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Foto: Clara Orozco

Primavera Sound 2025: Das waren die besten Live-Momente des Festivals

Das Primavera Sound Festival in Barcelona hat sich schon lange als das europäische Festival mit einem der spannendsten Bookings etabliert. In der diesjährigen Ausgabe zeigte das Line-up, dass Diversität nicht einfach ein Buzzword ist, sondern Programm. Mit drei weiblichen Pop-Ikonen als Headliner, die man auch als das legendäre „Powerpuff-Girls“-Line-up bezeichnet, wurde das Festival Anfang Juni zum Hotspot für alle Girls, Gays und Theys. Aber auch zwischen großen Popmomenten hatte das Festival so einiges zu bieten. Wir haben für euch die besten Performances des Primavera Sound 2025 gesammelt.

Charli xcx & Troye Sivan present SWEAT

Nach dem Abschluss der SWEAT-Tour von Charli xcx und Troye Sivan im vergangenen Herbst hätte man fast schon gedacht, dem europäischen Kontinent würde diese Show komplett entgehen. Am 05. Juni werden die Besucher:innen des Primavera Sound Festival in Barcelona dann aber doch zu den Zeug:innen der ersten SWEAT-Show in Europa. Charli und Troye bringen zwei Stunden Ekstase auf die Mainstage und tun dabei, was sie gemeinsam eben am besten können: eine verdammt gute Party feiern. Charli xcx, die wie ein Energiebündel über die Bühne fegt, und Troye Sivan, der sich genauso hot wie sympathisch präsentiert, verwandeln das Gelände in einen Dancefloor. Ob 1999, Rush oder Talk Talk, alles ist ein einziger Rausch aus Bass, Schweiß und Neonlicht. Als Kirsche obendrauf präsentiert Charli auch noch Chappell Roan als neues Apple-Girl und Troye Sivan feiert seinen 30. Geburtstag mit den Gäst:innen des Primavera Sound. Eine Popshow in reinster Perfektion.

FKA Twigs

Die Künstlerin präsentiert eine Show, die eher an Performance Art erinnert als an ein klassisches Konzert. In drei klar abgesteckten Akten mit verschiedenen Looks, Lichtstimmungen und Tanzstilen, darunter unter anderem Pole- und Chairdance, nimmt sie das Publikum mit auf eine Reise durch ihr düster-glamouröses Universum. Der Sound ist leider stellenweise schwach abgemischt, aber visuell ist alles schlicht atemberaubend. Twigs bleibt eine Ausnahmeerscheinung – roh, sensibel und unerreichbar cool.

Chappell Roan

Schon beim ersten Schritt auf die Bühne ist klar: Die Midwest Princess steht nicht umsonst als dritter Headliner auf dem Line-up. Inmitten eines riesigen Schloss-Sets liefert Chappell Roan eine Popshow par excellence für die wohl größte Crowd des Festivals. Mit ihrer All-Girls-Band, Humor und Bühnenpräsenz feiert sie sich und ihr Publikum. Bei Hot To Go! tanzt das gesamte Feld, bei Pink Pony Club schwebt eine gewisse Magie in der Luft. Von einer großen Pop-Produktion erwartet man ohnehin viel, aber die Künstlerin liefert an diesem Abend noch mehr. Was Chappell Roan live bietet, ist schlicht überwältigend, und lässt gleichzeitig die Stellung der Pop-Queen des vergangenen Jahres beinahe vergessen. Denn trotz aller opulenten Bilder wirkt sie auf der Bühne nie unnahbar, sondern eher wie eine alte Freundin, die für eine Stunde die größte Party der Stadt schmeißt.

Idles

Dass Punk auf einem Pop-durchtränkten Festival wirkt wie ein Weckruf, beweisen Idles eindrucksvoll. Da hätte man fast denken können, dass die Post-Punker im Powerpop-Line-up untergehen würden – die Band überzeugt vom Gegenteil. Mit roher Energie, schweißtreibenden Riffs und klarer Haltung, inklusive mehrfacher „Viva Palestina“-Rufe, bringen sie eine Dringlichkeit auf die Bühne, die man nicht ignorieren kann. Das Publikum? Völlig entfesselt und genauso in Stimmung für Moshpits und Walls Of Death wie bei einem eingefleischten Punk-Festival. Idles beweisen: Wut ist universell.

Haim

Nach einer langjährigen Pause dürfen wir die Haim-Schwestern endlich mit neuer Musik auf der Bühne begrüßen. Diese bringen sie samt geladener Energie auf das Primavera Sound 2025. Ihr LED-Sign, das verschiedene „I quit“-Botschaften überliefert, wird zum interaktiven Showpartner, mit dem Haim ihre humorvolle Seite ans Publikum bringen. Mit einer Handvoll alter wie neuer Songs und breitem Grinsen auf den Lippen ziehen die drei Musikerinnen eine riesige Crowd an. Ihr Set ist on point, ihre Energie mitreißend und ihre Interaktion mit dem Publikum charmant. Ein einziger, warmer Pop-Umarmungs-Moment.

