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Foto: James Fry / Hulton Archive / Getty Images

Cool Britannia: Wie England seinen zweiten Britpop-Sommer erlebt

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1995 erlebt Großbritannien seinen Summer of Britpop. 30 Jahre später wiederholt sich das Phänomen – und die Insel taumelt zwischen Oasis-Reunion, Pulp-Comeback, Idles-Hype und der eventuell bevorstehenden Rückkehr der Spice Girls.

Wer am vergangenen Wochenende in Großbritannien war, hat es überdeutlich gespürt: Dieser Sommer ist anders als andere. Probleme gibt es auf der Insel allerhand, politisch, wirtschaftlich, sozial. Die Auswirkungen des Brexits sind allgegenwärtig, die Stimmung bedrückt; dennoch liegt da etwas in der Luft. Etwas, das überdeutlich an die Neunziger erinnert. An diese legendäre Zeit, als sich Oasis und Blur den Battle of Britpop lieferten, die ganze Nation mitfieberte und Britpop das Land im Alleingang wieder cool machte.

Britpop beherrscht die Welt

Damals spricht man von Cool Britannia. Clubs wie Ministry of Sound treiben diese Bewegung voran, Bands wie Blur, Oasis, Pulp, The Verve oder Supergrass machen englische Gitarrenmusik so groß wie zuletzt die Beatles und Stones, und die Spice Girls setzen dem Ganzen die Krone auf. Es ist wieder cool, aus Großbritannien zu sein. Noel Gallaghers Union-Jack-Gitarre oder Geri Halliwells Union-Jack-Kleid, das sie 1997 bei den Brit Awards trägt, treiben das alles auf die Spitze. In ganz Europa trägt man Adidas und Mind The Gap-Shirts, die Fußball-Europameisterschaft 1996 mit der Hymne Three Lions tut ihr Übriges. Selbst wenn England ausgerechnet durch Deutschland aus dem Turnier geschossen wird.

John Major, der damalige britische Premierminister, schrieb im November: „Unsere Mode, unsere Musik und unsere Kultur sind der Neid unserer europäischen Nachbarn. Dieser Reichtum an Talenten, zusammen mit unserem reichen Erbe, macht Cool Britannia zu einer offensichtlichen Wahl für Besucher aus aller Welt.“ Ja gut, das ist dann vielleicht etwas zu viel an Patriotismus, aber auch Kultfilme wie Trainspotting mit seinem Britpop-Soundtrack zeigen überdeutlich, wie angesagt Großbritannien zu dieser Zeit ist.

2025 ist das neue 1995

Ein wenig wiederholt sich das im Sommer 2025. Wer die ersten beiden Oasis-Konzerte in Cardiff besucht hat, wird es gespürt haben: Euphorie und Sorglosigkeit liegen endlich wieder in der Luft, vielleicht ist das ja wieder mal ein Sommer, den man einfach genießen kann. Dafür werden die Gallaghers schon sorgen: Die nächsten Monate über werden sie britische und irische Stadien in Flammen setzen, als nächstes stehen ganze fünf Konzerte in ihrer Heimatstadt Manchester an. Dagegen wird wahrscheinlich sogar das Spektakel in Cardiff blass wirken.

Ist aber interessanterweise nicht alles: Nach langen Jahren melden sich dieses Jahr auch Pulp mit einem fantastischen neuen Album zurück, behutsam durchzogen von Nostalgie und Erinnerungen an diese magische Periode Mitte der Neunziger. Passenderweise stehen sie genau 30 Jahren nach ihrem legendären Auftritt wieder in Glastonbury auf der Bühne – als Überraschungsgast, der nichts von seiner Ausstrahlung verloren hat.

London swings again! urteilte die Vanity Fair 1997 ganz begeistert. Heute könnte man sagen: The UK rocks again! Mit Idles und Fontaines D.C. haben es zwei herausragende Indie-Bands aus England und Irland mal wieder ganz nach oben geschafft. Die einen spielen im Sommer zwei riesige Open-Airs in ihrer Heimat Brighton, die anderen haben gerade erst den Finsbury Park in London abgerissen. Ach ja, und Yungblud ehrt auf seinem Album Idols mal so eben die halbe englische Rockwelt. Oasis inklusive.

Der gute alte englische Pop? Auch alive and well, möchte man sagen. Da sind einerseits die Spice Girls, echtes Epitom von Cool Britannia, die in letzter Zeit immer wieder angedeutet haben, für ein richtiges Comeback zurückzukommen. Vielleicht ja sogar mit Victoria Beckham?

Und dann haben wir natürlich noch Robbie Williams. Unverwüstlich, so oft am Boden gewesen und doch immer wieder aufgestanden. Wie Großbritannien also vielleicht? Im Herbst veröffentlicht der sein neues Album Britpop. Nicht ganz zufällig kehrt er damit zu den Wurzeln seiner ersten Platte zurück – und die lagen bekanntlich viel eher im Britpop als im Pop. Er wird schon wissen, warum.

Klar, die Neunziger hatten mit Tony Blair irgendwie ja auch einen coolen Premierminister. Aber selbst da gibt es mit dem relativ neuen Premier Keir Starmer Parallelen. Auch er gehört der sozialdemokratischen Labour Party an. Also Fischerhüte auf, Fred-Perry-Shirt an, Union Jack auf die Wange gemalt und los: Party like it’s 1995!

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