
1970 macht ihn die Ballade Your Song zum Star. In den nächsten 50 Jahren wirbelt Elton John zügellos durch Pop, Rock, Disco, Soul und Broadway-Glamour. Bestandsaufnahme eines musikalischen Chamäleons in prägenden Epochen.
Reginald Kenneth Dwight schlägt Ende der Sechziger wie ein Komet in die Musikszene ein. Es ist der Beginn einer beispiellosen, kosmischen musikalischen Reise. Elton Johns Jahre waren geprägt von einer einzigartigen Mischung aus Pop, Rock und extravaganter Bühnenpräsenz, später wilderte er zügellos in anderen Genres und arbeitet bis heute immer wieder mit jungen Stars zusammen. Los ging es alles beim Heraufdämmern eines neuen Jahrzehnts vor mehr als 50 Jahren...
Prolog: Elton und das Piano
Your Song aus seinem selbstbetitelten Album von 1970 verhalf ihm sofort zu internationalem Ruhm. Die Schlichtheit der Klaviermelodie in Kombination mit dem introspektiven Text zeigte das aufkeimende Genie von Elton John. Der Song ist einer seiner beliebtesten Songs überhaupt, begann seine Karriere aber als bescheidene B-Seite (zu Take Me To The Pilot), bevor Radiosender auf ihn aufmerksam wurden. Und danach ging dann alles ganz schnell. Your Song läutete eine goldene Ära an Hits ein, die Elton binnen weniger Jahre zum größten Popstar der Welt machten.
Aufstieg: Elton und die großen Hymnen der Siebziger
Obwohl Elton Johns Kreativität in den Siebzigern regelrecht explodierte und mit innovativen Alben wie Tumbleweed Connection, Madman Across The Water und Goodbye Yellow Brick Road ein Meisterwerk nach dem anderen produzierte, wurde nicht alles, was er anfasste, sofort zu Gold. Erstaunlicherweise war ausgerechnet sein vielleicht schönster Song Tiny Dancer anfangs sogar ein Flop. Wurde durch den Film Almost Famous natürlich alles anders, aber erstaunlich ist schon, dass diese Hymne von sechs Minuten nicht sofort ein Hit wurde: Quasi ein Gegenstück zum intimen Your Song, zeigte John hier mit Streichern, Pianos und viel Crescendo, was er drauf hat.
Ein Song, der sinnbildlich für den Aufstieg des Elton John steht, ist natürlich Rocket Man von 1972: vom bebrillten Schulkind zum Pop-Astronauten mit Weltruhm. Die Siebziger waren die Ära für die großen Hymnen, für das ganz große Besteck. Pathos und Gefühl kamen bei wenigen so gut zusammen wie bei John – und bei ihm nie wieder so gut wie in den großen Songs dieser Zeit. Noch ein wenig bombastischer und melodramatischer wurde es 1973 bei den bewegenden Melodien von Goodbye Yellow Brick Road. Ein Abschied von der Fantasie, von der Kindlichkeit, das Verlassen von Nimmerland.
1974 erschien mit Candle In The Wind dann natürlich auch noch diese eindringliche Pianoballade über Marilyn Monroe, die alle nur mit Lady Di in Verbindung bringen. Verblüffend ist hier die Reinheit und Unschuld, mit der Texter Bernie Taupin und Elton John dieser Ikone der Leinwand ein Denkmal errichteten.
Elton John im Circle Store:
Ausbruch: Elton und der Rock’n’Roll
Parallel zu seinen großen Piano-Epen der Siebziger lebte Elton John in den ersten Jahren seiner Karriere immer auch seine Vorliebe für klassischen Rock’n’Roll, für Rockabilly und Honky-Tonk aus. 1974 konnte das zum Beispiel Bennie And The Jets sein, ein feuriges Stakkato-Klavier-Epos, das ihm in den Staaten eine Nummer Eins bescherte und bis heute zündet. Oder, klar, im Jahr zuvor natürlich Saturday Night’s Alright For Fighting, ein echter stampfender Rocker, dessen Gitarrenriff locker zu den besten der Siebziger zählt. Elton konnte auch anders, wie natürlich auch Crocodile Rock (1972) beweist. Pure Rock’n’Roll-Nostalgie, die er sogar bei den Muppets präsentieren durfte.
