There's Always More That I Could Say sagt Sigrid und für den Moment geben wir uns mit diesen zehn Bangern zufrieden und hören ihren ausgewählten Worten besonders genau zu.
Als Sigrid mit ihrem Debütalbum Sucker Punch groß rauskam, da landete sie einen absoluten Hit auf Albumlänge. Jeder Song kam mit einer besonderen Idee daher, überall versteckten sich ungeahnte Wendungen und ihre Stimme, die so soft klingt, obwohl sie eigentlich ziemlich rau ist, folgte vor allem ihrer eigenen Laune. Sigrid hat die Welt wieder daran erinnert, dass Popmusik eine skandinavische Erfindung ist und hat Norwegen zurück auf die Karte gebracht. Nun sorgt sie dafür, dass Norwegen auch genau dort bleibt. Denn There's Always More That I Could Say schafft es, wieder impulsive Leichtigkeit und den Eigensinn von Sigrid zurückzuholen. Das letzte Album How To Let Go war im Vergleich zum Debüt um einiges angepasster. Die weiße T-Shirt/Denim-Combo wurde gegen Fashion Statement-Pieces ausgetauscht und obwohl die Songs ebenso eingängig waren, fehlte dem Album Sigrids aufgekratzte Signatur.
Sigrid im Circle Store:
Für immer unser Girl
Jetzt ist kein Zweifel mehr daran, dass Sigrid wieder zu ihrer alten Form zurückgekehrt ist – natürlich, frisch und ganz sie selbst. Die Norwegerin sagt es selbst schon im ersten Song: „I‘ll Always Be Your Girl“. Es ist nicht der einzige Titel, der wie ein Kommentar auf Sigrids Karriere klingt. Do It Again könnte man durchaus als eine Reflexion darüber lesen, dass sie nach ihrem kometenhaften Aufstieg weitere Hits liefern sollte und in Kiss The Sky bezeichnet sich Sigrid als eine „Parody Of Herself“. Doch sie scheint sich gut zu fühlen. Denn Videos ihres Festivalsommers zeigen, wie ausgelassen und vorfreudig Sigrid diese neuen Songs performt – sogar wieder in der simplen Jeans-Tshirt-Kombination.
Auch Have You Heard This Song Before beschreibt ihr Songwriting. Banger wie dieser schreiben sich nicht von alleine. Zwischen den Zeilen steht immer wieder, dass es Zeit und Lebenserfahrung braucht, um eine künstlerische Stimme zu finden. Aber es klingt auch, als würde sie der Musikindustrie die Zunge rausstrecken. Nach dem Motto: Lasst mich nur machen und mischt euch nicht ein. Ich hab das schon im Griff. Und wie sie das hat!
Verspielt bis in die letzte Note
In jedem Song verstecken sich außergewöhnliche Momente: Eine Flöte am Ende von I‘ll Always Be Your Girl, die ganz und gar aus der Reihe tanzt und dann auf Two Years noch einmal zum Einsatz kommt. Der Titel Hush Baby wechselt zwischen Strophen voll großer Melodien, während der Chorus dann in einen rhythmischen, simplifizierten Ton verfällt. Dazu läuft ein dumpfer Clubbeat, der am Ende des Songs langsam ausgebremst wird. Der Titel entstand in einem Songwritingcamp mit Produzent Askjell und war der Startschuss für dieses Album. Eigentlich meinte Sigrid, sie hätte nichts zu sagen, keine Message. Als sie diesen Beat aber hörte, ergriff sie das Mikro kurzerhand und lieferte aus dem Stand heraus Hush Baby.
Fort Knox, eine der Vorabsingles, spielt mit Sprechgesang und wilden Schreien. Sigrids Vocals und die Britney-Violinen à la Toxic scheinen sich gegenseitig zu jagen. Den Song hat Sigrid mit einem Handmikro aufgenommen, um sich frei bewegen zu können. Die Energie sprudelt aus der Sängerin direkt in unsere Gehörgänge. „Es fällt mir schwer, stillzusitzen, und ich möchte einen Live-Moment schaffen. Also bin ich im Studio herumgelaufen und habe aufgenommen, und es tat wirklich so gut, das aus meinem System herauszubekommen. Ich war so wütend und aufgebracht, als ich diesen Song geschrieben habe. Aber es war keine lustige Wut. Ich war außer mir vor Zorn.“
Familiär und trotzdem neu
Viele Songs schaffen es, dass sie schon beim ersten Durchlauf wie große Popklassiker klingen. Der ruhige Titelsong, die einzige Ballade dieses Popspektakels, erinnert an I Think It‘s Going To Rain Today. Auch dieser Titel kann als ein Kommentar auf ihre eigene Musik gedeutet werden. Denn There‘s Always More I Could Say gilt auch für jeden Song und jedes Album. „Als Künstlerin könnte ich immer noch mehr sagen. Ich könnte immer mehr Kontext liefern, mehr Nuancen. Ich könnte mich immer mehr anstrengen, eine bessere Popkünstlerin sein, mehr arbeiten, einfach mehr, mehr, mehr.“ … Aber letztlich lässt Sigrid das Album und ihre Musik für sich sprechen. Es fließt und vor allem fließt es in Sigrids eigenem Strom. Sie wirkt frei und ungelenkt – und das ist genau das, was diese sprunghafte Power-Pop-Queen braucht.