Zeitsprung: Am 14.8.2006 erfinden Iron Maiden die Geschichte des „Benjamin Breeg“.
popkultur14.08.21
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 14.8.2006.
von Christof Leim
Am 14. August 2006 veröffentlichen Iron Maiden die erste Single für ihr Album A Matter Of Life And Death. Das Stück heißt The Reincarnation Of Benjamin Breeg, was die Fans natürlich neugierig werden lässt: Wer ist dieser Benjamin Breeg, warum wird er wiedergeboren und warum singen Maiden drüber? Es taucht sogar eine mysteriöse Website auf, auf der es um einen verschwundenen Mann geht und seine düsteren Gemälde…
Auf dieser Seite, die die Maiden-Fans natürlich umgehend aufstöbern, sucht ein Cousin des Benjamin Breeg nach seinem verschollenen Verwandten, nachdem er ein Foto in den Hinterlassenschaften seiner verstorbenen Großmutter entdeckt hat. Der Cousin bittet um Mithilfe und veröffentlicht eine Biografie des Benjamin Breeg: Danach kommt dieser am 3. September 1939 zur Welt, also an dem Tag, an dem England in den Krieg gegen Nazideutschland eintritt. Nach dem unerklärten Feuertod seiner Eltern 1947 wächst der junge Benjamin in einem Waisenhaus auf und zeigt sich früh fasziniert von Religion. Allerdings leidet er schon als Kind an schlimmen Alpträumen, die er später in ebenso schlimmen Gemälden festhält, während er seinen Lebensunterhalt mit der Anfertigung von Grabsteinen verdient. Nach einigen Weltreisen nimmt er schließlich einen Job an in einem Institut für paranormale Forschung und schreibt Bücher über das Okkulte. Am 18. Juni 1978 verschwindet er spurlos. Mysteriös…
Wer steckt wohl dahinter?
Der Cousin, der sich nur als „A. Breeg“ zu erkennen gibt, berichtet von der Suche nach seinem Verwandten und erzählt, dass sich tatsächlich ein Mann auf seinen Aufruf gemeldet habe. Den wollte er am 14. August 2006 treffen. Und dieser Tag ist, so ein Zufall, das Veröffentlichungsdatum der Single. Denn die ganze Geschichte ist erfunden! Iron Maiden selbst haben die Historie von Benjamin Breeg niedergeschrieben und in aller Stille die mysteriöse Website aufgesetzt, weil ihnen klar sein konnte, dass die Fans nach diesem Namen suchen würden.
Mit anderen Worten: Das Ganze ist ein cleverer und vor allem unterhaltsamer Promo-Schachzug. Die Ausführungen des Cousins lesen sich tatsächlich spannend und machen neugierig. Als dabei ein verschollenes Gemälde des Benjamin Breeg auftaucht, wissen Maiden-Kenner Bescheid: Bei der Dämonenfratze, die sich der albtraumgeplagten Psyche des Künstlers entwunden hat, handelt es sich natürlich um das geliebte Bandmaskottchen Eddie.
Ein Gemälde des von Albträumen geplagten Benjamin Breeg. Die Fratze kommt uns bekannt vor, oder?Heavy-Metal-Schnitzeljagd im Netz
Die besagte Website www.benjaminbreeg.co.uk wurde mittlerweile abgeschaltet, aber weil das Netz fast nichts vergisst, könnt ihr die Ausführungen des Cousins hier nachverfolgen (von unten nach oben lesen). Sogar eine Mailadresse zum Kontakt findet sich, und die scheint es tatsächlich noch zu geben. Diese Aktion erinnert an den Horrorfilm The Blair Witch Project von 1999, für den ebenfalls mit Hilfe einer Netzpräsens, falschen Polizeimeldungen und Vermisstenplakaten ein Anschein von Realismus kreiert wurde. 15 Jahre später wiederholen Maiden das Spielchen in ähnlicher, aber noch ausgefuchsterer Machart für die Single The Writing On The Wall.
Die Single The Reincarnation Of Benjamin Breeg erscheint schließlich am 14. August 2006. Auf Cover dem sieht man Eddie, gezeichnet von Melvyn Grant, wie er die Ruhestätte von Benjamin Breeg öffnet. Auf dem Grabstein steht die rumänische Inschrift: "Aici zace un om despre care nu se ştie prea mult“. Übersetzt heißt das: „Hier liegt ein Mann, über den nicht viel bekannt ist.“ Das 7:21 Minuten lange Epos stammt aus der Feder von Bassist Steve Harris und Gitarrist Dave Murray, der hier einen seiner wenigen Songwriting-Credits erhält. Er spielt auch das Solo. Der Text erzählt von einem Mann auf der Suche nach Erlösung von einer ungenannten Schuld, nennt den Namen jedoch nicht
Harry sagt nix
Einen Monat vor der Veröffentlichung, am 17. Juli 2006, hatten Iron Maiden bereits das Musikvideo zum Stück exklusiv für den Fanclub hochgeladen, das sich wenig überraschend nach kürzester Zeit über das Netz verbreitete. Wegen der langen Spieldauer wurde The Reincarnation Of Benjamin Breeg in Großbritannien nicht für die Single-Charts gewertet, in Finnland, Spanien und Schweden schoß der Song auf Platz eins, in Deutschland reichte es für Rang 39. Auf der Tour zu A Matter Of Life And Death in den Jahren 2006 und 2007 gehört das Stück zur Setlist, auch 2010 wird es noch einmal aufgegriffen, aber insgesamt weniger als 100 Male im Konzert gespielt.
Und wer ist dieser Benjamin Breeg nun? Dieses Geheimnis lüften Iron Maiden nicht. In einem Interview auf der DVD zum Album erklärt Steve Harris: „Das darf ich nicht verraten.“
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