Jamaika! Kein Musik-Fan kommt an dieser karibischen Insel vorbei, die weniger Einwohner hat als Berlin. Den Einfluss jamaikanischer Musiker und Produzenten hört man heute überall. Der Hip Hop verdankt den Sound-Systems und seinen Deejays viel, ebenso die elektronische Dancefloor-Musik, und kein Singer-Songwriter kann den Einfluss Bob Marleys ignorieren. Pünktlich zum Winter: die große Story des Sonnenschein-Sounds – von Ska über Reggae bis zum Dancehall.
Höre hier in frühe & wegweisende Reggae-Hymnen, während Du den Artikel liest:
Die Anfänge der jamaikanischen Popmusik liegen am Ende des 19. Jahrhunderts. Eine Welle jamaikanischer Gastarbeiter wirkte beim Bau des Panama-Kanals mit und geriet dort in einen musikalischen Schmelztiegel aus Tango, Calypso, Samba und der kubanischen Rumba, woraus sich ein eigener Stil namens Mento entwickelte. Seine Wurzeln sind die afrikanischen Nyabinghi-Trommelrhythmen, die mit der Sklaverei auf die Insel gelangten. Spürbar entwickelte sich der jamaikanische Sound dann nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, in den 1950ern, in den Armenvierteln von Kingston. Die ersten DJs waren Schnapsverkäufer. Sie spielten Musik vor ihren Läden, um Kunden anzulocken, packten bald darauf einen Stromgenerator, Plattenspieler und riesige Lautsprecher in ihre Lastwagen, fuhren auf irgendeinen günstig gelegenen Platz, und die Party konnte beginnen.
Der Sommer 1966 markiert das Ende von Ska auf Jamaika. Zeitzeugen behaupten, er wäre selbst für Jamaika unglaublich heiß gewesen, so dass keiner mehr die schnellen Tanzschritte des Ska ausführen konnte. Sein Nachfolger heißt Rocksteady. Vom Tempo langsamer als Ska, wird hier der Bass zum virtuosen Hauptinstrument der Musik, was sich später im Reggae fortsetzen wird.
Über jamaikanische Emigranten finden Ska und Rocksteady in England ein ganz eigenes Publikum: die Mods und die Skinheads. Den Namen bekommen letztere durch ihre auf 2-3 Millimeter rasierte Kopfbehaarung. Getragen werden karierte Button-Down-Hemden zu Hosenträgern, gerade geschnittene Jeans, oft hochgekrempelt, und die säurefesten Gesundheitsschuhe von Doc Martens. Der unbekümmerte jamaikanische Sound, insbesondere des Trojan-Labels, passt perfekt ins Weltbild der Skinheads, die weder etwas mit der psychedelischen Hippiebewegung anfangen konnten, noch mit der Studentenbewegung der späten 60er und erst Recht nichts mit dem Bubblegum-Pop jener Ära.
1969 kommt der kommerzielle Durchbruch mit Tony Tribes Version des Neil Diamond-Songs "Red Red Wine", gefolgt von Desmond Dekkers "The Israelites", der Platz 1 in England erobert und auch in Deutschland zum Sommerhit wird. Im Herbst des Jahres zieht Jimmy Cliff mit "Wonderful World, Beautiful People" nach. Neue Talente streben nach oben, darunter Dennis Brown und der Lovers-Rocker Gregory Isaacs, ebenso der Toaster (Sprechsänger) U-Roy und nicht zuletzt ein Trio namens The Wailers, aus dem später Bob Marley & The Wailers hervorgehen.
Parallel hierzu entsteht Ende der 1960er in Jamaika ein ganz eigenes Sub-Genre namens Dub, als ein Produzent beim Pressen eines Muster-Vinyls (genannt Dubplate) die Gesangsspur des Songs vergaß. Schnell entwickelt sich hieraus eine eigene Form. Schwere Bässe, Echos und Sound-Effekte werden zur Plattform für neue Versionen alter Songs. Produzenten wie King Tubby, Lee "Scratch" Perry oder Lloyd "Prince Jammy" James entwickeln den Dub immer weiter. Die heutige DJ-, Dance- und Remix-Kultur fußt auf diesem Genre!
The Harder They Come from Dustin Lynn on Vimeo.
Den Weg zum internationalen Durchbruch des Reggaes ebnet 1972 der Kinofilm "The Harder They Come": ein wütendes Gangster-Epos, eine raue Robin Hood-Saga, Jamaikas Antwort auf US-amerikanische Blaxpolitation-Filme wie "Shaft" oder "Superfly". Produzent des Films ist der Island-Labelchef Chris Blackwell. Eine essentielle Band auf dem Soundtrack sind die Maytals. Das ehemalige Ska-Trio liefert hier einen paradigmatischen jamaikanischen Song ab: "Pressure Drop", gecovert von The Clash und Robert Palmer. Die Hauptrolle in "The Harder They Come" spielt der Sänger Jimmy Cliff. Über den Film hinaus hat Blackwell die Vision, aus ihm einen sexy Rebellentypen für den Rockmarkt zu machen. Der Film wird zum popkulturellen Meilenstein, irgendwo zwischen "The Wild One" und "City Of God", doch Cliff nimmt den Hut. Blackwell findet den rebellischen Protagonisten seiner Träume, als kurz darauf Bob Marley in seinem Büro erscheint. Gemeinsam stellen sie die Weiche für den weltweiten Siegeszug des Roots-Reggaes.
Bob Marley Live
Im 21. Jahrhundert hat sich der Kreis zum Roots-Reggae mit verschiedenen großartigen Alben von zwei Söhnen Bob Marleys weiter geschlossen: Damian Marley mit "Welcome to Jamrock" (2005) und Stephen Marley, der 2012 einen Grammy für "Revelation Part 1: The Root of Life" gewann.
Jamaika, mitten in einem Ozean aus Musik, strahlt weiter in die Popwelt. Hier gibt es für jeden Musikfan zwischen Ska, Reggae, Punk, Jazz, R&B und Hip Hop viel zu entdecken!
Höre hier in frühe & wegweisende Reggae-Hymnen, während Du den Artikel liest:
Die Anfänge der jamaikanischen Popmusik liegen am Ende des 19. Jahrhunderts. Eine Welle jamaikanischer Gastarbeiter wirkte beim Bau des Panama-Kanals mit und geriet dort in einen musikalischen Schmelztiegel aus Tango, Calypso, Samba und der kubanischen Rumba, woraus sich ein eigener Stil namens Mento entwickelte. Seine Wurzeln sind die afrikanischen Nyabinghi-Trommelrhythmen, die mit der Sklaverei auf die Insel gelangten. Spürbar entwickelte sich der jamaikanische Sound dann nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, in den 1950ern, in den Armenvierteln von Kingston. Die ersten DJs waren Schnapsverkäufer. Sie spielten Musik vor ihren Läden, um Kunden anzulocken, packten bald darauf einen Stromgenerator, Plattenspieler und riesige Lautsprecher in ihre Lastwagen, fuhren auf irgendeinen günstig gelegenen Platz, und die Party konnte beginnen.