Wir haben uns bereits mit Glam Rock, Soul, Blues und Jazz beschäftigt. Heute möchten wir uns einem Genre widmen, das aus politischer Perspektive durchaus Diskussionsstoff liefert, musikalisch aber über jeden Zweifel erhaben ist. Let’s go down south.
von Timon Menge
Hier könnt ihr euch einige unserer Southern-Rock-Empfehlungen anhören:
Staubige Highways, literweise „Moonshine“ und frisch gefettete Stiefel: Den Begriff „Südstaatenromantik“ gibt es nicht von ungefähr, auch wenn er je nach Situation anders ausgelegt wird. Mit Vom Winde verweht wollen wir uns an dieser Stelle aber nicht beschäftigen, mit „God & Guns“ auch nicht. Werfen wir stattdessen einen Blick auf die Rockmusik des US-amerikanischen Südens.
The Allman Brothers Band
Mit ihrer gekonnten Verknüpfung von Rock ’n’ Roll, Blues, Country und Jazz-Einflüssen sowie ihrer doppelten Leadgitarren-Spitze aus Duane Allman und Dickey Betts zählt die Allman Brothers Band aus Jacksonville, Florida zu den ersten Vertretern des Southern Rock. Mit der Begrifflichkeit kann die Gruppe allerdings nichts anfangen: „Das schränkt uns ein“, gibt etwa Betts in einem Interview zu Protokoll. „Ich fände es besser, wenn man uns als progressive Rockband aus dem Süden wahrnehmen würde.“ Auch Gründungsmitglied Gregg Allman hat seine Schwierigkeiten mit der Bezeichnung: „Das ist als würde man ‘Rock Rock’ sagen.“ Der spätere Gitarrist Warren Haynes sieht vor allem ein politisches Problem: „Viele Leute assozieren Southern Rock mit Rednecks und Konföderiertenflaggen und einer rückwärtsgewandten Mentalität. Das ist nicht das, wofür unsere Band steht.“ Heute kennt man Haynes vor allem für seine Band Gov’t Mule, ebenfalls eine dicke Empfehlung.
Anspieltipps: Ramblin’ Man, Midnight Rider, Jessica, Whipping Post, Soulshine
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Lynyrd Skynyrd
Kein Sommer ohne Sweet Home Alabama, kein Motorrad-Trip ohne Free Bird: Lynyrd Skynyrd, ebenfalls aus Jacksonville, Florida, sind DAS Aushängeschild des Southern Rock. Schon für ihr Debüt kassiert die Gruppe zweifaches Platin, mit ihrem zweiten Album Second Helping gelingt das gleiche. 1977 steht die Band vor ihrem großen Durchbruch, erleidet am 20. Oktober aber einen tragischen Rückschlag: Bei einem Flugzeugabsturz kommen Sänger Ronnie Van Zant und Gitarrist Steve Gaines ums Leben. „Ronnie hat mir versichert, dass er keine 30 Jahre alt werden wird“, erinnert sich Schlagzeuger Artimus Pyle. „Und dass er in seinen Stiefeln aus dem Leben scheiden würde, also ‘on the road’. Der Mann kannte sein Schicksal.“ Lynyrd Skynyrd werden nachher nie wieder die gleichen sein, stehen aber auch heute noch auf der Bühne. Am Mikro: Ronnies jüngerer Bruder Johnny Van Zant.
Anspieltipps: Sweet Home Alabama, Free Bird, Simple Man, Gimme Three Steps, Tuesday’s Gone
Molly Hatchet
Molly Hatchet stammen ebenfalls aus dem schönen Jacksonville in Florida. Ihren Namen entleihen die Südstaatenrocker einer Prostituierten, die ihre Freier verstümmelte und enthauptete. Im Gegensatz zu vielen ihrer Kolleg*innen halten sich die Country-Einflüsse bei Molly Hatchet in Grenzen; stattdessen gibt es die volle Packung Hard Rock. Für ihre ersten drei Alben Molly Hatchet (1978), Flirtin’ With Disaster (1979) und Beatin’ The Odds (1980) kassiert die Truppe jeweils mindestens einfaches Platin, anschließend verlässt Sänger und Mundharmonikaspieler Danny Joe Brown die Band für wenige Jahre. Auf der Bühne stehen Molly Hatchet heute noch, inzwischen allerdings ohne Gründungsmitglied.
Anspieltipps: Flirtin’ With Disaster, Dreams I’ll Never See, Whiskey Man, Gator Country, Fall Of The Peacemakers
The Marshall Tucker Band
Für die vierte Band verlassen wir Florida und springen nach South Carolina. Dort legt 1972 die Marshall Tucker Band los und vermischt Rock, Country, Blues und Jazz zu ihrem ganz eigenen Stil. Spätestens seit dem Soundtrack zum Film Blow (2001) kennt wirklich jeder den Song Can’t You See, doch auch das restliche Schaffen der Band geht in den Staaten kräftig über die Ladentheken. Von den Gründungsmitgliedern ist nur noch Frontmann Doug Gray an Bord. Einen Marshall Tucker gab es in der Gruppe übrigens nie. Auf den Namen kommen die Musiker, als sie eines abends in einem Lagerhaus sitzen, das sie als Proberaum angemietet haben. Auf dem Schlüssel entdecken sie eine Gravur: Marshall Tucker. Dass es sich dabei um eine echte Person handelt, weiß die Band nicht, als sie sich den Namen zu Eigen macht. Tatsächlich ist Marshall Tucker ein blinder Klavierstimmer, der den Raum vorher angemietet hatte.
