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Zeitsprung: Am 7.3.1985 erscheint „We Are The World“ – und spielt Millionen ein.

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 7.3.1985.

von Christof Leim

Mitte der Achtziger gehen erschreckende Meldungen aus Afrika um die Welt: Insbesondere in Äthiopien wüten unfassbare Hungersnöte, die Abertausende von Menschenleben kosten. Die Stars der Zeit reagieren auf ihre Weise – und nehmen Songs auf, die Millionen für eine gute Sache einspielen. In Europa entsteht Do They Know It’s Christmas, in den USA We Are The World. Letzteres erscheint am 7. März 1985 und wird zu einem der meistverkauften Lieder aller Zeiten.

Alles beginnt damit, dass der britische Musiker Bob Geldof 1984 eine Reportage des britischen Senders BBC über die Hungersnot in Äthiopien sieht. Geschockt von den schrecklichen Zuständen in dem afrikanischen Land nimmt er Kontakt zu Midge Ure von Ultravox auf. Gemeinsam schreiben sie den Song Do They Know It’s Christmas und nehmen ihn mit Leuten wie Sting, Phil Collins, Bono, Boy George und George Michael auf. Alle Tantiemen sollen zu Gunsten der Menschen in Äthiopien aufgewendet werden. Das Projekt „Band Aid“ spielt über acht Millionen Dollar ein. Die ganze Geschichte dazu steht hier.

Eine Woche Feinarbeit

Dieser Erfolg inspiriert Superstar Harry Belafonte dazu, ein ähnliches Projekt in den USA auf die Beine zu stellen. Also ruft er seine Kumpels Michael Jackson und Lionel Richie an und bittet sie, ebenfalls ein Lied zu komponieren. Beide sind damals schon Superstars, Jackson zum Beispiel hat mit Thriller den obersten Pop-Gipfel erklommen. Und beide sagen zu. Eine Woche lang arbeiten Jackson und Richie jeden Abend im Haus der Jackson-Familie an dem Song. Lionel Richie erinnert sich im Billboard-Magazin: „Ich sitze da also auf dem Boden in Michaels Schlafzimmer. Ich glaube, er hatte gar kein Bett, und es lagen überall Platten herum. Und während ich die ersten Zeilen schreibe, ‘There comes a time’  und so weiter, höre ich auf einmal ein sonderbares Zischen. Ich drehe mich um – und über meiner Schulter sehe ich eine Schlange! Eine Boa Constrictor oder eine gottverdammte Python! Ich komme aus Alabama, und da ruft man die Polizei oder erschießt so ein Vieh. Ich habe geschrien!“ Bei dem tierischen Besucher handelt es sich tatsächlich um eine Boa namens Muscle, Michaels geschupptes Haustier. Und das Herrchen freut sich: „Da ist er ja! Wir wussten, dass er irgendwo im Zimmer herumkriechen muss, aber wir wussten nicht wo.“ Lionel Richies Puls allerdings steht auf Vollgas: „Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich mich wieder beruhigt hatte.“

An "We Are The World" beteiligen sich die größten Stars der Achtziger

Ungeachtet dieses Aufregers sind die beiden mit voller Konzentration bei der Sache, wie die Jackson-Schwester La Toya berichtet: „Wenn ich rein kam, herrschte totale Still. Beide waren absolut in den Song vertieft. Eigentlich passte das nicht zu Michael, er war eher quirlig. Aber daran konnte ich erkennen, wie viel ihnen das Projekt auch emotional bedeutet hat.“ Zwei grundlegende Melodien für den Song kommen von Lionel Richie. Eines Abends begibt sich Michael damit alleine in sein Studio und stellt das Werk fertig. Dazu arrangiert er sämtliche Instrumente und finalisiert den Text. „Ich konnte nicht warten. Ich liebe es, schnell zu arbeiten“, kommentiert er später. Lionel Richie und Jacksons Stammproduzent Quincy Jones zeigen sich regelrecht geschockt vom Ergebnis, den keiner von ihnen hatte damit gerechnet, dass Michael das Stück bereits so klar im Kopf trug. Einmal noch treffen sich die beiden Songwriter: Am Abend des 21. Januar 1985 legen sie in zwei Stunden allerletzte Hand an die Hymne.

Wie ein Klassentreffen

Sechs Tage später, am 28. Januar, kommen in den A&M Recording Studios in Hollywood dann die größten Stars der Zeit zusammen. Die Produktion übernehmen Quincy Jones und Michael Omartian, der schon mit Dionne Warwick und Donna Summer zusammengearbeitet hatte. Jones weiß, dass ihm nur eine Nacht Zeit für die Aufnahmen bleibt und er sich nicht mit Divengehabe herumschlagen kann. Deshalb hängt er ein Schild an die Tür des Studios: „Check your ego at the door!“, auf Deutsch: „Das Ego bitte am Eingang abgeben!“. Eine klare Ansage, der die 46 Musiker und Musikerinnen gerne folgen.

Mit dabei sind neben Lionel Richie und Michael Jackson musikalische Hochkaräter wie Stevie Wonder, Tina Turner, Diana Ross, Cyndi Lauper, Bruce Springsteen, Dionne Warwick, Willie Nelson, Steve Perry, Huey Lewis, Ray Charles, Paul Simon und Bob Dylan. Größer geht es Mitte der Achtziger schlicht nicht. Um 21 Uhr abends beginnen die Aufnahmen, morgens um 8 ist alles im Kasten. Es existieren unzählige Videos von den Sessions, die zeigen, wie viel Talent sich da in einem Raum versammelte.

Mission geglückt

We Are The World wird am 7. März 1985 veröffentlicht – und zum Mega-Hit. Die ersten 800.000 Singles verkaufen sich in nur drei Tagen, der Song steigt auf Platz 21 der US-Billboard-Charts ein. Das entspricht dem bis dato zweithöchsten Charteinstieg überhaupt, übertroffen nur von Thriller. Innerhalb von vier Wochen erreicht das Stück Platz eins, doppelt so schnell wie Singles üblicherweise. Insgesamt gehen etwa 20 Millionen Exemplare über die Tresen, was We Are The World zu einem der erfolgreichsten Songs aller Zeiten macht.

Das lohnt sich: In vier Monaten spielt die Nummer über 10 Millionen Dollar ein, bereits im Juni 1985 heben die ersten Hilfsflugzeuge Richtung Sudan und Äthiopien ab. An Bord befinden sich unter anderem Lebensmittel, Medizin, Kleidung, Zelte und Decken. Noch im gleichen Monat lässt es sich Initiator Harry Belafonte nicht nehmen, die Länder selbst zu besuchen. Übrigens: Sein Projekt nannte er USA for Africa. In diesem Fall steht USA für „United Support of Artists“.

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