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Foto: Adam Powell

Water From Your Eyes im Interview: Lieblingsdinos, Kunst und der Weltuntergang

Das Art-Rock-Duo Water From Your Eyes besingt auf dem neuen Album It’s Beautiful Place die Schönheit der Welt – trotz ihres drohenden Untergangs. Bei all dem Unmut haben sich die beiden im Interview aber als verdammt lustig bewiesen.

Hört euch hier Water From Your Eyes an:

Kunst und Konzept

In der Insta-Bio heißt es nur: „Nate Amos macht Musik und Rachel Brown singt.“ Dabei gäbe es noch viel mehr Möglichkeiten, das zu beschreiben, was Water From Your Eyes machen. Grob unter Begriffe wie Art Rock oder Noise Pop zu fassen, erschafft das Duo in seinen Songs kleine Welten – zwar nicht immer einfach zugängliche, aber in jedem Fall bunte, mit jeder Menge verzweigter Abwege.

Hauptsache nicht in zu offensichtliche musikalische Muster fallen, so sieht Nate Amos es: „Es geht mehr um die Konzepte. Denn wenn man Musik macht, die von Musik inspiriert ist, dann ist das Ergebnis immer noch gut. Aber es ist sicherlich nicht so interessant wie wenn man Musik macht, die versucht, sich von anderen Dingen inspirieren zu lassen.“ Aber von was denn?

Water From Your Eyes haben schon öfters angegeben, sich beispielsweise von bildender Kunst inspirieren zu lassen. Wenn man diese in Musik umsetzt, sollte es aber trotzdem immer noch musikalisch befriedigend sein und nicht nur reinen künstlerischen Mehrwert haben. Amos erklärt: „Der Prozess besteht normalerweise darin, so viele Dinge wie möglich ohne das musikalische Ergebnis im Hinterkopf zu machen. Und dann entscheiden wir im Nachhinein, was musikalisch funktioniert und was nicht. Eine Menge Dinge, bei denen man Sounds auf der Grundlage visueller Kunst oder so weiter macht, funktionieren am Ende nicht, außerhalb des Kontexts der visuellen Inspiration. Und bestimmte Dinge entstehen durch diesen Prozess und stehen dann musikalisch für sich – und mit denen geht man dann mit. Aber bei Water From Your Eyes besteht ein Teil meines Ziels bei der Entwicklung der Musik darin, so wenig wie möglich über die musikalischen Aspekte nachzudenken.“

Die Dystopie unserer Realität

Auf dem neuen Album It’s A Beautiful Place haben sie sich einem bestimmten thematischen Konzept verschrieben, das die Musik inspirierte: eine Beobachtung unserer Welt – laut dem Pressestatement geht’s um „Zeit, Dinosaurier und das Weltall“. Inspiration dafür kam unter anderem aus Science-Fiction-Literatur, erzählt Rachel Brown: „Science-Fiction setzt sich mit vielen Dingen auseinander, mit denen wir uns derzeit in der Gesellschaft befassen: damit, wie die Gesellschaft strukturiert ist, und mit der Frage, wie die Menschheit mit bestimmten Situationen umgehen würde. Und wir haben einen Punkt erreicht, an dem sich herausstellt, dass wir damit genauso schlecht umgehen, wie viele Autor:innen dachten. Wir haben als Gesellschaft viele wirklich fragwürdige Entscheidungen getroffen, die sich dystopisch anfühlen.“

Brown spricht weiter über die Auswirkungen der Klimakrise, über das Livestreamen von Genoziden, über Machthaber:innen, die wie Bösewichte aus diesen dystopischen Romanen wirken – alles Dinge, die offensichtlich falsch laufen. Aber viele Menschen verschließen die Augen davor. Bei so einer gelebten Dystopie klingt der Albumtitel It’s A Beautiful Place ziemlich sarkastisch. Das ist aber tatsächlich ernst gemeint. Das Album soll nicht pessimistisch sein, erklären die beiden, denn die Welt und menschliche Verbindungen sind trotzdem schön.

Verschwörungstheorien über das Monster von Loch Ness

Sozialkritische Themen und dann auch noch hochgestochene Art-Rock-Ansprüche, ach wie schlau und trocken! Aber eine prätentiöse Wirkung durchkreuzen Nate Amos und Rachel Brown zum Glück dadurch, dass sie sich nicht zu ernst nehmen. Genauer gesagt, sie sind verdammt lustig und schaukeln sich darin nur noch gegenseitig hoch; das kommt im Gespräch mit ihnen sofort herüber.