Anspieltipps: Can’t You See, Fire On The Mountain, Heard It In A Love Song, Take The Highway, This Ol’ Cowboy
The Outlaws
Zurück nach Florida: The Outlaws stammen aus Tampa und stehen (mit Unterbrechungen) seit 1967 auf den Bühnenbrettern der Staaten. Eine typische Southern-Rock-Truppe sind die Herren nicht. So spielt die Gruppe zwar ebenfalls mit einer doppelten Leadgitarre, singt allerdings auch mehrstimmig. Damit lassen die Outlaws ihren Country-Einfluss deutlich stärker raushängen als viele ihrer Kolleg*innen. Ihrer Karriere schadet das nicht: Von 1975 bis 1982 landet die Band mit jedem ihrer Alben in den US-Top-100. Großen Einfluss auf den Stil nimmt vor allem Frontmann und Gitarrist Hughie Thomasson, den man wegen seines schnellen Spiels auch „The Flame“ nennt.
Anspieltipps: Green Grass & High Tides, There Goes Another Love Song, Hurry Sundown, Song In The Breeze, Rattlesnake Road
The Charlie Daniels Band
Charles Edward Daniels aus North Carolina zählt zu den ganz alten Hasen des Southern-Rock-Geschäfts. 1936 geboren, prägt er das Genre maßgeblich und beschließt direkt nach seinem High-School-Abschluss, dass er professioneller Musiker werden möchte. Er geht auf Tour, später arbeitet er in Nashville hinter den Kulissen. So gehört er zum Beispiel zu den Komponisten des Elvis-Songs It Hurts Me, betätigt sich mehrfach als Bassist für Bob Dylan sowie für die Marshall Tucker Band (s.o.). Mit The Devil Went Down To Georgia landet er 1979 selbst einen unsterblichen Hit. Heute ist Daniels 83 Jahre alt.
Anspieltipps: The Devil Went Down To Georgia, Long Haired Country Boy, (What This World Needs Is) A Few More Rednecks, The South’s Gonna Do It Again, Drinkin’ My Baby Goodbye
Black Oak Arkansas
In diesem Fall verrät schon der Bandname die Herkunft. Bereits 1963 legen Black Oak Arkansas los, damals noch als The Knowbody Else. Die Umbenennung folgt 1970, fortan feiert die Gruppe ihre größten Erfolge. Ab Mitte des Jahrzehnts geht es bergab. Um ihre Südstaaten-Herkunft zu verschleiern, entfernen die Musiker den Zusatz „Arkansas“ und spielen ein paar Jahre als Black Oak. Große Erfolge bleiben dennoch aus. Von der alten Garde sind heute nur noch Gitarrist und Keyboarder Rickie Lee Reynolds sowie Sänger und Gitarrist Jim „Dandy“ Mangrum dabei. Letzterer soll erheblichen Einfluss auf die Bühnenpräsenz von Van-Halen-Frontmann David Lee Roth genommen haben.
Anspieltipps: Jim Dandy, Hot And Nasty, Le Grange, Lord Have Mercy On My Soul, When Electricity Came To Arkansas
Blackfoot
Spätestens jetzt wird klar, was für ein Southern-Rock-Nest Jacksonville gewesen sein muss, denn auch Blackfoot kommen aus der Metropole in Florida. Ihren Namen wählen die Musiker, weil die meisten von ihnen von amerikanischen Ureinwohner*innen abstammen. Ihren größten Erfolg landet die Gruppe mit ihrem dritten Album Strikes (1979), das auch gleich zwei der größten Hits von Blackfoot enthält: Train, Train und Highway Song. Ersterer wird von Hochkarätern wie Warrant und Dolly Parton gecovert; Parton erhält für das dazugehörige Album The Grass Is Blue sogar den Grammy für das beste Bluegrass-Album. Von 1997 bis 2004 haben Blackfoot eine lange Pause eingelegt, doch es gibt die Gruppe auch heute noch.
Anspieltipps: Train, Train, Highway Song, Left Turn On A Red Light, Rattlesnake Rock ’n’ Roller, Wishing Well
Blackberry Smoke
Blackberry Smoke aus Atlanta, Georgia haben sich mit ihrem Durchbruch eine ganze Menge Zeit gelassen. 2000 gegründet, gelingt der Band erst ab 2010 Stück für Stück der Sprung an die Spitze der modernen Southern-Rock-Welt. Den Ausschlag gibt die Platte The Whippoorwill (2012), später gelingen mit Holding All The Roses (2015), Like An Arrow (2016) und Find A Light (2018) weitere Erfolge. Zu Beginn hatte die Gruppe um Frontmann Charlie Starr noch das Problem, dass sie zu hart für das Country-Radio und zu weich für das Rock-Radio war. Heute treffen Blackberry Smoke mit genau dieser Mischung einen Nerv.
Anspieltipps: One Horse Town, Waiting For The Thunder, Good One Comin’ Down, Pretty Little Lie, Ain’t Much Left Of Me
The Cadillac Three
The Cadillac Three aus Nashville, Tennessee gehören zu den frischesten Vertreter*innen des Southern Rock. Seit 2011 erreichen sie mit ihren bodenständigen Mischung aus Country, hartem Rock und Südstaaten-Sounds eine immer breiter werdende Fangemeinschaft. Kitsch? Klar. Gehört aber dazu. In seinem früheren Leben hat Frontmann Jaren Johnston bereits Songs für Country-Berühmtheiten wie Keith Urban, Tim McGraw und Jake Owen komponiert. TC3, wie die Band sich selbst nennt, kommen nun mit klangvollen Titeln wie Crackin’ Cold Ones With The Boys um die Ecke. Lässiger geht’s kaum. In diesem Sinne: Cheers!
Anspieltipps: White Lightning, The South, Crackin’ Cold Ones With The Boys, Take Me To The Bottom, Hard Out Here For A Country Boy