Cypress Hill im Interview über ihr Live-Album mit Orchester: „Hip-Hop ist Frankenstein-Musik“
popkultur05.06.25
Wir durften mit Eric Bobo von Cypress Hill sprechen – und zwar über ein ganz besonderes Live-Album: Die Rap-Veteranen spielten ihr Monumentalwerk Black Sunday in einer Orchesterversion. Kein einfaches Unterfangen, aber ein unglaubliches, schwärmt Bobo.
Nach jahrelanger Planung
Von Hip-Hop-Legenden wie Cypress Hill erwartet man vieles, aber nicht unbedingt einen Auftritt mit einem Orchester. Doch genau das taten Cypress Hill letztes Jahr. Zusammen mit dem London Symphony Orchestra performten sie in der Royal Albert Hall ihr erfolgreichstes Album Black Sunday sowie einige weitere Hits. Und das gibt es nun auch auf Streaming und Tonträger zu hören sowie auf DVD/Blu-ray zu sehen.
Das klingt zwar nach einer ungewöhnlichen Idee – aber daher war es umso wichtiger, sie festzuhalten. „Allein schon die Idee, so einen Auftritt zu geben, hat in der Planung ein paar Jahre gedauert“, erzählt uns der Drummer der Band, Eric Bobo. „Wir wollten diesen Moment in unserer musikalischen Geschichte dokumentieren. Und ich finde, es ist wirklich großartig geworden. Die ganze Veranstaltung, die ganze Stimmung war unglaublich.“
Cypress Hill mit Orchester für Zuhause:
Schließlich reihen sich auf dem Album Black Sunday auch Hits an Hits: Insane In The Brain, Hits From The Bong, I Wanna Get High… Wurde ausgerechnet deswegen dieses Album als Anlass für so ein großes Konzert genommen? „Abgesehen davon, dass es unser meistverkauftes Album ist, denke ich, dass es sich musikalisch wirklich bewährt hat“, meint Bobo. „Wir spielen immer viele Black-Sunday-Songs. Aber das 30-jährige Jubiläum zu feiern, das ist eine große Sache für uns. Nicht jede Gruppe hat die Möglichkeit, Teile ihres Werks auf diese Weise hervorzuheben. Es war daher eine Gelegenheit, die wir uns wirklich nicht entgehen lassen konnten, es zu dokumentieren und es für alle sichtbar zu machen.“
Wie 1993 ein Hip-Hop-Klassiker entstand
Eric Bobo ist seit 1993 Teil der Band; er bekam also zwar nicht die Entstehung des Albums Black Sunday mit, aber schon seinen Release und Erfolgszug. Wie er durch die Erzählungen der anderen Mitglieder B-Real, Sen Dog und DJ Muggs weiß, entstand das Album recht spontan, in nur drei Monaten. Einen Hip-Hop-Klassiker erschaffen? Damit hatte man nicht gerechnet.
„Sie waren immer noch auf Tour und die Popularität des ersten Albums war so groß geworden“, erzählt Bobo. „Also sagte die Plattenfirma: ‚Wir müssen euch dazu bringen, eine weitere Platte aufzunehmen.‘ Und dieser Prozess war wiederum sehr, sehr kurz. Sie stürzten sich nicht in die Sache hinein, aber schon irgendwie. Sie wollten einfach nur eine großartige Platte machen können, aber es gab keine bestimmten Erwartungen. Es wurde nur gehofft, den Erfolg der ersten Platte erreichen zu können.“ Und diese Erwartung wurde stark übertroffen.
Bobo erinnert sich: „Die Leute fühlten sich davon angezogen, das geschah sofort. Ich erinnere mich an die Zeit, als wir unterwegs waren, bevor das Album tatsächlich herauskam. Da wussten wir nicht, wie das Feedback in den Staaten sein würde. Und als wir nach Hause kamen, sagten die Leute: ‚Es gibt eine Schlange um den Block vor diesen Plattenläden, um die Platte zu bekommen.‘ Damals gab es kein Streaming, es war also eine wirklich große Sache.“
Wie klingt die Umsetzung?
