Disclaimer: Der vorliegende Artikel wurde aus dem Englischen übersetzt. Die Wörter ‚race‘ & ‚black‘ wurden hier als ‚Rasse‘ bzw. ‚schwarz‘ übersetzt. Diese Übersetzung birgt Tücken: Im englischen Sprachgebrauch, sind ‚race‘ & ‚black‘ als politische Kategorien etabliert, während es im Deutschen keine einwandfreie Entsprechung dafür gibt. Wir möchten hier aber zumindest für den „richtigen“ Sprachgebrauch sensibilisieren – die Begriffe sollen niemanden aufgrund ihrer Hautfarbe oder ethnischen Zugehörigkeit diskriminieren. Viel Spaß beim Lesen des Artikels!
Curtis Mayfield gab sich nie damit zufrieden, einfach nur ein Sänger zu sein. Für ihn bot das Unterhaltungsgeschäft die Gelegenheit, durch Soul Music viel größere und wichtigere Dinge auszudrücken und auf die Probleme der Welt aufmerksam zu machen – insbesondere die der afro-amerikanischen Community.
Seit den 1970ern sind zwar 40 Jahre vergangen, aber viele der Probleme sind die gleichen geblieben. Zum Glück gibt es immer noch Künstler, die den Mund aufmachen und Kendrick Lamar ist dabei, sich als ein Curtis Mayfield seiner Generation zu etablieren. Hip-Hop ist der legitime Nachfolger von Soul Music und Kendrick Lamars politisch aufgeladene Songs beschäftigen sich mit den aktuellen Problemen und Nöten von Amerikas schwarzer Community.
Mayfield war einer der ersten Performer, der in seiner Musik die Nöte dieser Minderheit und das Thema Black Pride ansprach. Seine Songs wurden zu Hymnen der Bürgerrechtsbewegung. Und genauso geht es Lamar, der sich im Zentrum der Black Lives Matter-Bewegung wiederfand und dessen Songs in leicht abgewandelter Form bei Protestmärschen gesungen und dessen Botschaft in amerikanischen Schulen unterrichtet werden. Aber obwohl beide Künstler das Problem der Rassendiskriminierung direkt ansprechen, glauben sie doch an einen Weg der Hoffnung. Es gibt einige eindrucksvolle Parallelen in den Texten der beiden Männer. Neben Curtis Mayfields Move On Up, mit seinem innigen Wunsch nach einem Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den Ethnien und seiner idealistischen Antwort auf den um sich greifenden Rassismus, kann man direkt Kendrick Lamars Alright lesen, welches zu einer positiven Verbrüderung und Einigkeit unter den Schwarzen ermutigt. Dieser Song wird oft bei Demonstrationen speziell gegen Polizeibrutalität gesungen.
Hört euch hier den Curtis Mayfiled Song Move On Up an:
Hört euch hier zum Vergleich den Kendrick Lamar Song Alright an:
Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass Beide nicht nur in ihren politischen Statements, sondern auch auf künstlerischer Ebene von Anfang an sehr selbstbestimmt waren und so ständig die Grenzen ihrer jeweiligen Genres erweiterten. Als Mitglied der Gruppe The Impressions sprengte Mayfield zum ersten Mal seine Ketten als Soulsänger, indem er begann, seine eigenen Texte zu schreiben. Zu der Zeit war das für junge, schwarze Künstler absolut unüblich. Während seiner Zeit als Produzent bei OKeh Records kombinierte er Einflüsse von der Gospelmusik, die ihn in seiner frühen Jugend begleitet hatte, mit lateinamerikanischen Rhythmen und kraftvollen Bläsern und war so maßgeblich an der Entwicklung des Chicago Soul Sounds beteiligt. Mit seinen späteren Meisterwerken als Solokünstler kam sogar noch eine Portion Psychedelic Rock und Funk dazu. Mayfield war außerdem ein innovativer Texter und beschäftigte sich auf seinem Debütalbum Curtis (1970) mit Themen wie Rassenstolz und Bürgerverantwortung und blieb auch auf dem Nachfolger Roots (1971) dabei.
Im Vergleich steht Kendrick Lamar noch am Anfang seiner Karriere, aber auch er ist nicht gerade mit angezogener Handbremse unterwegs. Seine ersten beiden Alben, Section.80 von 2011 und das 2012 erschienene Good Kid, MAAD City, bieten einen enorm vielseitigen und leidenschaftlichen Hip-Hop und Trap Sound. Auf dem nächsten Album To Pimp A Butterfly (2015) machte Lamar dann eine unüberhörbare kreative Veränderung durch: Er stellte ein handverlesenes Team aus Produzenten und Musikern zusammen, das mit ihm eine kraftvolle Mischung aus Funk, Soul und Jazz produzierte und so gleichzeitig die Hip-Hop- und die Jazzszene mit neuem Leben erfüllte.
Genauso wie Mayfield ging auch Lamar textlich immer einen Schritt weiter. Good Kid, MAAD City war ein autobiografisches Konzeptalbum, welches das Regelwerk des Compton Gangsta Rap auf den Kopf stellte und in dokumentarischer Erzählweise aus der Perspektive eines „guten Jungen“ aus einer liebevollen, christlichen Familie über das Ghettoleben spricht. To Pimp A Butterfly hatte noch mehr textliche Tiefe. Lamar stellte sich ins Zentrum der Geschichten, die, eingerahmt von Gedichtfragmenten, die Schattenseiten des Ruhms, seine Liebe zu seiner Heimatstadt, seine Gedanken zur Rassenfrage und seine Erfahrungen als schwarzer Amerikaner vermitteln sollten.
Schaut euch hier das offizielle Video zu dem Kendrick Lamar Song King Kunta na und lest weiter:
Trotz der offensichtlichen Unterschiede zwischen ihren jeweiligen Genres hat die Musik von Mayfield und Lamar auch viel gemeinsam. Nicht ohne Grund entschied letzterer, auf seiner Single King Kunta den Track Kung Fu von Mayfields Album Sweet Exorcist (1974) zu sampeln. Am nächsten aber kommt Mayfields Musik der von Lamar – sowohl spirituell als auch stilistisch – auf seinem dritten Album Superfly (1972). Es entstand als Soundtrack zu dem gleichnamigen Blaxploitation-Film und verlieh seiner Musik eine härtere und funkigere Seite. Die Texte spiegelten die Stimmung des Films, die von Gangstern und Straßenkriminalität, Drogendeals und Schießereien geprägt war, vermied aber jegliche Verherrlichung bzw. Moralpredigten für die Hauptfigur des Films.
Lamars Musik kam schon immer in Großformat – von der geradlinigen Geschichte und den extrem starken Bildern auf Good Kid, MAAD City bis zu dem poetischen, ganz und gar nicht geradlinigen, aber genauso bildstarken To Pimp A Butterfly. Beide Künstler lieben es, wenn der Groove Soul hat. Aber die offensichtlichste Schnittmenge haben sie beim Funk. Auf To Pimp A Butterfly, welches an die funky Grooves von Superfly erinnert, hat Lamar das Genre komplett erfasst und auf dem Albumopener Wesley’s Theory taucht mit George Clinton sogar der Übervater des P-Funk auf.
Die Welt braucht Künstler wie Curtis Mayfield und Kendrick Lamar, die den Spagat zwischen cooler Patina und kultureller Relevanz schaffen und gleichzeitig in den Popcharts zu Hause sind – so mutig in ihrer Musik wie in ihrer politischen Aussage.
Autor: Paul Bowler