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Zeitsprung: Am 14.8.1975 kommt die „Rocky Horror Picture Show“ in die Kinos.

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 14.8.1975.

von Victoria Schaffrath und Christof Leim

Am 14. August 1975 kommt zunächst Großbritannien in den Genuss, im September folgen dann die Staaten: Als die Rocky Horror Picture Show in den Kinos startet, kann nur leider niemand so recht etwas mit dem bunten Grusel-Musical anfangen. Schauen wir uns im heutigen Time Warp – Pardon, Zeitsprung – an, was seitdem aus dem Streifen wurde.

Hört hier in den Soundtrack der Rocky Horror Picture Show rein:

„It’s astounding“, was da am 14. August 1975 über britische Leinwände flackert: Sex! Mutierte Muskelmänner! Tim Curry in Netzstrümpfen! Ein vermeintlich unschuldiges Paar stolpert in eine höchst unorthodoxe Veranstaltung, sieht sich separat von Dr. Frank N. Furter, einem „sweet transvestite from Transsexual, Transylvania“, verführt und in Marmorstatuen verwandelt. Man tanzt, man singt, man verspeist menschliche Überreste. Am Ende waren’s die Aliens. Man kann das nicht erklären; man muss das gesehen haben. Sex! Mutierte Muskelmänner! Tim Curry in Netzstrümpfen! Die Handlung stammt aus dem Londoner Quatsch-Musical Rocky Horror Show. Was als Selbstbeschäftigungsmaßnahme des arbeitslosen Schauspielers Richard O’Brien beginnt und stark vom Glam-Rock der frühen Siebziger beeinflusst wird, wandert über ein winziges Theater auf immer größere Bühnen und nistet sich schließlich für sagenhafte sechs Jahre in einem 500 Sitze starken Schauspielhaus in der englischen Metropole ein. Die Übertragung auf ein Bewegtbildformat liegt also nahe: Man kann einen Großteil der Theaterbelegschaft für das Filmprojekt gewinnen, darunter O’Brien selbst als Butler Riff Raff und Tim Curry als außerirdischen Doktor. Eigentlich will diese Rolle ja gern Mick Jagger übernehmen, aber gegen den charismatischen Curry kommt der Stones-Sänger mit seinen zweifelhaften Filmprojekten nun mal nicht an.
Das Musical gastiert mittlerweile auch in Amerika. Aus der dortigen Version klaubt man Meat Loaf in der Rolle des Eddie und holt außerdem eine noch unbekannte Susan Sarandon ins Boot. Die Maske übernimmt gar David Bowies persönlicher Make-up-Guru Pierre La Roche, sodass eigentlich alle Zeichen auf Erfolg stehen. Doch die Publikumsmassen bleiben aus. Aussagekräftig: Ein Poster für die Premiere im Londoner „Rialto Theatre“ am 14. August 1975 Kultfilm mit Publikumsbeteiligung Kurz nach Veröffentlichung droht dem Film die Versenkung, den breiten Geschmack trifft die fantastische Erzählung wohl doch nicht. So relegiert man den Streifen auf Mitternachtsvorstellungen, und des Nachts strömen scheinbar Figuren ins Kino, die sich mit der musikalischen „Freakshow“ identifizieren können. Vor allem im New Yorker Waverly Theater entwickelt Rocky ab 1976 Kultstatus und ein andauerndes Phänomen zeichnet sich ab: Die Anwesenden beginnen, mit dem Gezeigten zu interagieren – und Reis, Toast und Toilettenpapier an die Leinwand zu werfen und eigene Textfragmente zu ergänzen. Besonders an Halloween zählen diese Vorstellungen noch heute zum Pflichtprogramm.
Gerade solche Fans, die sich zur LGBTQIA-Gemeinschaft zählen, identifizieren sich mit den Motiven der sexuellen Befreiung und des ungehemmten Lebens, die der Film zelebriert. Trotz dieser treuen Anhängerschaft floppt 1981 aber auch das indirekte Sequel Shock Treatment, was neben Drehbuchschwächen vor allem an der Abwesenheit von Curry, Sarandon und weiteren Schlüsselfiguren liegen dürfte.
Mit dem Kultstatus des Musical-Films können heute nur wenige Werke konkurrieren. Klar, dass man den Stoff weiterverarbeiten muss: So bildet die Rocky Horror Picture Show wichtige Handlungsstränge im Film Vielleicht lieber morgen (The Perks Of Being A Wallflower, 2012) und der Musical-Serie Glee (2010), in der Meat Loaf sogar einen Gastauftritt abliefert. 2016 folgt dann eine aufwändige und modernisierte Version mit Tim Curry in der Rolle des Kriminologen.