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Foto: Shervin Laine

Review: Die Supergroup L.S. Dunes beweist auf „Violet“ Feingefühl

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Die Post-Hardcore-Supergroup L.S. Dunes klingt auf ihrem neuen Album Violet nachdenklicher. Viele Songs sind langsamer als auf dem Debüt – und trotzdem hat die Band auf dem Weg zu diesem zweiten Album nichts von ihrer Dringlichkeit verloren. 

In stürmischen Zeiten entstanden

Als sich L.S. Dunes zusammengetan haben, herrschte eine Zeit, die die Welt in ihren Grundfesten verändert hat: Als die Pandemie für internationalen Stillstand sorgte, fanden sich die etablierten Emo- und Hardcore-Musiker Anthony Green (Saosin und Circa Survive), Frank Iero (My Chemical Romance), Tim Payne und Tucker Rule (Thursday) und Travis Stever (Coheed And Cambria) als Supergroup zusammen und kreierten ihr chaotisches, treibendes Debüt  Past Lives  (2022). Dass es nun schon ein zweites Album gibt, ist überraschend – war L.S. Dunes doch eigentlich gar nicht darauf ausgelegt, eine richtige Band zu werden. Doch in der Zusammenkunft scheint sich etwas zu offenbaren, das in den anderen Bandprojekten sonst verhüllt bleibt. So ist auch das neue Album Violet ein wunderbarer Knotenpunkt zwischen den verschiedenen stilistischen Kniffen, von dem allerdings auch neue verwunschene Wege und Abzweigungen führen.

Violet im Circle Store:

Es ist ein ausgewogenes Album: Als hätte man jedes Mitglied ganz sorgfältig auf eine Waagschale gelegt, die Ideen, Melodien und Riffs dazu platziert und wäre bei einem perfekten Gleichgewicht herausgekommen – angenommen, die Waage wäre bereits auf Melancholie geeicht. Ob Gitarrenläufe, Drums, Gesang oder Shouting-Parts: Auf  Violet  tritt jedes Element ins Scheinwerferlicht, ohne dass das Album überbelichtet wird. Über zehn Titel wird ein intimes Seelenleben ausgebreitet, das vor allem von Zweifeln und Sorgen dominiert wird, allerdings überall nach einem Hoffnungsschimmer sucht. 

Kreativität und Vertrauen

Dabei scheint der musikalische Prozess für L.S. Dunes viel weniger von Zweifeln geprägt zu sein. In Interviews beschreiben die Tausendsassas, dass ihr größtes Problem die Terminfindung sei. Musik zu machen, das sei der leichteste Part, so Frank Iero im Gespräch mit Kerrang! . Denn trotz eines erfolgreichen Debüts erreichte die Band bislang nicht den kommerziellen, breiten Erfolg wie zum Beispiel My Chemical Romance. Und genau darin liegen neuer, kreativer Mut und Vertrauen. „Violet ist eine akustische Reise in die Tiefen jedes einzelnen Bandmitglieds von L.S. Dunes“erklärt Travis Stever (Gitarre) im Pressetext, „[...] Es ist das Album, das schon immer in uns allen gelebt hat, aber nur gemeinsam entstehen konnte. Es enthält Melodien, die ich seit meiner Kindheit in mir trage. Nur mit dieser Band konnte ich einen Ort finden, an dem sie in den Songs ein Zuhause finden konnten.“

Nachdem das Album von dem fast ruhigen Titel Like Magickeröffnet wird, beginnt der zweite Track Fatal Deluxe, mit einem kräftigen, melodiösen Gitarrenriff. Dabei sind die Zwischenspiele besonders stark und kraftvoll und mit Shoutparts gefüllt, während der Chorus einen Schritt zurückgeht und mit fast verspielten Backingvocals für einen richtigen Ohrwurm sorgt. Es ist genau dieser Kontrast und das unkonventionelle Arrangement, das mit Hörgewohnheiten bricht und die Songs auf Violet auszeichnet.

Da ist zum Beispiel der Titelsong, Nummer vier des Albums. Ein Titel, der etwas stärker auf dem Emo-Spektrum der Band zu verorten ist und vor allem durch das Zusammenspiel der beiden Gitarren hervorsticht. Und während die in schnellen 16tel-Läufen spielen, gleiten Gesang und Drums in langsameren Viertelnoten voran. Im Verlauf des Songs nehmen die Gitarren immer wieder für wenige Takte das Tempo heraus, passen sich an und es formt sich eine Einheit, die dann wieder von neuen Riffs durchbrochen wird. Im Song arbeitet sich Green daran ab, geghostet zu werden und klagt sich den Frust von der Seele.

Und auch wenn das Spiel mit den Kontrasten zunächst von der stimmlichen Bandbreite Anthony Greens dominiert wird, so lässt sich ein ständiges Aufeinander-eingehen und Einander-Raum-geben auch in den Instrumentals erkennen. Gibt es ein zarteres Gitarrenriff, fahren die Drums mit einer Bass-Drum-lastigen starken Betonung auf; scheppern die Gitarren besonders laut, erklingen vom Schlagzeug eher feinere Hihats und Becken. 

Auch die Hardcore-lastigen Songs wie You Deserve To Be Haunted und Holograms legen dieses dynamische Feingefühl an den Tag. In Letzterem wird die besondere Kraft des Hintergrundgesangs zusätzlich verdeutlicht: Anthony Green verfällt durch seine kontrastreiche Brust-, Kopf- und natürlich Shoutstimme immer wieder in Momente des Call-And-Response. Dabei überblenden die einzelnen Timbres allerdings immer wieder, fallen sich ins Wort oder kommen aus dem Hintergrund und kämpfen sich nach Vorne.

Hoffnungsvolle Töne

Viele der Songs wirken daher wie Zwiegespräche mit sich selbst und illustrieren eine Gedankenwelt, die von Zweifel und offenen Identitätsfragen angeführt werden. Allgemein versuchen viele Titel dennoch eine positive Wendung zu finden. Violet spricht von Vergebung. In Machines heißt es beispielsweise „The right direction, right direction, I live here“. In einem Interview mit Alt Press hatte Green die Texte des ersten Albums als besonders düster beschrieben: „Mir war nicht klar, wie nachlässig manche dieser Verwünschungen waren, die ich in den Lyrics auf mich selbst abfeuerte. [...] Das zweite Album habe ich als eine Möglichkeit gesehen, den Schaden, den ich damit meinen Gedanken zugefügt habe, wieder auszugleichen.“ War Past Livesauf ganzer Linie noch das Ventil für die chaotische Energie seiner Zeit, so ist Violets nun eine fast durchkomponierte und wohlüberlegte Weiterführung. 

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