Er ist einer der größten US-amerikanischen Songschreiber aller Zeiten. Wenige andere konnten die Hoffnung, den Aufbruch und die Träume der Working Class sowie den amerikanischen Traum so schön besingen wie er. Wir haben uns durch alle seiner 21 Studioalben von Bruce Springsteen gehört – hier ist unser Ranking:
21. Human Touch (1992)
Wir schreiben das Jahr 1992, die E Street Band wurde vor einiger Zeit aufgelöst. Springsteen, längst ein Superstar, ist dennoch happy, was unter anderem seiner Heirat mit Patti Scialfa geschuldet ist. Gemeinsam mit Gastmusiker:innen begibt er sich ins Studio. Mit dabei sind auch sein E-Street-Band-Freund Roy Bittan, Toto-Drumlegende Jeff Porcaro, Patti Scialfa, David Sancious und Tim Pierce. Dass Springsteen glücklich ist, hört man den Songs an – allerdings fehlt vielen einfach die Verzweiflung, der Drive, das Besingen der großen Träume und Versprechungen, die Springsteens Songs stets ausgezeichnet haben. Das kam nicht wirklich gut an – das gestand auch Springsteen selbst ein. Er habe in den 1990er-Jahren versucht, fröhliche Lieder zu schreiben, erinnerte er sich in einem Interview. „Es hat nicht funktioniert, die Leute mochten es einfach nicht.“
20. Lucky Town (1992)
Im selben Jahr wie Human Touch erschien auch Lucky Town – und das Album ereilte dasselbe Schicksal. Zwar ohne Ausfälle, dafür auch ohne große E Street Band und irgendwie ohne den nötigen Drive.
19. Only The Strong Survive (2022)
Das aktuelle Jahrzehnt ist für Springsteen durchaus aktiv. Nachdem er 2020 Letter To You veröffentlicht hatte, legte er zwei Jahre später mit einem Coveralbum nach. Diesmal waren es aber nicht Folk-Songs wie damals bei den Seeger Sessions, die er sich vorknöpfte: Vielmehr hatte der Boss Lust auf Soul-Stücke aus den 1960er- und 1970er-Jahren. Es ist kein unverzichtbares Album in seiner Diskografie – aber der Boss hatte Spaß und begab sich auf Spurensuche in seine eigene Vergangenheit. Fair enough!
18. High Hopes (2014)
Für High Hopes kramte Springsteen im Archiv und holte bislang unveröffentlichtes Material heraus, bearbeitete aber auch bereits veröffentlichtes Material neu und widmete sich Outtakes. Unterstützung gab es dabei nicht nur von der E Street Band, sondern vom Rage-Against-The-Machine-Gitarristen Tom Morello.
17. Working On A Dream (2009)
Working On A Dream ist das finale Stück der Springsteen-Alben der Nullerjahre – und zeigt den Boss zwar in ganz guter Form, im Vergleich zu The Rising oder Magic (Springsteen selbst sieht diese drei Alben als Trilogie) hat Working On A Dream aber ganz klar den Nachrang.
16. Western Stars (2019)
Auf Western Stars suchte und fand Springsteen den Sound Kaliforniens der 1970er-Jahre. Akustiksongs mit jeder Menge opulenter Orchestrierung, Streicher- und Bläsersätze sind omnipräsent. Mit dabei waren Springsteens Ehefrau und E-Street-Band-Kollegin Patti Scialfa und der Musiker und Produzent Jon Brion, der Celestas, Farfisas und Moogs einspielte.
15. Letter To You (2020)
2020 veröffentlichte Springsteen sein 20. Studioalbum Letter To You, auf dem er wieder einmal die E Street Band zusammentrommelte. Darauf widmet sich Springsteen, damals knapp 70, dem Altern, der Vergänglichkeit und dem Sterben.
14. Tunnel Of Love (1987)
Auch an Springsteen gingen die 1980er-Jahre nicht spurlos vorüber, das merkt man dem 1987 erschienenen Longplayer Tunnel Of Love deutlich an. Die meisten Drum- und Synthesizersounds programmierte er selbst, die E Street Band ist dennoch zu hören, auch wenn es kein Bandalbum der damals auf Eis gelegten Gruppe ist. Tunnel Of Love warf einige tolle Songs ab, neben dem Titeltrack unter anderem das famose Tougher Than The Rest.
13. Magic (2007)
Es gibt eine Sache, die einem das ansonsten großartige, 2007 erschienene Magic etwas vermiest: der Sound. Produziert von Brendan O’Brien fiel das Album leider über weite Strecken dem sogenannten Loudness War zum Opfer – einem Zeitgeist, der vorsah, dass alles so laut wie möglich gemastert und komprimiert wird. Das Problem daran: die Dynamik geht etwas verloren. Wer darüber hinwegsieht, hört ein Album mit tollen Songs wie Radio Nowhere, Girls In Their Summer Clothes oder der berührenden, später hinzugefügten Ballade Terry’s Song, in dem Springsteen den Tod seines Freundes Terry MacGovern besingt.