Fontaines D.C.

Es kann nicht anders gesagt werden: Das Wochenende des Primavera Sound ist für viele eine Zeit des Eskapismus aus den momentanen Missständen. Während absolut nichts gegen eine richtig gute Pop-Party spricht, vor allem wenn das Line-up voller female Icons ist, bringen Fontaines D.C. einen Raum für Reflexion. Zwischen düsteren Klangwelten und stoischer Coolness öffnen sie eine politische Dimension, die auf einem Festival dieser Größenordnung selten Platz findet. Wie immer bei ihren Liveshows sagen sie mit wenigen Worten sehr viel. Das energiegeladene Publikum erwartet eine Setlist aus Songs ihrer Romance-Ära gemischt mit älteren Tracks wie Skinty Fia oder Boys In The Better Land. Dabei hängt eine Palästina-Flagge im Hintergrund und neben der Aufforderung von „Free Palestine“ erscheint auch auf den Bildschirmen die Nachricht „Israel is committing genocide, use your voice.“ Ein Set, das nachhallt.

LCD Soundsystem

James Murphy betritt die Bühne, schlicht gekleidet im weißen T-Shirt und hellen Hosen, als hätte er sich gerade erst aus dem Proberaum auf den Festivalground verirrt. Um ihn herum die Band, locker arrangiert, mit unzähligen Instrumenten, fast wie bei einem Tiny Desk Concert, nur dass hier Zehntausende zuschauen. Kein überbordendes Licht, keine dramatischen Effekte, keine übertriebene Inszenierung. LCD Soundsystem beweisen, dass weniger manchmal mehr ist: Jeder Beat sitzt, jeder Song rollt sich mit hypnotischer Energie über die Menge aus. Es fühlt sich an wie ein gemeinsames Schweben durch den warmen Sommerabend, getragen von Murphys charakteristischer Mischung aus Melancholie und Tanzbarkeit. Kein einziger Track ist ein Lückenfüller und der Abschluss des Sets mit All My Friends schlicht genial.

Sabrina Carpenter

Als weiteres „Powerpuff-Girl“ im Bunde liefert Sabrina Carpenter eine Popshow, die perfekt getimt und bis ins Detail durchinszeniert ist – und dabei trotzdem überraschend nahbar bleibt. Trotz technischer Startschwierigkeiten (aus den hinteren Reihen ist ihr Mikrofon zeitweise kaum zu hören) holt Sabrina mit ihrem bekannten Charme, ihrer Spielfreude und dieser mühelosen Leichtigkeit das Publikum sofort ab. Zwischen humorvollen Einspielern, ausgefeilten Choreografien und der Livepremiere ihres neuen Songs Manchild schafft sie es, die große Popmaschinerie menschlich wirken zu lassen. Alles ist perfekt abgestimmt und trotzdem wirkt es nie distanziert. Stattdessen entsteht das Gefühl, Sabrina würde direkt vor einem stehen, als sei diese riesige Show ganz persönlich nur für jeden Einzelnen gespielt. Inmitten des perfekt getakteten Spektakels blitzt immer wieder diese persönliche Note auf, die Sabrina Carpenter zu einer der aktuell spannendsten Popfiguren macht.

Wolf Alice

Erst wenige Wochen vor Festivalbeginn ins Line-up gerutscht, springen Wolf Alice kurzfristig für Kollegin Clairo ein – und machen den Slot kurzerhand zu ihrem eigenen Triumphzug. Nach der Indie-Hymne Bros greift Sängerin Ellie Rowsell plötzlich zum Megaphon und kippt die Stimmung innerhalb von Sekunden: Das ohnehin schon wütende Intro zu Yuk Foo wird dadurch noch schmutziger, noch direkter, noch cooler. Laut, roh, ungeschliffen – genau so, wie man Wolf Alice kennt und liebt. Coolness ohne Attitüde, Energie ohne jede Pose. Neben der neuen Single Bloom Baby Bloom dürfen natürlich auch Fanlieblinge wie Don’t Delete The Kisses nicht fehlen.

Primavera 2025 – mehr Girlies, mehr Haltung, mehr Zukunft

Selten zuvor war das Primavera Sound in Barcelona so stark von weiblichen und queeren Acts geprägt wie in diesem Jahr. Und genau das macht es so relevant: Hier wird Pop nicht nur gefeiert, sondern weitergedacht. Die weiblichen und queeren Pop-Ikonen inspirieren nicht nur die Branche, sondern auch das Publikum des Festivals. Wo man noch im vergangenen Jahr vergeblich nach FLINTA*-Repräsentation suchen musste, scheint das Primavera Sound als Tastemaker zumindest schon mal den richtigen Ton anzugeben. Zwischen großen Shows, persönlichen Momenten und politischen Ansagen zeigt sich: Pop kann alles sein, und das ist seine größte Stärke.

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