So einen Klassiker fasst man natürlich mit Vorsicht an. Aber Black Sunday: Live At The Royal Albert Hall ist eine liebevolle und spannende Neuinterpretation geworden. Die entspannten Hip-Hop-Grooves sind immer noch zu hören. Die orchestralen Arrangements heben dabei vor allem die dunklen Seiten in Songs wie I Ain’t Goin‘ Out Like That oder Illusions noch dramatischer hervor. Zwar hat man die Persönlichkeit von Cypress Hill durch ihre Weed-verliebten Texte und B-Reals quäkende Stimme oft als verspielt in Erinnerung. Aber insbesondere im Black-Sunday-Album schwingt meist eine düstere Stimmung mit – wozu ein klassisches Stück gut passt.
Bei manchen dieser „Musiker:innen spielen ihre Songs mit Orchester“-Konzerte wirkt das Orchester in vielen Songs überflüssig und rückt in den Hintergrund, da das normale Arrangement ohnehin schon recht viel Raum einnimmt. Aber hier wird dem London Symphony Orchestra viel Platz gegeben. Das funktioniert, weil die Musik von Cypress Hill vor allem auf Samples basiert, die nun aber weggelassen und in Orchesterparts umgeschrieben wurden, wie Bobo erklärt: „Wir wollten die Dinge organischer angehen. Deshalb haben wir keine Backing-Tracks verwendet. Wir haben nur bestimmte Samples, bestimmte bekannte Geräusche wie in Insane In The Brain verwendet. Das sind Dinge, die man braucht und an die man gewöhnt ist. Die haben wir behalten, aber es ging uns darum, die Songs so zu interpretieren, dass sie Sinn ergeben.“
Die Mischung daraus ist ziemlich bunt geworden, denn die Samples können ja aus allen möglichen Genres stammen. „Frankenstein-Musik“, nennt Eric Bobo den Hip-Hop daher auch liebevoll. „Es gibt Jazz, Funk, Soul, Klassik… All diese Elemente wurden im Hip-Hop verwendet, um ihn zu dem zu machen, was er ist. Es war nicht so einfach, das alles einzubauen. Aber der Spaß liegt in den Arrangements; diese Songs in ein neues Licht zu rücken und die Musikalität des Orchesters zu nutzen, um alles zur Geltung zu bringen.“ Die Einflüsse, die in Cypress Hills Musik stecken, kommen dadurch im Live-Album noch stärker zum Vorschein.
Wer am Altbekannten klammert, stagniert
Damit schaffen Cypress Hill, was viele Acts in ihrem Alter nicht mehr hinkriegen: Sie erfinden sich neu. Die Band ist sich bewusst, dass natürlich viele Fans an der Vergangenheit hängen, und Veränderung nicht immer gern gesehen ist. Selbst B-Real sagt zwischen zwei Songs: „Wenn ihr uns vor 32 Jahren gefragt hättet, ob wir mal in Anzügen und mit einem Orchester auf der Bühne stehen würden, hätten wir gesagt: ‚Fuck, no!‘“ Aber wie man auf den Videos sieht, nahm das Publikum das Konzert sehr gut auf.
Das hatten Cypress Hill gehofft, dennoch seien sie sich unsicher gewesen, meint Bobo: „Wir wussten, dass es funktionieren würde, aber wir fragten uns, wie das Publikum das wahrnehmen würde. Denn viele Hip-Hop-Purist:innen wollen die gewohnte Musik wie früher, keine anderen Instrumente oder klassischen Arrangements. Ich finde aber, dass man bei jeder Musik offen sein muss.“
Wer meckert, kann natürlich immer noch den lieben langen Tag die Originalversion von Insane In The Brain hören. Aber nur in einem Stil steckenzubleiben, macht Künstler:innen auch nicht glücklich. Und, wie Bobo meint: „So können wir die Songs auch Leuten zugänglich zu machen, die Cypress Hill vielleicht noch nie gesehen oder gehört haben. Die denken: ‚Oh mein Gott, das ist echt cool.‘ Und dann stöbern sie wieder im Katalog und entdecken die Musik von Cypress Hill.“ Gut möglich. Auf dass ihr musikalisches Erbe weiterlebt!