So muss etwa aufgrund des „Zeit, Dinosaurier und Weltall“-Statements natürlich die Frage gestellt werden, welches ihr Lieblingsdino sei, und Amos antwortet: „Als Kind mochte ich den Brontosaurus am liebsten, aber dann stellte sich heraus, dass der Brontosaurus gar kein echter Dinosaurier war. Es handelte sich tatsächlich um zwei verschiedene Dinosaurier, die sie am gleichen Ort gefunden hatten. Das hat mich wirklich erschüttert. Das war sozusagen mein 9/11!“

Nach einem ausgiebigen Lachanfall meint Internet-Shitposting-Talent Rachel Brown wiederum: „Ich mag die Meeressaurier. So ein Loch-Ness-Monster-Vibe.“ Amos weiß direkt, auf was Brown hinauswill und erklärt: „Der Plesiosaurus! Eine Theorie besagt, dass das Monster von Loch Ness einfach ein Überbleibsel davon ist. Es war so tief unter Wasser, dass es den Asteroiden überlebte.“ Klingt plausibel.

Dieser Humor ist auch in der Musik von Water From Your Eyes erkennbar: plötzliche Taktwechsel, absurde Kontraste und wilde Stilmischungen. Humor in Musik einfließen zu lassen, hat ihm die Band Ween beigebracht, erzählt Amos – ein interessanter Fall, denn Ween wird oberflächlich oft als Comedy-Band betrachtet, dabei benutzen sie Humor lediglich als Stilmittel. Gibt es da Parallelen zu Water From Your Eyes? „Für jeden Ween-Song, der auch nur ein bisschen witzig ist, gibt es einen, der verdammt tragisch ist“, erklärt Amos. „Sie haben eine Art, diese Dinge auszubalancieren, die die menschliche Verfassung besser widerspiegelt als viele großartige Bands, die einfach so ernst sind, dass sie es sich nicht erlauben können, die hellere Seite der Dinge zu sehen. Die stilistische Furchtlosigkeit von Ween, wenn die einen erst einmal trifft, kann sie einen nicht wieder loslassen.“

„Mit diesem Album haben wir Crack hergestellt“

Zu stilistischer Vielfalt kann man Water From Your Eyes auch applaudieren. Gerade auf It’s A Beautiful Place hört man mal Post-Punk, mal Math-Rock, mal Synth-Pop. „Dieses Album ist unser kürzestes Album, aber es enthält mehr Ideen als unsere vorherigen drei Alben zusammen“, meint Amos. Gerade, wenn man es mit früheren Alben des Duos vergleicht, merkt man, dass die Musik immer hyperaktiver und hektischer wurde.

Amos zieht einen spannenden Vergleich: „Das ist eine Sache der Dichte, die meiner Meinung nach oft bei Bands passiert, die sich dem Experimentieren verschreiben: Man braucht eine immer stärkere Droge, um das gleiche High zu verspüren, und man entschlackt, woran man gerade arbeitet. Mit diesem Album haben wir einfach Crack hergestellt. Es ist sehr auf das reduziert, was es ist.“ Brown erwidert belustigt: „Denkst du, dass Crack die destillierteste Form ist? Was haben wir dann letztes Mal gemacht? Adderall?“

Was macht ein gutes Duo aus?

Meinungsverschiedenheiten haben Amos und Brown aber selten. Die Arbeitsteilung ist tatsächlich so klar wie in der eingangs erwähnten Bio beschrieben: Amos schreibt und spielt die Musik, Brown liefert die Konzepte, Lyrics und den Gesang. Die Diskussion über ihren Arbeitsprozess ist ziemlich unterhaltsam: „Immer, wenn Nate mir Musik zeigt… ich meine, ich könnte sie nicht machen! Also mir gefällt’s!“, meint Brown. Amos reagiert: „Bei diesem Album, als ich dir zum ersten Mal Sachen geschickt habe, hast du einfach gesagt: ‚Alter, wir haben doch gerade erst ein Album herausgebracht!‘“ Brown verteidigt sich schmunzelnd: „Wenn Nate mir tatsächlich all die Sachen schicken würde, an denen er gearbeitet hat, würde ich ihn blockieren!“

Dass das so gut läuft, liegt aber daran, dass die beiden sich sehr gut kennen. Sie waren sogar vier Jahre lang ein Paar, bis sie sich trennten und entschlossen, weiter zusammen Musik zu machen. Brown beschreibt ihre Dynamik: „Er leistet großartige Arbeit, wenn es darum geht, zu wissen, wie ich mich fühle. Uns beiden ist sehr bewusst, was wir beitragen.“ Ironisch gibt Brown zu: „Na ja, ich weiß nicht, was zum Teufel er vorhat. Ich weiß nicht einmal, wie er das macht. Ich kann also nicht während des eigentlichen Musikschreibprozesses etwas beisteuern. Was soll ich sagen? ‚Hey Mann, mir gefällt dieser eine Ton nicht!“ Amos erwidert: „Und dann würde ich wahrscheinlich so etwas sagen wie: ‚Nein, das ist der Dinosaurier-Ton!‘“ Konflikt geklärt.

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