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Foto: Cal McIntyre

The Last Dinner Party: Eine neue Indie-Girlband erobert die Welt

Sie tragen die Jenseitigkeit von Kate Bush ebenso in sich wie die Harmonien von ABBA, den Bombast von Queen und die Melancholie von Florence + The Machine: The Last Dinner Party erobern derzeit die Indie-Welt. Aber wer steckt da eigentlich dahinter?

von Björn Springorum

In schöner Regelmäßigkeit gibt es Indie-Bands, auf die sich glücklicherweise alle einigen können – Fans, Presse, Menschen aus dem Musikbusiness. Letztes Jahr war das ja ein bisschen so bei der Indie-Supergroup boygenius, 2024 sind es ohne jeden Zweifel The Last Dinner Party. Willkommener Nebeneffekt: Beide Bands sind nur mit Frauen besetzt, ein ebenso signalträchtiges wie überfälliges Gegengewicht zum Indie Boys Club, der immer noch trotzig die meisten Headline-Slots bei Festivals blockiert.

Barock-Pop voller Drama, Pomp und Lust

Kurz gefasst klingt die Geschichte von The Last Dinner Party so: Gegründet von drei Kommilitoninnen in London, ist man alsbald zu fünft, spielt 2021 seinen ersten Gig überhaupt, eröffnet schon 2022 für die Rolling Stones im Hyde Park und landet 2024 mit dem Debüt Prelude To Ecstasy auf Rang eins der britischen Charts. Steile Karriere, keine Frage. Aber die kommt eben nicht von ungefähr.

Um The Last Dinner Party zu verstehen, muss man verstehen, wo Abigail Morris, Lizzie Mayland, Emily Roberts, Georgia Davies und Aurora Nishevci herkommen und wo sie hinwollen. Sie alle sind glühende Verehrerinnen von David Bowie, sind musikalisch beeinflusst von alten Größen wie Queen, ABBA, Roxy Music, von theatralen, barocken Werken, auch von der geisterhaften Jenseitigkeit einer Kate Bush. Daraus machen sie aber eben kein Retro-Revival. Keinen Pop. Sondern barocken Indie Rock voller Drama, Pomp, Lust, Abgründen und mit den spannendsten Texten des Indie-Jahres.


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Zwischen grotesk und schön

„Wir bewegen uns gerne zwischen dem Grotesken und dem Schönen“, so erklärte Bassistin Georgia Davies mal gegenüber dem Rolling Stone, nachdem ihre Band eine dieser geheimen und schon jetzt legendären Shows in kleinen Clubs in ganz Europa gespielt hatten, wo die Szenerie eher an Folk-Horror und ein okkultes Ritual erinnert hatte. Das Publikum macht da mit, verkleidet sich aufwändig und abgefahren. „Wir wollen eine Gemeinschaft schaffen, in der Extravaganz erwartet wird“, so Davies.

Klingt tatsächlich so extravagant wie ihre Musik. Die entsteht gemeinsam. The Last Dinner Party sind ein Kollektiv, sind enge Freundinnen, die sich nicht von Jungs reinreden lassen wollen. Und das auch gar nicht nötig haben. „Es hilft, dass wir schon vorher befreundet waren, denn wir lassen uns nicht einschüchtern. Sei es, dass wir eine eigene Meinung haben oder eine Idee, wie wir einen Song verändern können“, nickt die Bassistin. Das hier sind keine jungen Sägerinnen, die um jeden Preis berühmt werden wollen. Sondern Künstlerinnen mit einer kompromisslosen und einzigartigen Vision, die genau wissen, was sie tun. Also lassen sie ihr Debüt auch mit dem Titeltrack Prelude To Ecstasy beginnen – einem klassischen Werk, das auch aus einem Broadway-Stück stammen könnte.

Jungs müssen (fast alle) draußen bleiben

Zugang zu ihrem Girls Club haben dann auch nur wenige Jungs. Rhys Downing ist einer von ihnen, ein walisischer Produzent. Vor allem aber ist es ihr Producer James Ford, der auch mit Florence + The Machine oder den Arctic Monkeys gearbeitet hat. Er inszeniert The Last Dinner Party als opulente, schillernde, barocke Revue, die die Musikszene dieser Tage vollkommen zurecht aufmischt, aufrüttelt, aufweckt. „Ich glaube, ich kann für uns alle sprechen, wenn ich sage, dass er die beste Person ist, mit der wir je musikalisch zusammengearbeitet haben“, sagt Sängerin Abigail Morris über die Zusammenarbeit mit Ford.

Das alles sind gute Grundvoraussetzungen. Aber noch nicht kein Freibrief für eine Eins in Großbritannien oder einen Brit Award als Rising Star. Dafür sorgen die fantastischen, flamboyanten, extravaganten Songs. Burn Alive, Nothing Matters oder Sinner laufen seit Monaten in Dauerschleife und brillieren mit Harmonien, Hooks und herrlich scharfzüngigen Texten über das marode Patriarchat, Freundschaft, gebrochene Herzen. Doch wo Erfolg, da auch Neider. Insbesondere bei Girl-Bands wie The Last Dinner Party. Rasch kursierten Verleumdungen, die Band sei nur ein Produkt, ein Casting-Unterfangen, um schnelle Kohle zu machen. „Das ist einfach nur Blödsinn!“, stellte Georgia Davies mal klar. „Wir haben die Musik zusammen geschrieben, die Vision entwickelt. Wir haben nichts zu verbergen. Die Leute können ihre kleinen Twitter-Gedankenspiele machen, aber sie sind einfach nicht wahr.“

Live in Deutschland

War aber leider unvermeidlich, dass das passiert. Hat The Last Dinner Party aber nur stärker gemacht. Jetzt blicken sie in eine Zukunft aus Ballkleidern und gotischem Flair, aus großen Konzerten und jeder Menge in Erfüllung gehender Träume. Glastonbury konnten sie 2023 schon abhaken. Jetzt kommt der Rest der Welt: Nach Mexiko und Nordamerika geht es zunächst, danach gibt es Stopps in Deutschland beim Festivaldoppel Hurricane und Southside. Die UK-Tour im Herbst ist längst ausverkauft. Und mit was? Mit Recht.

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