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Foto: James Marcus Haney

Review: Mumford & Sons geben uns mit „Rushmere“ das Album, das wir alle wollten

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Ihr erstes Album seit sieben Jahren ist ein Geschenk: Mit Rushmere kehren Mumford & Sons in den Schoß ihrer bittersüßen Folk-Tage zurück. Das ist Labsal in düsteren Zeiten.

Irgendwann findet man immer den Weg zurück zur Quelle. Zum Ort, an dem alles begann. Bei Mumford & Sons hat das lang gedauert. Mit ihren letzten Platten wandelten sich die Londoner Stück für Stück von einer Indie-Folk-Band mit starkem Banjo-Einsatz zu einer hymnischen Stadionrockband mit elektronischen Elementen. Das stand ihnen gut zu Gesicht, gar keine Frage, es war aber eben ziemlich weit entfernt von ihren Ursprüngen. Zu diesen bewegen sie sich mit ihrem ersten Album seit sieben Jahren zurück: Rushmere wirkt wie das Durchblättern eines alten Fotoalbums – mit bittersüßen, wunderschönen, prägenden Erinnerungen auf jeder vergilbten Seite.

Ein Banjo erobert die Welt

Als Marcus Mumford 2007 seine Band zusammenstellt, will niemand etwas von Bluegrass, Americana oder Folk wissen. Zumindest in der Welt der Indiemusik. Dann packen sie ihre Banjos, Mandolinen und Resonatorgitarren aus, hüpfen in Flanellhemden, geben sich einen Namen wie aus einem Lucky-Luke-Comic… und erobern erst West London, dann die ganze Hauptstadt, dann Großbritannien und mit dem Stomp-And-Clap-Rock ihres Debüts Sigh No More ab 2010 auch ganz schnell den Rest der Welt.

Rushmere für Zuhause:

Sie surfen die Welle des Bluegrass-Revivals, wenden sich aber irgendwann davon ab, um neue Wege zu gehen. Doch all diese Wege, die führen einen eben irgendwann zurück an den Ursprung. Im Falle von Mumford & Sons ist das West London, und in diesem besonderen Fall die Wiesen Wimbledons. Rushmere ist nach einem Teich benannt, an dem die Band geboren wurde. Vielleicht nicht ganz zufällig gibt es dort auch einen Pub gleichen Namens.

Oden an Wahrheit und Lüge

Es ist das erste Album ohne Banjoist und Leadgitarrist Winston Marshall, das erste seit Corona, das erste seit Marcus Mumfords Soloalbum. Und doch heißt es uns mit vertrauten Klängen willkommen. Dezente, heimelige Folk-Instrumentierung mit sanftem, langsam anschwellenden, fast schon monastischem Gesang. Es sind Songs, in die man sich reinlegen kann, virtuos konzipierte Oden an die Wahrheit und die Lüge.

Entstanden in Nashville, Tennessee, Savannah, Georgia, und in Mumfords Studio im englischen Devon, zeigt es eine Band, die nach Jahren in der Weite nach Hause zurückkehrt. Und diese Musik 15 Jahre später natürlich ganz anders spielt. Gereifter, geläuterter, sanfter, zufriedener. Der Opener Malibu beginnt so zaghaft und zurückhaltend, dass man Marcus Mumford mit seiner Klampfe förmlich neben sich stehen sieht. Dann öffnet sich der Song, wird groß, episch, mit Klavier und diesem typisch klimpernden Banjo. So wurde die Band groß. So klingt sie bis heute am besten. „Malibu war der erste Song, den wir schrieben, als wir im Januar 2023 in Los Angeles wieder zusammenkamen“, so Marcus Mumford. „Der Song fühlte sich einfach nach uns an, und die Aufnahme hat ihn auf eine Art und Weise eingefangen, die uns das Gefühl gab, dass er Rushmere eröffnen musste.“ Nicht viele trauen sich einen derart ruhigen Einstieg.

Ein Bad in Nostalgie

Es ist ein nostalgisches Album, aber kein rückwärtsgewandtes. Es erinnert sich an die jungen Menschen, die mit einem Drink an einem Teich abhingen und von der Zukunft träumten. Deswegen ist der Titeltrack vielleicht auch der stärkste Moment eines starken Albums: Weil jede:r von uns das kennt, dieses Zurückschauen auf eine vermeintlich einfachere Zeit.

Mit seinen zehn Songs und knappen 35 Minuten fühlt sich Rushmere kurz, aber nicht unvollständig an. Ein Album, das als innig empfundene Wurzelkunde ebenso taugt wie als wundervolles Geschenk an all die Fans, die die Band auf ihren Schultern tragen.

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