12. Wrecking Ball (2012)
Ein Jahr nach dem Tod des E-Street-Band-Saxofonisten Clarence Clemons veröffentlichte Springsteen das Album Wrecking Ball, auf dem der Big Man und Springsteen-Intimus das letzte Mal zu hören ist. Auf Wrecking Ball ist der Boss wütend und politisch – das zeigt sich am besten beim Stück Death To My Hometown. „They destroyed our families' factories and they took our homes / They left our bodies on the plains, the vultures picked our bones“, singt er. Und da ist natürlich der ebenso wütende Titeltrack, in dem Springsteen auffordert, die Abrissbirne rauszuholen: „Game has been decided, and we're burning down the clock / And all our little victories and glories, have turned into parking lots“, heißt es darin.
11. We Shall Overcome: The Seeger Sessions (2006)
2006 widmete sich Springsteen den Songs aus dem Kosmos der US-Protestsongschreiberlegende Pete Seeger — und stellte sich dafür eine Folk-Bigband zusammen. Streicher, Bläser, Fiddle, Banjos – es ist eine riesengroße musikalische Sause. Auf We Shall Overcome: The Seeger Sessions hat der Boss großen Spaß – das merkt man bereits dem Opener Old Dan Tucker an. Er besingt den Hammer von John Henry, den Shenandoah River, beschwört das ewige We Shall Overcome herauf und fordert in Pay Me My Money Down den Captain auf, ihm endlich sein Geld zu zahlen. Prädikat: fantastische Folkfete!
10. Devils & Dust (2005)
2005 erschien das dritte Akustikalbum Springsteens, Devils & Dust. Im Titeltrack singt er aus Sicht eines Soldaten: „We’re a long, long way from home, Bobby / Home’s a long, long way from us“: Dazu gibt’s Streicher und sparsame Instrumentierung. Auf Reno wird Springsteen recht explizit und besingt einen Bordellbesuch in ebenjener Stadt – und bei All I’m Thinkin’ About zeigt er, dass es auch über die ganze Strecke im Falsett funktioniert. Tolles Geschichtenerzähleralbum!
9. The Ghost Of Tom Joad (1995)
1995, zwölf Jahre nach Nebraska, veröffentlichte Springsteen ein weiteres Soloakustik-Album. Wobei, das wäre zu kurz gegriffen – denn auf The Ghost Of Tom Joad ist nur ein Teil der Songs solo-akustisch, für andere Tracks hatte sich Springsteen Gastmusiker und Gastmusikerinnen geholt, darunter auch E-Street-Band-Mitglieder. Springsteen gewann dafür einen Grammy Award für das „Best Contemporary Folk Album“ – der Titeltrack, den unter anderem Rage Against The Machine coverten, ist ein absoluter Klassiker im Springsteen-Katalog.
8. The Wild, The Innocent & The E Street Shuffle (1973)
Ein Jahr nach Springsteens Debüt Greetings From Asbury Park, N.J. erschien bereits der Folgelongplayer The Wild, The Innocent & The E Street Shuffle. Das Produktionsbudget war noch begrenzt, deswegen buchte man die günstigeren Nachtstunden im Studio. The Wild, The Innocent & The E Street Shuffle kann als das erste echte E-Street-Band-Album gezählt werden. Es bedurfte einiger Revisionen, bis das Album fertig war – ein Erfolg wurde es allerdings wie schon sein Vorgänger nicht. Es sollte noch ein weiteres Album brauchen – dann aber explodierte Springsteens Karriere.
7. Greetings From Asbury Park, N.J. (1973)
1973 veröffentlichte Springsteen sein Debütalbum Greetings From Asbury Park, N.J. Ein wilder Ritt, dem man anmerkt, dass Springsteen seine eigene Stimme als Songwriter noch nicht ganz gefunden hatte, vor Ideen aber nahezu platzte. Textlich hört man den Einfluss von Bob Dylan, die Songs sind vollgepackt mit Charakteren – und auch wenn es nicht der Riesenerfolg wurde, brachte es Springsteen auf die musikalische Landkarte.
6. The Rising (2002)
Ein Jahr nach den Terroranschlägen auf New York, die tausende Menschenleben kosteten, veröffentlichte Springsteen das Album The Rising, auf dem er die Geschehnisse reflektiert. Allerdings sind nicht alle Songs zu jener Zeit entstanden – My City of Ruins etwa existierte bereits vorher und widmete sich dem Asbury Park in New Jersey, wurde aber nicht zuletzt durch Springsteens Performance in der TV-Charityshow America: A Tribute To Heroes zur New-York-Hymne. Ebenfalls enthalten sind hoffnungmachende Songs wie Lonesome Day, Waiting On A Sunny Day oder Into The Fire. Balsam für die US-Seele – und darüber hinaus.
