Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 5.3.1953.
von Christof Leim
Johnny Cash hat als musikalischer Held einiges geleistet, gar keine Frage. Dass er aber auch im Kalten Krieg wie ein Geheimagent verschlüsselte Botschaften aus Russland aufspürte, wissen die wenigsten. So war unser Mann der erste Amerikaner, der 1953 vom Tod Josef Stalins erfuhr. Zumindest schreibt er das an in seiner Autobiografie. Schauen wir mal genauer hin.
Die besten Songs von Johnny Cash gibt’s zum Weiterlesen hier:
Erst die Arbeit, dann die Weltkarriere: Anfang der Fünfziger tritt der 18-jährige Johnny Cash der US Army bei. Er wird in Texas ausgebildet und anschließend nach Landsberg in Bayern versetzt, zur 12th Radio Squadron Mobile des U.S. Air Force Security Service. Damit hat er kein Problem, denn die Alternative lautete Alaska. In Deutschland arbeitet er als Morsecode-Operator, der russische Nachrichten abfangen soll. „Die Air Force hat mir eine ungewöhnliche Sache beigebracht“, schreibt der spätere Weltstar in Johnny Cash: The Autobiography. „Wenn ihr wissen wollt, was ein Russe einem anderen Russen in Morsezeichen mitteilt, dann bin ich euer Mann. Ich hatte so ein Talent dafür und so ein gutes linkes Ohr, dass ich die Trumpfkarte des Air Force Security Service war, wenn internationaler Funkverkehr abgehört wurde.“ In Sachen Musik erweist sich die Armeezeit in Übersee ebenfalls als wichtig für den „Man in Black“. Hier gründet er seine erste Band „The Landsberg Barbarians“, er verfasst auch den Text zu seinem späteren Hit Folsom Prison Blues, der eine Reihe an Konzerten in US-Gefängnissen nach sich zieht. (Die Geschichte dazu steht hier.)
The Landsberg Barbarians
Ein weiterer Höhepunkt ereignet sich am 5. März 1953, als Cash auf seinem Horchposten als bestes Ohr der Division eine Botschaft abfängt: „Ich habe die erste Nachricht von Stalins Tod kopiert“, schreibt er in seinem Buch. Damals wusste der Westen nur, dass es um die Gesundheit des russischen Diktators nicht gut bestellt war. Nähere Informationen zu erlangen, gehörte also zu einem wichtigen Aufklärungsziel der Geheimdienste. Und unser Mann hat als erster US-Amerikaner davon gehört, noch vor Präsident Dwight Eisenhower. Natürlich ging sofort eine Meldung von Landsberg nach Washington. Groß darüber reden durfte Cash allerdings nicht, erst Jahre später kam die Episode ans Tageslicht.
Eine Parade zu Stalins Tod in Dresden 1953. Bild Credit: Höhne, Erich; Pohl, Erich.Es ließen sich im Laufe der Dekaden jedoch auch kritische Stimmen vernehmen: In Biografie The Man Called Cash: The Life, Love And Faith Of An American Legend zum Beispiel werden Kameraden aus Landsberg zitiert mit: „Das ist Unsinn. Er konnte ja kein Russisch, und wenn es verschlüsselt gewesen wäre, hätte er es ohnehin nicht entziffern können. Die Geschichte hat seinen Fähigkeiten eine gewisse Aura verliehen, die vor allem mit seiner Berühmtheit zu tun hat.“ Andere halten in Diskussionsgruppen wie dieser hier dagegen, dass Cash explizit davon spricht, die Botschaft „kopiert“ zu haben – und er nicht von „entziffert“, „decodiert“, „gehört“ oder „erfahren“ spricht. Wörtlich heißt es in der Autobiografie: „I copied the first news of Stalin's death.“ Man kann also vermuten, dass Johnny Cashs bei seiner Arbeit vor allem herausfinden sollte, wann Morsezeichen gesendet wurden, um diese dann – tatsächlich im Wortsinn – zu kopieren. Diese Abschrift könnte dann an Verschlüsselungsexperten und Übersetzer weitergereicht werden. Was genau geschehen ist, dürfte schwer herauszufinden sein. Uns gefällt auf jeden Fall die Anekdote, dass ein Musikstar an vorderster Front der Weltpolitik steht. Seine Name war Cash. Johnny Cash.
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