Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 9.10.1978.
von Christof Leim und Tom Küppers
Man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist. Das wissen auch Judas Priest, als sie sich kein halbes Jahr nach dem Anfang 1978 veröffentlichten Stained Class wieder ins Studio begeben, um ihr fünftes Album Killing Machine aufzunehmen. Die progressiven Elemente in ihrem Sound haben die Briten schon auf den letzten Platten immer mehr in den Hintergrund gestellt, was ihnen viel Zuspruch beschert hat. Diesen Kurs führen sie weiter.
Hier reinhören in Killing Machine von Judas Priest. Metal-Pflichtübung.
Klickt auf „Listen“ für das ganze Album.
Das große Ding Ende der Siebziger heißt Punk. Etablierte Bands nehmen sehr wohl wahr, dass sich die Hörgewohnheiten verändern. Nicht nur das, auch in Sachen Optik haben Truppen wie die Sex Pistols und The Clash den letzten Ausläufern des Hippie-Chic (Schlaghosen zum Beispiel) etwas entgegenzusetzen. Deswegen präsentieren sich Judas Priest, allen voran Rob Halford, fortan in einem neuen Look: Motorradjacken, Lederhosen, Nieten. Der Sänger setzt mit Lederkappe, Peitsche und Handschellen noch einen drauf. „Das kam ganz natürlich durch die Musik“, erklärt Halford dem Sounds-Magazin später. „Sich beim Blick in den Spiegel komplett in Leder zu sehen, gibt dir das Gefühl, gleich auf der Bühne so richtig abzuliefern. Zumindest mehr als mit einer kurzen blauen Hose und gepunkteten Socken.“ Wie Recht er doch hat, schließlich erfinden Priest somit den klassischen Metal-Look. Mitte der Achtziger freut sich Gitarrist K.K. Downing: „Wir haben der Welt den Heavy Metal beschert. Heute tragen alle das, was wir schon seit Jahren anhaben.“
Rein musikalisch gesprochen ziehen Judas Priest auf dem am 9. Oktober 1978 erscheinenden Killing Machine die Daumenschrauben nochmals an. Doublebass-Schlagzeug, wilde Soloduette, die Mehr-Oktaven-Stimme von Halford plus jede Menge harter Riffs sind die Grundzutaten, aus denen Judas Priest eine der ersten echten Heavy Metal-Platten der Musikgeschichte gießen. Der unglaublich wuchtige Chorus des Titeltracks, die Präzision von Hell Bent For Leather (zu dem Halford bis heute mit einem Motorrad auf die Bühne kommt) und der unfassbare Groove von Burnin‘ Up sind Blaupausen für frühe Metaller wie Metallica, Slayer oder die Landsleute von Iron Maiden.
Andererseits verweigern sich Judas Priest nicht dem kommerziellen Erfolg. Bereits auf dem Vorgänger haben sie auf Wunsch der Plattenfirma auf der Suche nach einem Radiohit Better By You, Better Than Me von Spooky Tooth gecovert – ein Song, der sie später auf tragische Weisen in ernste Bedrängnis bringen sollte. Für ihr Take On The World nehmen sich die Briten ihre Zeitgenossen von Queen und deren We Will Rock You zum Vorbild: Stampfender Rhythmus, größtenteils nur von Gesang begleitet, sparsam eingesetzte Gitarren – die Parallelen sind unverkennbar.
Mit knapp einer halben Million verkaufter Singles und Platz 14 in den englischen Charts schlägt sich die von Halford und Gitarrist Glenn Tipton geschriebene Nummer recht wacker, heutzutage geht der Song eher als Obskurität durch. (Der Coverversion der britischen Synthie-Popper Human League kann man übrigens ohne Probleme das gleiche Prädikat verleihen.)
Ausgerechnet die Tatsache, dass die amerikanische Plattenfirma Anfang 1979 die Platte nicht unter dem vorgesehenen Namen veröffentlichen möchte, beschert Judas Priest dann einen der größten Klassiker ihres Kataloges. Die Verantwortlichen lassen verlauten, der Titel Killing Machine klänge zu sehr nach Gewaltverbrechen und schlagen als Alternative Hell Bent For Leather vor. Die Band stimmt zu, also wird die schon einige Monate alte Scheibe in den USA nochmal mit gleichem Cover, aber geändertem Titel aufgelegt. (Als ein Grund für das Veto des Labels wird oft eine Schießerei an einer Grundschule im kalifornischen San Diego im Januar 1979 angeführt. Die Täterin gibt als Motiv an, sie möge keine Montage – was Bob Geldof zum Songtitel I Don’t Like Mondays inspiriert. Das ist aber eine andere Geschichte, und die steht hier.)
Drei der Singles von „Killing Machine“Für die Neuauflage lassen sich Priest zusätzlich noch zu einer eigenen Version des Fleetwood Mac-Originals The Green Manalishi (With the Two Pronged Crown) überreden. Die kommt beim Publikum so gut an, dass sie auf den folgenden Nachpressungen eingebaut wird und bis heute fester Bestandteil jeder Priest-Setlist ist.
Fazit: Killing Machine/Hell Bent For Leather ist ein zeitloser Heavy Metal-Klassiker, dem Judas Priest zwei Jahre später mit British Steel einen weiteren genreprägenden Meilenstein folgen lassen (alles dazu hier). Songs aus dieser Phase werden übrigens immer mal wieder gerne gecovert, wie etwa von Skid Row gemeinsam mit Priest-Sirene Rob Halford.