
Wir schreiben das Jahr 1990 – und eine Band, die wenige Jahre später für ein wahres Punkrock-Revival sorgen und in die A-Liga der Rock-Acts aufsteigen wird, veröffentlicht ihr Debütalbum. Dabei ist 39/Smooth noch nicht Green Day in der Form, wie wir sie heute kennen. Einer fehlt auf dem Album nämlich noch: Drummer Tré Cool.
Blicken wir zurück: Die beiden Freunde Billie Joe Armstrong und Mike Dirnt beschließen, inspiriert von ihren Lieblingsbands wie den Ramones oder den Buzzcocks, eine Band zu gründen. Sie nennen sich Sweet Children. Armstrong übernimmt von Anfang an Gesang und Gitarre, Dirnt zunächst die zweite Gitarre, wechselt aber bald an den Bass – nachdem der ursprüngliche Bassist Sean Hughes die Band verlassen hatte.
Der Schlagzeuger der Gruppe ist John Kiffmeyer, auch bekannt als Al Sobrante. Ihn lernen sie im legendären Club 924 Gilman Street in Berkeley, Kalifornien kennen – dem damaligen Epizentrum der Westküsten-Punkszene. Kiffmeyer bringt nicht nur Erfahrung als Drummer der Band Isocracy mit, sondern auch wertvolle Kontakte und das nötige DIY-Mindset: schnell und günstig aufnehmen, spielen, raus auf die Bühne. Ein Ethos, der die Anfänge der Band prägen soll.
„Die nächsten Beatles“
Die Band beginnt, lokale Gigs zu spielen. Einer davon findet in den Bergen von Mendocino County statt. Die Gruppe spielt ein mehr oder weniger improvisiertes Set – bei Kerzenlicht. Das Schicksal will es, dass Larry Livermore, Ex-Detroiter und Gründer des jungen Punk-Labels Lookout! Records, im Publikum ist. Der hat einen Heureka-Moment: „Sie könnten die nächsten Beatles sein. Ich wusste das irgendwie, auf irgendeiner Ebene.“
Der Label-Chef erinnert sich an die Anfänge: „Damals war nicht viel nötig, um bei Lookout! einzusteigen“, sagt Larry. „Wir waren alle Außenseiter, die niemand ernst nahm. Green Day waren damals so jung, dass die Idee, auf einer Platte zu sein, für sie nicht wirklich in Frage kam. Als ich also sagte: ‚Ich möchte mit euch eine Platte aufnehmen‘, war Billie Joes Antwort: ‚Äh, ja, okay.‘ Und das war alles. Niemand sonst war daran interessiert, Platten von ihnen zu veröffentlichen. Ich war so etwas wie der Verrückte, der dazu bereit war.“ (zitiert nach Kerrang!)
Umbenennung in Green Day und Veröffentlichung
Sweet Children benennen sich in Green Day um. Nach mehreren EPs geht es am 29. Dezember 1989 ins Art of Ears Studio in San Francisco, um am Debütalbum zu arbeiten. Die Sessions gehen schnell, man ist effizient und will Kosten sparen. Armstrong und Dirnt nehmen ihre Gesangsspuren gleichzeitig auf. Enthalten sind Songs wie Going To Pasalacqua, At The Library oder Disappearing Boy. Der Einfluss der Ramones, Buzzcocks und Clash ist spürbar.
39/Smooth erscheint am 13. April 1990. Das Label hat kein Budget für große Promotion, die Werbung läuft eher auf Mundpropaganda-Basis. Dementsprechend klein ist der kommerzielle Impact zunächst. Hört man sich die Platte – die heute natürlich längst ein Mega-Seller ist – an, erkennt man jedoch das Potenzial der Band. Das Songwriting Armstrongs: vielversprechend, noch etwas ungeschliffen. Going To Pasalacqua zeigt schon deutlich voraus, wohin die Reise gehen würde.
Insiderjoke als Albumtitel
Der Titel 39/Smooth ist eigentlich eher ein Insiderjoke. Die Band gebrauchte zu jener Zeit das Wort „smooth“ intern inflationär und wollte es im Titel verewigen. Die „39“ kam daher, dass Armstrongs älterer Bruder zu jener Zeit 39 geworden war – also ein eher absurder, spontaner Titel.
Für das Coverartwork zeichnet Jesse Michaels (Operation Ivy) verantwortlich, zu sehen ist eine Schwarz-Weiß-Aufnahme einer Frau auf einem Friedhof. Weiteres Artwork steuerte Aaron Cometbus bei, Herausgeber des Fanzines Cometbus. Sein Comic-Tintenstil soll für die visuelle Ästhetik von Green Day in den nächsten Jahren prägend werden.
Kiffmeyer geht, Tré Cool kommt
Noch im selben Jahr der Veröffentlichung steigt Kiffmeyer aus, um sich dem College und anderen Projekten zu widmen. Seinen Posten übernimmt Tré Cool, eigentlich Frank Edwin Wright III. Den kennt die Band aus dem Umfeld von Larry Livermore: Tré spielte bereits seit seinem zwölften Lebensjahr in Livermores Band The Lookouts.
Die Band ist komplett – bis heute spielt sie in dieser Besetzung. Ein Jahr später erscheint das zweite Album: Kerplunk! – und Green Day sind einen Schritt näher am Weltruhm. Ein wenig soll der allerdings noch auf sich warten lassen.