Review: „Mixes Of A Lost World“ trägt uns noch tiefer in das große Requiem von The Cure
popkultur13.06.25
Songs Of A Lost World war eine der ganz großen Überraschungen des Musikjahres 2024. Jetzt lädt uns Robert Smith noch tiefer in die Katakomben und Mausoleen unter diesen Trauerliedern ein – mit dem ausladenden Remix-Kunstwerk Mixes Of A Lost World. Spoiler: Die Scheuklappen sollte man zuhause lassen.
Die Geschichte der Remixalben ist voller Irrungen und Wirrungen. Nicht selten lassen sie Fans der Band stirnrunzelnd und irritiert zurück, manchmal entsteht durch die Fremdinterpretation aber auch ein Momentum, das ein Eigenleben entwickelt. Fans von The Cure wissen das: Robert Smith ist seit Urzeiten ein großer Freund von Remixen, in der Vergangenheit erschienen bereits zwei Platten mit neuen, längeren oder sehr elektronischen Remixen seiner Hits. Noch nie aber überließ er ein ganzes Album der Welt da draußen und schaute zu, wie andere seine Songs zerlegten und neu zusammensetzten.
Lieder gegen die Vergänglichkeit
Mit Mixes Of A Lost World ist jetzt aber genau ein solches Projekt erschienen. Und irgendwie passt es gut in die aktuelle Ära, in diese Zeit des Abschiednehmens und Loslassens, in der sich Smith derzeit befindet. Songs Of A Lost World ist ein Abgesang auf das Leben, eine Auseinandersetzung mit dem Ende, dem Tod oder noch schlimmer: dem Älterwerden. Robert Smith singt gegen die Vergänglichkeit an, vergeblich zwar, aber er tut es dennoch. Das aber eben nicht als alter Goth-Grantler, abgewandt von der Welt und eingehüllt in Patchouliduft. Sondern als ein Sterblicher, der sich der Welt anvertraut und seinen Kummer teilt. Da erscheint es nur folgerichtig, dass er auch seine Musik teilt.
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Abstieg in die Unterwelt der Tanzmusik
„Kurz nach Weihnachten erhielt ich ein paar unaufgeforderte Remixe von Songs aus Songs Of A Lost World, die mir sehr gut gefallen haben. The Cure hat eine bunte Geschichte mit allen Arten von Dance-Musik, und ich war neugierig, wie das gesamte Album klingen würde, wenn es von anderen komplett neu interpretiert würde“, so Smith über den Startschuss zu einem der ungewöhnlichsten Remixalben aller Zeiten. Denn während beispielsweise die erfolgreichen Remix-Werke zu Depeche Mode überwiegend poppig und massentauglich daherkommen, ist Mixes Of A Lost World ein anderes Wesen.
Das zweieinhalbstündige Werk schafft es irgendwie, die verlorenen Worte von Songs Of A Lost World, die Worte und Töne zwischen den Zeilen, zu betonen und in anderem Licht darzustellen. Wobei: Wirklich viel Licht gibt es auch auf diesem Remix-Kompendium nicht. Vielmehr ist es ein labyrinthiner Abstieg in die Unterwelt der Tanzmusik, ein Trip hinter die Bühne, ein Weg durch den Spiegel. Bemerkenswert an allen Beteiligten ist, dass sie die Songs wirklich durchlebt haben, bevor sie sie in Einzelteile zerschlagen und dann wieder zusammengesetzt haben. Mal als Fragment, mal nur in einer Gesangslinie dem original verwandt, mal relativ nah, mal vollkommen abstrakt. Ein Abenteuer, eine Reise ins Ungewisse.
Mogwai und Deftones brillieren
Besonders hervorzuheben sind sicher diejenigen, in denen die vertraute Vorahnung an die Oberfläche kriecht. Paul Oakenfolds Cinematic-Remix von I Can Never Say Goodbye etwa, aber auch der Orbital-Remix von Endsong. Allein musikalisch näher dran sind natürlich The Twilight Sad, die A Fragile Thing irgendwo zwischen schepperndem Post-Punk und EBM platzieren. Noch mal Endsong, vielleicht sogar noch stärker: Mogwai verwandeln das Epos in einem Sturm, düster, unerbittlich, voller Spannung.
Gibt es ein Highlight unter den 24 Stücken? Wahrscheinlich schon, genauso wie es den einen oder anderen etwas schwächeren Beitrag gibt. Während wir die hier aber mal bewusst außen vor lassen, weil die Fülle des Materials das locker auffängt und der Erlös dieses Albums zudem einem guten Zweck zugutekommt, konzentrieren wir uns auf den Champion des Ganzen: Chino Moreno von den Deftones und sein episches, transzendierendes Monument, das er Warsong errichtet hat. Seine Komposition lässt den Track einerseits viel düsterer wirken, andererseits betont er mit seiner zusätzlichen Rhythmik die bedeutungsvolle Dringlichkeit hinter dem Track – gerade in Zeiten wie diesen. Die unterschwelligen Qualen des Originals treten hier zumindest noch stärker hervor.
Die 24 neuen Versionen bieten völlig neue Einblicke in eines der stärksten Werke von The Cure. Nicht, dass es Songs Of A Lost World gebraucht hätte. Aber allein, um noch ein wenig länger in dieser bittersüßen Welt verweilen zu können, war es das alles wert.