Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 7.11.1943.
von Timon Menge und Christof Leim
Mit ihrer erhabenen Erscheinung und ihren außergewöhnlichen Songs begeistert sie Zehntausende: Joni Mitchell gehört zu den erfolgreichsten Singer-Songwriterinnen aller Zeiten. Am 7. November feiert sie ihren Geburtstag — und wir schauen auf ihre facettenreiche Karriere zurück.
Hört hier in die besten Songs von Joni Mitchell rein:
Klickt auf „Listen“ für die gesamte Playlist.
Joni Mitchell kommt am 7. November 1943 im kanadischen Fort Macleod als Roberta Joan Anderson auf die Welt. Ihr Dasein als Musikerin beginnt in der Stadt Saskatoon. Die ersten Shows im dürftigen Scheinwerferlicht verrauchter Clubs markieren den Startschuss einer spannenden Karriere und locken sie im wahrsten Sinne des Wortes auf die Straße: Nachdem sie sich durch den Westen Kanadas gespielt hat, kommt sie in der Großstadt Toronto an. Dort allerdings lehnen die großen Folk-Veranstalter die Nachwuchskünstlerin ab. Die Miete muss trotzdem bezahlt werden, also beginnt sie damit, Straßenmusik zu spielen.
Im Jahr 1965 schließt die Musikerin das Kapitel Kanada, siedelt in die USA über und arbeitet weiterhin daran, sich einen Namen zu erspielen. Mit ihrem ersten Mann Chuck Mitchell zieht sie nach Detroit, wo die beiden als Duo die lokale Szene erobern. Leider ist die Gleichberechtigung der Frau noch nicht in jede Hirnwindung durchgedrungen: Als Chuck beginnt, Joni zu schlagen, trennt sie sich von ihm und zieht nach New York City. Seinen Namen behält sie.
In der Folk-Szene von Greenwich Village kommt die junge Künstlerin gut an und wird schnell von anderen Vertretern des Genres gecovert. Sie lernt Leonard Cohen kennen, es kommt zu einem kurzen Stelldichein. Die Beziehung dauert kaum ein Jahr an, inspiriert Mitchell aber zu den Songs Chelsea Morning, Rainy Night House und A Case Of You.
Wenig später trifft die David Crosby, der die Byrds gerade verlassen hat, um sich Crosby, Stills, Nash And Young anzuschließen. Er besucht zufällig den Club, in dem Mitchell gerade auftritt – und steht wie gebannt vor der Bühne. Crosby bietet der Nachwuchsmusikerin an, ihre erste Platte zu produzieren, sie schlägt ein. Gemeinsam brechen sie auf und erkunden die aufregende, neue Welt an der Westküste der USA. Crosbys Begeisterung reicht aus, um die junge Musikerin mit Musikmanager Elliot Roberts und Labelbesitzer David Geffen in Kontakt zu bringen. Nur wenig später erscheint ihr Debüt Song To A Seagull (1968).
Ende der Sechziger regieren in den USA Flower Power und „Peace, Love and Music“. So findet vom 15. bis 18. August 1969 das legendäre Woodstock-Festival statt, zu dem geschätzte 400.000 Zuschauer strömen und eine riesige Party mit Jimi Hendrix, Janis Joplin, Joe Cocker und The Who feiern. Auch Joni Mitchell erhält eine Einladung, doch David Geffen rät ihr davon ab, die Show zu spielen. Er hatte ihr einen Auftritt in der Dick Cavett Show vermittelt und befürchtete, dass sie wegen des dichten Verkehrs nicht rechtzeitig wieder zurück sei. Einige Tage später dürfte Geffen sich mächtig in den Hintern gebissen haben.
Mit ihrem Song Woodstock leistet die Kanadierin dennoch einen unsterblichen Beitrag zur Hippie-Bewegung und fängt die Stimmung einer gesamten Generation ein. Für Crosby, Stills, Nash And Young wird das Stück zu einem großen Hit. Es ist nicht das letzte Mal, dass Mitchell einen Song schreibt, der einer anderen Gruppe Erfolg beschert. So landen die britischen Rocker von Nazareth mit This Flight Tonight zum Beispiel ebenfalls einen Treffer.
