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Foto: Fairfax Media via Getty Images

20 Jahre „Push The Button“: Die wilde Allmacht der Chemical Brothers

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2005 sind The Chemical Brothers längst Superstars. Ihr fünftes Album Push The Button schlägt dennoch munter Haken durch den Kaninchenbau der elektronischen Musik – und liefert mit Galvanize eine britische Elektro-Hymne für die Ewigkeit.

The Chemical Brothers machen schon immer, was sie wollen. Von ihren Anfängen in den labyrinthischen Katakomben der Rave-Szene Manchesters führt ihr Weg in den frühen Neunzigern rasch auf die ganz großen Bühnen. Coachella, Glastonbury, sogar Support für die bekennenden Fans Oasis bei ihrem gigantischen Knebworth-Gig: Das Duo aus Ed Simons und Tom Rowlands braucht nur wenige Jahre, um neben The Prodigy zum wichtigsten Elektro-Export Englands zu werden.

Wo Kraftwerk gemeinhin als Alpha der elektronischen Tanzmusik gesehen werden, sollen The Chemical Brothers das Omega sein: Geniale Grenzgänger, die nicht nur etwas wiederkäuen, sondern radikal und rigoros neue Wege beschreiten. Rave, Techno, Hip-Hop, Big Beat? Denen doch egal! Dabei erschaffen sie in Clubs, Hinterzimmern und Kellern einen Sound, der spätestens ab 1997 den Rest der Insel und weite Teile der Welt übernehmen wird. Gewaltig, groß, galvanisierend.

Keine Lust auf Effekthascherei

Sie wissen also längst, was sie tun, als sie sich Mitte 2003 an die Arbeiten zu Push The Button machen. Sie würden es aber nie zugeben: The Chemical Brothers sind legendär für ihre eigene Unfähigkeit, ihren eigenen einzigartigen, spektakulären Beitrag zur elektronischen Klangrevolution zu würdigen. Auch sympathisch irgendwie.

In Südlondon und New York City frickeln die engen Freunde ungestört und in völliger Harmonie an neuen Sounds, nehmen sich diesmal aber vor, wieder eher nach Bauchgefühl zu gehen. „Wir wollten diesmal vor allem ein Album machen, das uns selbst gefällt“, so beschreibt es Ed Simons. „Ich denke, dass es bei einer Menge elektronischer Musik nur um den Effekt geht, den sie hat, und es geht nur um Effekte und Flash, aber das hier hat mehr Substanz. Ich denke einfach, dass wir Musik erschaffen haben, die wirklich neu ist.“

Legendäre Leadsingle

Neu auf jeden Fall. Aber auch verwegen. Push The Button ist größer, mutiger und abenteuerlicher als seine Vorgänger und mit Sicherheit das zugänglichste Album in einer Diskografie, die in etwas mehr als einem Jahrzehnt beeindruckende acht Millionen Einheiten absetzen konnte. Getragen wird das Album im Alleingang auf den breiten Schultern der gewaltigen Leadsingle Galvanize, die nun wirklich alle kennen, die zu dieser Zeit nicht unter einem Stein gelebt haben.

Unsterblich gemacht wird der Song von dem ikonischen marokkanischen Chaabi-Saiten-Sample aus dem Lied Hadi Kedba Bayna von Najat Aatabou aus dem Jahr 1992, aber auch von Rapper Q-Tip (A Tribe Called Quest). Nerd-Wissen: In einem Teil des Liedes wird außerdem ein Sample aus der ersten Single des Duos, Leave Home von 1995 verwendet. Der Lohn: Platz drei in den UK-Charts. Und das schöne Gefühl, einen der wichtigsten und bekanntesten Elektro-Tracks des 21. Jahrhunderts vorgelegt zu haben.

„Wir würden uns nicht wirklich als DJs bezeichnen“

Aber es geht nicht nur um dampfende Beats und Samples. Anwar Superstar (der Bruder von Mos Def) repräsentiert die Hip-Hop-Nation auf dem kantigen, militanten Left Right – einem wirbelnden Derwisch-Track mit nahöstlichen politischen Anklängen. Am anderen Ende des kulturellen Spektrums steht Kele Okereke (Bloc Party), der in Believe mit melodiösen Klängen und obskuren Samples den Funk anfacht.

Kristalline Electronica, kauzige perkussive Ausflüge und kaleidoskopische Klangstrukturen fügen sich zu einem einstündigen Rausch zusammen, der in Sachen Innovation und Tanzzwang Höchstnoten einfahren kann. Zwei Wochen nach Veröffentlichung ist Push The Button bereits vergoldet, ein Jahr später gibt es den Grammy für das beste Dance/Electronica-Album. Und das für ein DJ-Duo, das sich nicht mal selbst so nennt: „Wir würden uns nicht wirklich als DJs bezeichnen“, sagte Tom Rowlands mal. „Wir können ja nicht mal richtig mixen.“ Das dürfte ja wohl die Untertreibung des Jahrtausends sein. Aber so sind sie eben, die Chemical Brothers: revolutionäre Neudenker der elektronischen Musik – und am liebsten gar nicht erst im Rampenlicht.

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