Auf dem Album The Great Impersonator schlüpft Halsey in die Rollen ihrer größten musikalischen Idole. Ganze 18 Song sind nach Vorbildern, die von David Bowie bis hin zu Evanescence reichen, entstanden. Nicht immer sind Halseys Titel klar an einen einzelnen Song angelehnt, manchmal gibt es nur ein kleines Detail, das auf die Musiklegenden verweist – und genau das macht dieses Album besonders spannend. Wir werfen einen Blick auf zehn Songs und die Frauen, die sie mal mehr, mal weniger direkt beeinflusst haben.
1. Dolores O’Riordan
Als Single wurde Ego bereits vor einigen Wochen veröffentlicht und ist an Dolores O’Riordan von The Cranberries angelehnt. Halseys Titel beginnt mit einer recht süßen Lautmalerei und wird von einer Akustikgitarre begleitet. Vor allem im Refrain scheint sich Halsey an den explosiven Melodien der Cranberries zu orientieren, auch wenn der Titel ganz generell eine klare Pop-Sprache spricht. Ist das Intro etwas folkiger, wie zum Beispiel Linger, so klingt der Refrain nach dem modernen Folk-Pop der 2000er. Allgemein erinnert Ego aber stark an einen klassischen 90er Teenage-Rom-Com-Song und damit trifft sie den Nagel auf den Kopf. Denn Dreams schaffte es gleich in mehrere Filme wie E-M@il für dich (1998) oder Kaffee, Milch und Zucker (1995), und auch Linger hat mit den seichten Folk-Gitarren so manche Filmszene aufpoliert.
2. PJ Harvey
Der Titel Dog Years spielt mit zurückgenommenen, repetitiven Strophen. Einige Gitarren – akustische und elektronische – sind übereinander gelegt und auch die Drums spielen ein eher reduziertes Muster. Dazu säuselt, haucht und flüstert Halsey in expressiven Passagen und erinnert vor allem mit den düsteren Strophen an ihr musikalisches Vorbild. Im letzten Drittel des Titels baut sich dann immer mehr Spannung auf und vereinzelte Störgeräusche durchbrechen den Song. Besonders diese langsame Steigerung gepaart mit der Soundlandschaft erinnert an PJ Harvey, die eine Meisterin im Erzeugen von dichten Atmosphären ist. Songs wie White Chalk (2007) wirken beinahe filmisch und verstricken geisterhafte Piano-Klänge mit ätherischem Gesang – und auch Halseys Dog Years gelingt mit nur wenigen Mitteln dieser unbehagliche Effekt.
3. Stevie Nicks
Der Titel Panic Attack geht weniger im Gesang auf sein Vorbild Stevie Nicks ein als in der Begleitung. Die hingegen könnte fast ein direktes Cover einer Instrumental-Version von Dreams sein. Auch hier eröffnet das Schlagzeug den Titel, Bass und Gitarre spielen ein sehr ähnliches Pattern und auch der Mix von Panic Attack erinnert an die luftige Zusammensetzung des Fleetwood-Mac-Hits. Halsey zeigt hier eine weichere Facette und spielt in den Strophen mit dem Wechsel zwischen Brust- und Kopfstimme. Das Songzitat ist so deutlich wie bei kaum einem anderen Titel.
4. Cher
Zwar noch immer in den 70ern, hat sich Halsey für ihren Cher-Song Letter To God (1974) gegen ein klares Zitat entschieden. Auf dem gesamten Album gibt es drei Tracks namens Letter To God, deren Jahreszahlen auf die jeweilige Vorlage hindeuten. Hier bezieht sich Halsey auf Chers Dark Lady. Der Titel erinnert vor allem durch den begleitenden Chor, der immer wieder Fragmente und Zeilen wiederholt und untermalt, an Chers 70er-Stil. Allgemein präsentiert Letter To God (1974) aber eine eher zerbrechliche, Dark-Lady-untypische Seite von Halsey.