Ihren großen Durchbruch erlebt Mitchell zu Beginn der Siebziger mit Alben wie Ladies Of The Canyon (1970), Blue (1971), For The Roses (1972) und Court And Spark (1974). Der sagenhafte Erfolg fördert allerdings auch die dunklen Seiten der Musikerin zutage. So versucht sie sich nach dem Scheitern ihrer Beziehung mit Jackson Browne das Leben zu nehmen.
Ab 1975 schlägt die Kanadierin experimentellere Wege ein und entdeckt den Jazz für sich. Bei Hejira (1976) handelt es sich zweifellos um ihr bis dato wagemutigstes Album. Zwar verkauft sich die neue Joni Mitchell nicht mehr so gut wie die alte, doch für die Künstlerin selbst nimmt Hejira einen hohen Stellenwert ein, wie sie 2006 in einem Interview verrät: „Ich glaube, dass viele Menschen meine anderen Songs hätten schreiben können. Bei Hejira habe ich das Gefühl, als hätten diese Songs bloß von mir kommen können.“
Überhaupt markiert das achte Album der Kanadierin einen Umschwung: Es wird ruhiger um Mitchell. Statt wie vorher beinahe jährlich ein Album zu veröffentlichen, fährt sie die Frequenz herunter. Im Interview mit dem Rolling Stone beschwert sie sich gar über die Oberflächlichkeit des Jahrzehnts: „Damals schlug der reine Materialismus zu, Madonna — ‘gib mir dies, gib mir das, gib mir Kleider, gib mir Autos’“, erinnert sie sich.
Streit gibt es gar bei den Aufnahmen ihrer zwölften Veröffentlichung Dog Eat Dog. So äußert David Geffen den Wunsch, der britische Starproduzent Thomas Dolby möge Hand an die Studioregler legen. Mitchell stimmt zu, muss später allerdings zusehen, dass ihre eigenen Ideen nicht überfahren werden. In ihrer offiziellen Biografie verrät sie: „Er mag in der Lage sein, es besser zu machen, aber dann wäre es nicht wirklich meine Musik.“
Mitchell bleibt im Showgeschäft, spielt zahlreiche Konzerte und veröffentlicht Alben, doch die ganz große Aufmerksamkeit genießt sie nicht mehr. Ab der Jahrtausendwende widmet sie sich zunehmend der Malerei und sagt im Interview mit dem Rolling Stone sogar: „Ich bin eine Malerin, die Lieder schreibt. Meine Songs sind sehr visuell. Die Wörter erschaffen Szenen, in Cafés und Bars, in düsteren kleinen Zimmern, an vom Mond beschienenen Ufer, in Küchen, in Krankenhäusern und auf Rummelplätzen. Sie ereignen sich in Fahrzeugen, Flugzeugen, Zügen und Autos.“
Ab 2010 wird die Grand Dame des Folk dann etwas wunderlich. So behauptet sie zum Beispiel, an der Morgellon-Krankheit zu leiden, ein Syndrom, das um 2000 herum in Kalifornien auftritt. Betroffene klagen über Parasiten und Nanopartikel, die unter der Haut herumkriechen, außerdem leiden sie vermeintlich unter nässenden Wunden und mysteriösen bunten Hautfasern. Die US-Seuchenbehörde erklärt die Symptome zu einer psychischen Störung, die vor allem bei älteren Frauen auftritt, die zu großen Teilen medikamentenabhängig sind. Wenig später überrascht Mitchell mit weiteren Seltsamkeiten und wirft zum Beispiel Bob Dylan vor, ein „Plagiator“ zu sein.
Mitchells Einfluss auf den Folk, die Musik und Frauen weltweit bleibt davon natürlich unangetastet. Ob ihre 16 Grammy Awards, ihre Silber-, Gold- und Platinauszeichnungen oder ihre zahlreichen ausverkauften Tourneen: Joni Mitchell ist aus der Musikwelt nicht wegzudenken. Happy Birthday, Joni!