
Auf Glamrock folgt „Plastic Soul“: Mitte der Siebziger stehen die Zeichen bei David Bowie auf Veränderung und er lässt die knallbunten Kostüme der vergangenen Jahre hinter sich. Das Ergebnis ist Young Americans, ein Album, das ziemlich anders klingt als Bowies vorherige Werke – dafür gibt es gleich mehrere Gründe.
Im Sommer 1974 hat David Bowie das Glamrock-Spiel durchgespielt. Schon seit seiner Jugend schlägt sein Herz für Soul-Musik; und Mitte der Siebziger sieht er die Chance gekommen, sich voll auf diese Leidenschaft zu konzentrieren. Noch während der Tour zu seinem achten Album Diamond Dogs begibt er sich in die legendären Sigma Sound Studios in Philadelphia und beginnt mit der Arbeit an Young Americans. Er wird seine neunte Platte später als sein „Plastic Soul“-Album bezeichnen. Darin spiegelt sich wohl auch die Unsicherheit wider, ob er das mit dem Soul wirklich kann. Der Hörtest verrät: Er kann! Außerdem schart er eine hochkarätige Band um sich.
Young Americans: David Bowie goes Soul
Angekündigt hatte David Bowie den Stilwechsel schon im Vorfeld, zumindest indirekt. Denn bereits auf Diamond Dogs waren Songs wie Rock ’n’ Roll With Me und 1984 zu hören gewesen, mit starken Einflüssen aus Soul und Funk. Nicht nur das: Gegen Ende der Tour zur Platte hatte Bowie die Soul-Klassiker Knock On Wood von Eddie Floyd und Here Today And Gone Tomorrow von den Ohio Players in seine Setlist aufgenommen (zu hören auf Bowies Live-Album David Live von 1974). Zurückführen lässt sich die damalige Soul-Begeisterung zum einen auf Bowies ohnehin vorhandene Faszination für das Genre. Doch noch ein Faktor spielt bei der Entstehung von Young Americans eine wichtige Rolle.
Anfang 1974 lernt Bowie den Gitarristen Carlos Alomar kennen, einen Musiker aus der Band von James Brown. Alomar nimmt den Glamrock-Star an die Hand und zeigt ihm jede Menge neue Platten, vor allem aus dem Soul-Regal. Deren Einfluss ist schon beim Opener und Titeltrack von Young Americans zu hören. Doch auch andere Elemente auf der Platte zeigen Bowie von einer anderen Seite, ob der groovige Bass von Willie Weeks, das lockere Drumming von Trommler Andy Newmark oder die von Bowie komponierten Songs, die auch einem Stax-Sampler gut zu Gesicht stehen würden. Auch Carlos Alomar selbst ist auf der Platte zu hören und ersetzt später Bowies Gitarristen Earl Slick.
David Bowie läutet eine neue Ära ein
In optischer Hinsicht verändert sich David Bowie damals ebenfalls. Er legt seinen Glamrock-Look ab und kleidet sich stattdessen wie ein „Soulboy“. Hosenträger, Hemden mit offenen Ärmeln, karierte Krawatten: Bowie mag es nun betont lässig. Ähnlich leger laufen die Aufnahmesessions zu Young Americans ab. Statt die Spuren für die Songs einzeln einzuspielen, nehmen Bowie und seine Musiker:innen die Nummern als Band auf, was für eine beflügelte Jam-Atmosphäre sorgt. Man merkt: Durch Bowies kreatives Zentrum weht ein frischer Wind. Das soll sich schon bald auch in den Charts und in den Verkaufszahlen niederschlagen.
Klar, einige seiner Fans stößt Bowie mit seiner Abkehr vom Glamrock vor den Kopf. Hatten seine drei vorherigen Alben Aladdin Sane (1973), Pin Ups (1973) und Diamond Dogs (1974) noch allesamt den ersten Platz der britischen Charts gestürmt, reicht es mit Young Americans „nur“ für Platz zwei. Doch das ist unwichtig. Während andere Glamrock-Künstler Mitte der Siebziger in der Versenkung verschwinden, erfindet sich David Bowie auf Young Americans neu und legt damit den vielleicht wichtigsten Grundstein für den Fortlauf seiner Karriere. Anders gesagt: In UK musste er sich danach nie wieder mit einer Chartplatzierung außerhalb der Top 10 begnügen.