5. The River (1980)
Textlich ist The River eine Fortsetzung jener klassischen Springsteen-Themen, die er bereits auf den Vorgängeralben Born To Run und Darkness On The Edge Of Town behandelte. Nur, dass es diesmal gleich ein Doppelalbum wurde. Darauf enthalten: große Songs wie Hungry Heart oder der Titeltrack. Dabei wollte Springsteen noch mehr als auf den beiden bereits genannten Alben auf einen Bandsound setzen, wie er einmal erzählte: „Ich wollte Musik machen, die sich sehr explosiv anfühlt. Ich wollte eine Platte, die den Spaßaspekt dessen, was die Band macht, mit der Geschichte, die ich erzähle, verbindet. Ich wollte einen Weg finden, diese Dinge zu kombinieren und ein größeres Bild von dem zu schaffen, was wir vor den Leuten gemacht haben.“ Dieses Vorhaben ist ihm wunderbar gelungen.
4. Born In The U.S.A. (1984)
Springsteens 1984 erschienenes Album Born In The U.S.A. hat, vielleicht sogar noch mehr als Born To Run, das wohl ikonischste Covermotiv: die blauen Jeans, die US-Flagge, die Baseballcap in der Hosentasche. Und natürlich den wohl bekanntesten Springsteen-Song aller Zeiten, den Titeltrack – der aber alles andere als fröhlicher, flaggeschwingender US-Patriotismus ist, auch wenn er von manchen Seiten gerne so verstanden wird. Ein weiteres Highlight der Platte: Bobby Jean, in dem der enttäuschte Protagonist über das Ende einer wichtigen Freundschaft singt (man sagt, Springsteen habe den Song für den damals aus der E Street Band ausgestiegenen Steven Van Zandt geschrieben).
3. Nebraska (1982)
Im Dezember 1981 machte sich Springsteen daran, einige Akustikdemos aufzunehmen, die er später mit seiner E Street Band bearbeiten und veröffentlichen wollte. Im Laufe der Arbeiten wurde ihm aber klar, dass das gar nicht nötig war – und er die Demos genau so veröffentlichen wollte. Sie wurden also zu Springsteens erstem Soloakustik-Album – und gelten als eines der wichtigsten Werke in seinem Schaffen. Auch hier behandelt Springsteen die für ihn typischen Themen – Blue-Collar-Träume, Arbeiterklassensorgen, soziale Missstände, dabei wird’s immer wieder mal ordentlich düster. Auch musikalisch: Denn die Rock-Hymnenhaftigkeit weicht hier einem melancholischen, oft beklemmenden Ton.
2. Darkness On The Edge Of Town (1978)
Darkness On The Edge Of Town macht einiges anders als sein Vorgänger Born To Run (das, ihr ahnt es bereits, in diesem Ranking gleich kommen wird). Es ist etwas musikalisch reduzierter, mehr ein Bandalbum als Born To Run. Thematisch widmet sich Springsteen den Alltagssorgen und Kämpfen von US-amerikanischen Kleinstädten. Es geht um Träume, Hoffnungen und harte Realitäten, um 9-to-5-Jobs, die nicht gut bezahlt sind, und den Gedanken, es am Ende vielleicht doch noch schaffen zu können, irgendwie, irgendwann. Vom Opener Badlands über Songs wie Factory und Prove It All Night bis zum abschließenden Titeltrack ein einziger Triumph.
1. Born To Run (1975)
Born To Run war für den jungen Springsteen ein „Make or Break“-Moment, es ging um alles oder nichts. Diese Aufbruchstimmung hört man auch in jedem Akkord und jeder Textzeile des Albums. Es war keine leichte Geburt, die Zeit im Studio ein großes Tüfteln. Es hat sich gelohnt: Jeder Song ist ein Monument für sich – vom epischen Thunder Road über die Hymne Tenth Avenue Freeze Out, vom ewig jungen Born To Run bis zu Backstreets. Und natürlich auch das Meeting Across The River, über das Springsteen-Freund Wolfgang Niedecken im Interview mit uns einmal meinte, es sei ein unglaubliches Juwel dieser Platte. „Das ist so eine herzerweichende Story, die so viel Konkretes bietet, aber auch so unglaublich viel offen lässt. Eigentlich wird das erzählt, was nicht erzählt wird. Diese zwei Jungs, die sich denken, dass sie jetzt diesen Tunnel von Hoboken nach New York nehmen und dann den Durchbruch schaffen. Aber womit? Mit einem Banküberfall?“ Dieses Lob ist wirklich auf alle Stücke von Born To Run anzuwenden – eines der besten Rockalben der Geschichte. Springsteen wurde zum Weltstar.