5. Linda Ronstedt
Ähnlich wie Halsey selbst war Linda Ronstedt bekannt dafür, sich nur ungern auf ein Genre festzulegen: In den 1970ern begann sie im Country-Rock mit Hits wie Desperado und Silver Threads And Golden Needles, wechselte aber bald zu Rock und Pop, wie etwa mit Blue Bayou . Auf Instagram schreibt Halsey zu ihrem Vorbild: „Eine Huldigung ihrer unendlichen Wandlungsfähigkeit, ein echtes Chamäleon“. Halseys Titel I Believe In Magic ist an die Mitbegründerin des Country-Rocks angelehnt und eine langsame Ballade, die Halsey zu einem sich ewig wiederholenden Gitarrenmuster singt. Dabei zeigt sich die Musikerin als Geschichtenerzählerin, die die Welt einer schwierigen Familie aufzeigt.
6. Dolly Parton
Dass Hometown, ein Lied über Heimat und Amerika, ein Countrysong angelehnt an Dolly Parton ist, dürfte niemanden überraschen. Ein waschechter Country-Titel, der spätestens mit dem Video, in dem Halsey zeigt, wie sie ihre Acrylnägel aneinander reibt und sie quasi als Instrument benutzt, zu einer astreinen Dolly-Hommage wird.
7. Tori Amos
„Ich habe Tori immer als eine Klasse für sich betrachtet. Dieser Song ist der persönlichste des Albums, nur ich und mein Klavier. Denn das war alles, was Tori brauchte, um dein Herz in Kleinteile zu zerfetzen“, beschreibt Halsey die zarte, gebrochene Ballade Life Of A Spider (Draft). Im Refrain drückt sie ihre Stimme an ihr Limit, lässt sie beben und bleibt in den tieferen Oktaven, wobei die Musikerin normalerweise insbesondere zum Chorus in ihre starke Kopfstimme wechselt. Der Vergleich mit einer Spinne, die am Faden hängt, könnte direkt aus dem Tori-Amos-Repertoire stammen. Denn Amos greift in ihren Texten oft auf Symbole und Metaphern zurück, die aus Mythologie und Spiritualität stammen.
8. Aaliyah
Der letzte Letter To God (1998) des Albums geht zurück zu Halseys frühen Hip-Hop-Einflüssen: Aaliyah. Hier hat Halsey sich etwas ganz Besonderes ausgedacht, um an die einflussreiche R’n’B-Musikerin der späten 90s zu erinnern: Sie hat Aufnahmen ihres Sohnes als Baby im Hintergrund des Songs einfließen lassen. Damit spielt Halsey natürlich auf den ikonischen Song Are You That Somebody an, in dem Aliyahs softer Gesang immer wieder von einem freudig aufgeregten Babygeräusch begleitet wird. Damit demonstriert Halsey definitiv ihre Liebe für die kleinen Details.
9. Amy Lee
Wir springen in der Zeit nur ein wenig vor, nämlich in die 00er-Jahre – Sound und Genre ändern sich hingegen drastisch. Mit dem Titel Lonely Is The Muse erinnert Halsey nicht nur an ihr letztes Alternative-Rock-Pop-Album If I Can’t Have Love, I Want Power, sondern auch an Amy Lee von Evanescence. Lee hat mit My Immortal oder Bring Me To Life den Nischengenres Gothic-Rock und Symphonic Metal zu großer Beliebtheit verholfen. In Halseys Hommage an diesen Stil setzt sie auf einen schweren, starken Beat, tragenden Hintergrundgesang, starke Gitarren und einen Songaufbau, der sich bis ins Unermessliche steigert und mit einer großen Explosion endet, bis sie die letzten Zeilen sogar shoutet.
10. Björk
Das Album endet auf einer Björk-Interpretation. Der titelgebende Track The Great Impersonator des Albums zeichnet sich durch akzentuierte Melodien aus und erinnert durch die Variation aus arhythmischem, gezogenem und dann wieder ganz abgehacktem Gesang an den isländischen Superstar. Ein hinaufgezogenes „Ahhhha“ vollendet schließlich das Björk-Bild, ohne dass Halsey hier in eine Parodie abrutscht.