1985 scheppert es in der Bay Area: Possessed aus San Francisco entfesseln mit ihrem Debütalbum Seven Churches den Death Metal und setzen neue Rekorde in Sachen Geschwindigkeit, Brutalität und Teufelsanbetung. Doch genauso schnell wie die Geschichte der Kalifornier beginnt, endet sie auch wieder – vorerst.
Eine ganze Musikrichtung bis zum Startpunkt ihres Urknalls zurückverfolgen zu wollen, kann eigentlich nur scheitern. Doch wenn es um das Thema Death Metal geht, dürften Possessed aus der San Francisco Bay Area ziemlich weit vorne zu finden sein. Als die Kalifornier am 4. November 1985 ihr Debütalbum Seven Churches auf die Menschheit loslassen, klingen sie darauf aggressiver als Metallica, schneller als Slayer und stehen zudem zwei Jahre früher in den Startlöchern als ihre späteren Genre-Kollegen Death aus Florida. Auch bei der Namensgebung des Genres sind Possessed schneller. Zwar veröffentlichen Death bereits 1983 unter ihrer alten Bezeichnung Mantas ein Demotape mit dem Titel Death By Metal.
Doch in seinem Buch Choosing Death: The Improbable HistoryOf Death Metal & Grindcore nennt Autor Albert Mudrian Possessed-Sänger Jeff Becerra als Erfinder der Begrifflichkeit. Eine eindeutige Sache? So scheint es.
Seven Churches: Possessed beschwören den Teufel
Als ab 1983 das klassische Line-up von Possessed zusammenfindet, ist Becerra gerade einmal 15 Jahre alt. Die traurige Vorgeschichte um die Besetzungswechsel, nur ein Jahr nach Bandgründung: Becerras Vorgänger Barry Fisk nahm sich vor dem Haus seiner Freundin das Leben, indem er sich selbst erschoss. Bassist Jeff Andrews (ehem. Exodus) nahm der Vorfall so sehr mit, dass er aus der Band ausstieg. Doch trotzdem soll es für Possessed weitergehen. Becerras vorherige Band Blizzard ist gerade getrennte Wege gegangen, also steigt er als Nachfolgesänger ein. Etwa zur gleichen Zeit kommt Gitarrist Brian Montana an Bord, der später durch Larry LaLonde ersetzt wird. LaLonde dürfte vor allem Alternative-Fans ein Begriff sein, denn er spielt seit 1989 bei den musikalischen Verrenkungskünstlern Primus. Die beiden Gründungsmitglieder Mike Torrão (Gitarre) und Mike Sus (Schlagzeug) bleiben dabei – und die Weichen für das Debüt sind gestellt.
Mit ihrem ersten Album Seven Churches stellen Possessed zu Beginn der Achtziger alles auf den Kopf, was die Metal-Welt damals zu wissen glaubt. Schneller und brutaler als Thrash geht nicht? Pah. Hold my beer, Slayer. Das Thema Satanismus ist zu Ende erzählt? Quatsch. Venom, bitte einmal zur Seite treten. Jeff Becerra und seine Bandkollegen tauchen auf ihrem Debüt in die tiefsten Tiefen der Teufelsanbetung ein und stellen mit Songtiteln wie Pentagram, Burning In Hell und Satan’s Curse ohne Umschweife klar, welchem Rotgehörnten ihre religiöse Treue gilt. Auch das Cover mit seinen gleich zwei umgedrehten Kreuzen, dem in Flammen stehenden Bandnamen und einem rotem Teufelsschwanz ist nicht gerade subtil. Abgerundet wird das Ganze von rückwärts abgespielten Sprachaufnahmen, Riffs mit 180 km/h und Doublebass-Attacken, die jedes Maschinengewehr vor Neid erblassen lassen. Ein Meilenstein.
Kurz, aber heftig: 1987 lösen sich Possessed zum ersten Mal auf
Doch genauso schnell wie sich Possessed damals in die rabenschwarzen Herzen der Metalszene spielen, verglüht ihr Feuer auch wieder, zumindest vorläufig. An Halloween 1986 erscheint mit Beyond The Gates ihr zweites Album. Im Mai 1987 folgt die von Gitarrenvirtuose Joe Satriani produzierte EP The Eyes Of Horror. Von den teuflischen Anfängen der Gruppe ist darauf kaum noch etwas zu hören; statt finsterem Death Metal regiert nun konventioneller Thrash. Und kurz darauf ist Schluss: Die Kalifornier lösen sich auf, ihr Pulver scheint verschossen. 1990 finden sie noch einmal für drei Jahre zusammen; seit 2007 ist die Band wieder durchgängig aktiv, erneut mit Jeff Becerra am Mikro. Das dritte Album Revelations Of Oblivion kommt 2019, also mehr als 30 Jahre nach dem Debüt. Doch das ist wieder einmal eine andere Geschichte – genau wie das für 2026 geplante vierte Album Throne Of Sorrow.