schreiben und sich hier und da ein bisschen austoben, das scheint die Mission von Headlights gewesen zu sein.

Simpler, persönlicher, weiser

Mittlerweile können wir in den Texten immer wieder kurz einen Blick auf die Person Alex Giannascoli erhaschen, ohne zu explizit und unsubtil zu erzählen: „Love ain't for the young anyhow / Something that you learn from falling down“, singt er im Opener June Guitar und man hört ihm die Weisheit quasi an.

Selbst seine Gedanken über den Sprung zum Major-Label kann man immer wieder in kurzen Zeilen erwähnt finden. „Yeah, my heart’s insane / Let thе money pave my way“, singt er ironisch im Titeltrack. Oder „Hopin’ I can make it to April / On whatever’s left of all this label cash“ in Real Thing, ein Song, der wie ein Hinterfragen der eigenen Authentizität im kommerzialisierten Musikbusiness wirkt. Aber da muss Alex G sich eigentlich keine Sorgen machen: Nichts hier klingt nach Kommerz und Alex G bleibt so wunderbar eigen wie zuvor – er ist höchstens etwas reifer geworden.

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