Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 21.10.1992.
von Timon Menge und Christof Leim
Als Madonna am 21. Oktober 1992 ihren Bildband Sex auf den Markt bringt, schockiert sie empfindliche Gemüter damit natürlich ein weiteres Mal. Nicht nur, dass das skandalträchtige Werk gesalzene 50 US-Dollar kostet. Für Furore sorgen die Kondomverpackung und der Einband aus Aluminium, vor allem aber die freizügigen Fotografien.
Hört hier in Erotica rein:
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Provozieren kann Madonna schon seit Beginn ihrer Karriere. So sorgt bereits 1983 der Song Like A Virgin für Aufregung, weil die damals 26-Jährige singt, jemand habe sie „zum allerersten Mal berührt“. Im Musikvideo zu Like A Prayer tanzt die US-Amerikanerin 1989 vor brennenden Kreuzen — eine Szene, die sie in den frommen USA einen Werbevertrag mit dem Getränkehersteller Pepsi kostet. Die gesamte Story findet ihr hier.
Mit dem Bildband Sex legt die Popikone noch eine Schippe drauf. So zeigen die Fotos von Steven Meisels und Fabien Baron nicht nur Madonna von ihrer nackten Seite; auch die Rapper Vanilla Ice und Big Daddy Kane, das Topmodel Naomi Campbell, der homosexuelle Pornostar Joey Stefano sowie die italienische Schauspielerin Isabella Rossellini werden sinnlich abgelichtet. Die Shootings finden Anfang 1992 in New York City und Miami statt, in Hotels, Burlesque-Theatern oder auf der Straße. Kurz vor Veröffentlichung des Buches werden die Fotografien gestohlen, können aber schnell wiederbeschafft werden.
Für die Erzählungen innerhalb des Werkes schafft Madonna ein Alter Ego namens Mistress Dita, benannt nach der deutschen Filmschauspielerin Dita Parlo. Dita geleitet ihre Leser durch das Buch und gibt allerhand sexuelle Fantasien preis wie außergewöhnliche Piercings und Sadomaso-Spiele. Im prüden Amerika der frühen Neunziger ist das einen Aufschrei wert. Sogar die Verpackung liefert Diskussionsstoff: Madonna lässt Sex in Mylar einschweißen, einen besonderen Kunststoff, der den Lesern die Haptik einer Kondomverpackung suggerieren soll. Das Buch selber ist in Aluminium eingebunden.
Die Kritiker zeigen sich zunächst wenig beeindruckt und werfen der Künstlerin vor, um jeden Preis schockieren zu wollen. Das Werk sei eher kindisch als revolutionär, heißt es. „Ich habe nicht die gleichen Fimmel wie andere Menschen“, verteidigt Madonna die Veröffentlichung in einem Vanity Fair-Interview. „Das wollte ich mit diesem Buch zeigen. Ich finde nicht, dass Sex etwas Schmutziges ist. Ich finde auch nicht, dass Nacktheit etwas Schmutziges ist.“
Begleitet wird die Buchveröffentlichung von Erotica, Madonnas fünftem Studioalbum. So enthält das Musikvideo zum Titeltrack der Platte Filmmaterial von den Fotosessions zu Sex und zeigt die Sängerin dabei, wie sie sich auf dem Schoß eines Mannes räkelt oder nackt Fahrrad fährt. Das gefällt den Sittenwächtern bei MTV natürlich gar nicht, weshalb sie das Video kurzerhand aus der Playlist streichen. Erneut zeigt sich, dass Kontroversen den Verkaufszahlen nicht unbedingt schaden: Erotica erreicht Platz 2 der Charts. Sex verkauft sich zudem mehr als 1,5 Millionen mal und wird somit zum erfolgreichsten „Coffee Table Book“ aller Zeiten — ohne, dass Madonna das Buch groß beworben hätte.
Eines von Madonnas Outfits für Sex und Erotica hängt heute im Hard Rock Café in Paris – Credit: Aloba Øyvind Vik