Straucheln: Elton und die Achtziger
Viele Stars der Sechziger und Siebziger hatten in den Achtzigern schwer zu kämpfen. Neue Gesichter, neue Technik, neuer Sound – da sahen selbst die Stones teilweise nur ratlos zu, wie sich alles rasend schnell weiterentwickelte. Auch Elton John kämpfte. 1977 kündigte er an, sich vom Touren zurückzuziehen, sein Disco-Album Victim Of Love floppte 1979 ziemlich fürchterlich. Er startete also nicht unter den besten Vorzeichen in die Achtziger, berappelte sich aber 1983 mit Too Low For Zero, seinem ersten Hit nach vier eher mauen Platten. Der Song I’m Still Standing markierte dieses Comeback trotzig und selbstbewusst – ein lupenreiner Synth-Pop-Knaller, der Elton John in den Zeitgeist zurück katapultierte.
Zum Ende der Achtziger kamen dann noch Reg Strikes Back, das den unwiderstehlichen Dance-Rocker I Don’t Wanna Go On With You Like That zu bieten hat, sonst aber eher still bleibt. Unterm Strich also durchaus kein schlechtes, aber auf jeden Fall ein durchwachsenes Jahrzehnt für John, der natürlich ganz andere Erfolge gewöhnt war. Seine Zusammenarbeit mit dem Texter Gary Osborne war natürlich mal erfrischend und anders, aber vielleicht kann man doch festhalten, dass die ganz große Magie eben doch nur kommt, wenn John und Taupin zusammen zaubern.
Nüchtern: Eltons zweites Comeback in den Neunzigern
1990 checkte Elton John in eine Entzugsklinik ein. Er ließ das Kokain und den Alkohol hinter sich und stand vor der erneuten Herausforderung, ein Comeback meistern zu müssen. Sein Album The One von 1992 war das erste, das er komplett nüchtern aufgenommen hat. „Ich war es gewohnt, Platten unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen zu machen, und hier war ich zu 100 Prozent nüchtern, das war hart“, erinnerte er sich mal. „Aber ich habe es geschafft, einen guten Song zu schreiben, und das war der Titel der Platte.“
Der Elton John der Neunziger ist ruhiger, geläutert durch seinen Entzug und die vielen schlimmen Dinge, die er auf Drogen getan hat. Eltons Mitwirkung am Disney-Film Der König der Löwen bescherte uns 1994 dann den zeitlos schönen Klassiker Can You Feel The Love Tonight. Elton John und Disney, das wäre auf Kokain ganz bestimmt nicht gut gegangen. Für den Song bekamen er und Texter Tim Rice sogar den Oscar, das zweite Comeback war spätestens jetzt perfekt. Dann ließ er seinen wiedergefunden Freund und Kollegen Taupin noch den Text von Candle In The Wind umtexten, um ihn auf dem Begräbnis von Lady Di zu spielen – und hatte auf einmal die erfolgreichste Single aller Zeiten auf dem Konto.
Bühnenreif: Der Weg ins neue Jahrtausend
Mehr und mehr zeigte Elton John Interesse an den großen Theater- und Musicalbühnen. Und mal ehrlich: Das passt ja auch perfekt! Nach dem riesigen Erfolg des Musicals zu Der König der Löwen komponierte er die Musik für die Musical-Fassung von Billie Elliot. Nur seine und Taupins Produktion des Vampir-Stoffes Lestat für die Bühne floppte. Man kann eben nicht alles haben.
Bis heute ist Elton John am Ball, schreibt neue Musik und kollaboriert mit einer Fülle an Künstler:innen. Das Kollabo-Album The Lockdown Sessions entsteht mit Eddie Vedder, Miley Cyrus, Dua Lipa, Stevie Wonder oder Stevie Nicks, er arbeitet mit Metallica und Ed Sheeran. Und jetzt? Steht bereits das nächste Album in den Startlöchern: Who Believes In Angels? mit Brandi Carlile erscheint am 4. April 2025.