Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 8.9.2002.
von Christof Leim
Mittlerweile dürfte allseits bekannt sein, dass Bruce Dickinson nicht nur seit langer Zeit eine große Faszination für die Luftfahrt hegt, sondern sogar selbst Flugzeuge steuert, darunter die legendäre Ed Force One, das Tourvehikel seiner Band Iron Maiden. Doch am 8. September 2002 lässt der Mann sich sogar hauptberuflich anstellen, um im Cockpit von Jumbojets zu sitzen. Das wirft natürlich ein paar Fragen auf zur Vereinbarkeit von Hobby und Beruf…
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Bruce Dickinson hat ja schon alles gemacht: Bücher geschrieben, Radiosendungen moderiert, erfolgreich Biere gebraut, als Fechter in der britischen Top 10 gekämpft – und nicht zuletzt in einer kleinen Band namens Iron Maiden gesungen. (Hier steht noch mehr über sein ziemlich erfülltes Leben.)
Mal einen ordentlichen BerufWie er in der lesenswerten Autobiografie What Does This Button Do? erzählt, beginnt seine Faszination für die Luftfahrt schon während der frühen Neunziger. Damals macht er in Florida einen Pilotenschein und verfolgt dieses Interesse nach seinem Ausstieg bei Maiden 1993 mit steigender Professionalität. Nach eigenen Aussagen denkt er zu Beginn seiner Solokarriere ernsthaft über einen Berufswechsel nach: „Ich habe Lebensläufe verschickt, in denen nichts davon stand, dass ich bei Iron Maiden gesungen habe“, erzählt er dem Guardian. Irgendwann darf er sogar Passagiermaschinen steuern. 1999 kehrt er allerdings zu Iron Maiden zurück, was seinen Terminkalender deutlich füllt. Die Band unternimmt eine triumphale Welttour nach der anderen und bringt im Jahr 2000 unter großem Applaus das Album Brave New World raus.
Der Pilot wollte auch ein Foto mit der Band.Trotzdem tritt Dickinson im September 2002 einen „richtigen“ Job an, mit Arbeitsvertrag, Jahresgehalt und einer begrenzten Menge an Urlaubstagen. Das genaue Datum lässt sich leider nicht hundertprozentig verifizieren, fest steht aber: Die britische Fluglinie Astraeus stellt ihn damals offiziell als Pilot für ganz normale Passagierflüge ein. Als erster Offizier fliegt er vor allem Ziele in Portugal und Ägypten an. Stellt euch mal vor, ihr sitzt im Flugzeug, und plötzlich ertönt die Stimme von Bruce Dickinson über die Lautsprecher: „Scream for me, business class!“ Cooler geht’s nicht.
Der Rockstar muss Urlaub einreichenUnd wie läuft es dann mit der Band? Immerhin erscheint 2003 Dance Of Death, und natürlich ziehen Maiden damit wieder von Mai bis Februar um die Welt. Unser Mann packt das so an wie Horden von Musikern und Musikerinnen aus dem Amateur- oder semiprofessionellen Bereich: Er nimmt unbezahlten Urlaub und muss auch schon mal zwischen zwei Tourblöcken zurück zur Schicht. Da Dickinson aber nie lange stillsitzen kann und sich sowieso immer mit vielen Sachen gleichzeitig beschäftigt, überrascht das kein Stück. 2010 erklärt er gegenüber CNN: „Ich würde die Musik nie aufgeben. Manche Leute fragen mich, warum ich einen zweiten Job brauche. Ich frage dann zurück: Warum musst du atmen?“ Ein längeres Interview findet ihr hier.
Warum macht er das? Aus Freude an der Sache. „So einen Jet zu fliegen, ist die größte Herausforderung, der ich je begegnet bin“, sagt er 2002 ebenfalls im Guardian. „Ich liebe es!“ Zudem müssen Piloten eine bestimmte Menge an Flugstunden im Jahr absolvieren, um in der Übung zu bleiben und ihre Lizenz nicht zu verlieren. Dickinson hat hier also womöglich das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden. Die 35.000 Pfund Jahresgehalt hingegen dürften angesichts der Erfolge mit Maiden nicht wirklich ins Gewicht fallen.
Der meint das ernstBei seinen Einsätzen hat er 2008 zum Beispiel britische Armeeangehörige aus Afghanistan nach Hause befördert, 2006 Hunderte Landsleute aus einer angespannten politischen Lage im Libanon gerettet (siehe hier und hier) sowie auch ein paar hochkarätige Fußballmannschaften in der Welt herumkutschiert. Ab 2008 steuert er dann die legendäre Ed Force One, 2005 führt er durch die mehrteilige britische TV-Dokumentation Flying Heavy Metal, am 16. September 2010 wird er sogar Marketing Direktor von Astraeus Airlines, für die er einige publikumswirksame Videos aufnimmt. Nachdem die Firma am 21. November 2011 Insolvenz anmelden muss, gründet Bruce 2012 eine eigene Luftverkehrsfirma namens Cardiff Aviation.
Natürlich begegnet er im Job auch Menschen aus seiner bisherigen Welt. Einmal befindet er sich im Zug eines Trainings mit British Airways in München, gekleidet in voller British-Airways-Montur. Er erzählt: „Da kommt ein Maiden-Fan direkt auf mich zu, mit Shirt und allem. Er spricht mich an: ‚Ich habe da mal eine Frage…‘, ich antworte natürlich: ‚Ja, ja, ja‘ – und er fährt fort: ‚…ist das der Bus in die Stadt?‘“ Manchmal wird er an Bord erkannt, dann wollen die Fans natürlich einen Blick ins Cockpit werfen. Das passiert öfter, wie Bruce dem Telegraph berichtet. Einige aus dem Astreaus-Team stellen sich zudem als Maiden-Freaks und generell Musikgourmets heraus, weswegen sich eine kleine Band für Astraeus-Weihnachtsfeiern gründet (kein Witz).
Der Tourbus von Iron Maiden ist größer als deiner. Credit: Foto-dus Er ist nicht der einzigeBruce ist zudem nicht der einzige Metal-Star mit Luftverkehrsambitionen: Maiden-Drummer Nicko McBrain hatte schon Jahre vorher einen Flugschein gemacht und seinen Sänger damit überhaupt erst inspiriert. Der ehemalige Queensrÿche-Gitarrist Chris DeGarmo fliegt mittlerweile hauptberuflich von Seattle aus private Charterflugzeuge. Dickinsons Liebe zur Luftfahrt zeigt sich natürlich auch in Iron-Maiden-Songs, etwa in Tailgunner und Empire Of The Clouds. Steve Harris-Kompositionen wie Aces High und Where Eagles Dare passen ebenfalls gut ins Bild.