
Heutzutage verwendet man das Wort Vinyl fast selbstverständlich als Synonym für die klassische Langspielplatte. „Ich habe mir die neue Vinyl von den Rolling Stones gekauft“, heißt es dann – ohne zu bedenken, dass wir es womöglich längst nicht mehr mit einer reinen Vinylplatte zu tun haben.
Denn streng genommen steht der Begriff Vinyl für Polyvinylchlorid – kurz PVC –, einen der am weitesten verbreiteten Kunststoffe weltweit. Klassische Schallplatten bestehen aus genau diesem Material, oft angereichert mit Farbstoffen und Weichmachern, um Flexibilität und Optik zu verbessern.
Doch die Zeiten ändern sich – auch im Presswerk. Immer öfter ist die Rede von Special Editions oder sogar regulären Veröffentlichungen, die nicht mehr ausschließlich aus PVC bestehen. Stattdessen kommen recycelte PET-Flaschen, Biokunststoffe, HDPE (Polyethylen) oder andere innovative Materialien zum Einsatz. Das Ziel: ressourcenschonendere Produktionen und eine kleinerer ökologischer Fußabdruck.
Grund genug, einen genaueren Blick auf diese neuen Materialien zu werfen. Was steckt wirklich hinter Öko-Platten, Recyclingpressungen und Frittierfett-Vinyl? Und wie unterscheiden sich die Materialien in Klang, Herstellung und Nachhaltigkeit?
1. Biovinyl
Eine deutlich umweltfreundlichere und nachhaltige Alternative zur klassischen Vinylplatte ist das sogenannte BioVinyl. Entwickelt vom Presswerk optimal media, einem Unternehmen der Edel-Gruppe, kommt hier statt erdölbasiertem S-PVC ein Material zum Einsatz, das auf biogenen Abfällen basiert – etwa auf recycelten Altspeiseölen. Man könnte also sagen: Frittierfett-Vinyl – im besten Sinne.
Laut Herstellerangaben lassen sich durch diese Umstellung bis zu 99,98 % des konventionellen PVCs durch das biobasierte Material ersetzen. Produziert wird BioVinyl zudem unter der ISCC PLUS-Zertifizierung, die für eine nachhaltige und rückverfolgbare Lieferkette steht.
Das klingt erstmal kurios – ist es aber nicht. Denn laut Anbieter unterscheidet sich das BioVinyl weder im Klang noch in der Optik von herkömmlichen Schallplatten. Für Hörer:innen bleibt also alles beim Alten – mit dem Unterschied, dass die Umwelt deutlich weniger belastet wird. Denn BioVinyl ist vollständig recycelbar und weist eine um bis zu 90 % reduzierte CO₂-Bilanz auf (bezogen auf das PVC, laut Hersteller).
2. Vinyl aus recyceltem PET
Eine weitere Alternative zur klassischen PVC-Schallplatte ist das sogenannte PET-Vinyl. Dabei handelt es sich um Platten, die aus recycelten Kunststoffflaschen bestehen – genauer gesagt aus Polyethylenterephthalat (PET). Das Material bringt einen entscheidenden Vorteil mit sich: Es ist deutlich robuster als herkömmliches PVC. Allerdings gilt die Verarbeitung bislang als technisch anspruchsvoller, insbesondere im Hinblick auf die Präzision beim Pressvorgang.
Noch ist PET-Vinyl kein neuer Standard – doch es gibt erste Pressungen, die vielversprechend sind. Sowohl Tonqualität als auch Haltbarkeit scheinen in einem Bereich zu liegen, der durchaus optimistisch stimmt. Jedoch gibt es Berichte, nach denen dieses Verfahren weitaus weniger nachhaltig sein soll als es scheint. Viele PET-Flaschen, die für PET-Vinyl verwendet werden, sollen demnach (wie ein Großteil europäischer PET-Abfälle) zunächst nach Asien exportiert werden, um dort chemisch zersetzt und recycelt zu werden. Die energieaufwändigen chemischen Prozesse sowie die Transportwege von Europa nach Asien und wieder zurück würden in diesem Fall dem Nachhaltigkeitsanspruch von PET-Vinyl stark widersprechen.
Wer sich dennoch für PET-basierte Schallplatten interessiert, sollte einen Blick auf das niederländische Label Green Vinyl Records werfen. Die Manufaktur experimentiert intensiv mit alternativen Materialien und gibt an, dass ihre Produktion bis zu 60 % energieeffizienter sei als herkömmliche Vinylpressungen.
3. Eco-Vinyl
Ebenfalls auf Nachhaltigkeit setzt das sogenannte Eco-Vinyl. Hier hat man es tatsächlich mit recycelten Platten zu tun – LPs, die aus recycelten PVC-Resten von übrig gebliebenem Material oder Fehlpressungen früherer Produktionen bestehen. Nachhaltigkeit wird hier dadurch garantiert, dass keine Neuproduktion von Kunststoff stattfindet, sondern vorhandene Materialien wiederverwertet werden. Man hat es hier quasi mit Alt-PVC aus dem Presswerk zu tun.
Es gibt eine Reihe von Herstellern und Labels, die seit einiger Zeit auf Eco-Vinyl setzen – unter anderem experimentierten Coldplay bei der Produktion ihres Albums Music Of The Spheres mit dieser Variante. Das Interessante daran: Man hat es bei jeder Platte mit einem Unikat, mit interessanter Farbgebung oder teils Marmorierung zu tun. Auch hier gilt: Die Klangqualität ist im Regelfall mit der einer regulären Vinylpressung identisch – vorausgesetzt, die Verarbeitung wurde gut durchgeführt.
Fazit
Es muss also nicht immer Vinyl sein. Aficionados von Langspielplatten könnten es in Zukunft mehr und mehr mit nachhaltigeren, umweltschonenden und CO₂-emissionsfreien – oder zumindest emissionsarmen – Schallplatten zu tun bekommen. Es wird auch weitere Versuche mit alternativen Materialien geben. Vielleicht haben wir es ja schon bald mit Hanf-Vinyls zu tun. Oder mit Algen-Vinyls? Es wäre natürlich schön, wenn audiofiler Musikgenuss künftig noch etwas nachhaltiger wird – und wenn es gleich aussieht und gleich gut klingt, warum dann nicht auch mal auf Frittierfett oder Eco-Vinyl setzen?