In einem Radiointerview hat sich Paul McCartney dazu hinreißen lassen, die Beatles für besser als die Stones zu erklären. Und die Stones? Veröffentlichen einfach einen neuen Song. Jetzt legt Jagger nach, aber ganz freundschaftlich und mit plausiblen Argumenten.
von Michael Döringer
Die ewige Frage
Paul McCartney macht einfach mal eines der ältesten Fässer der Rockmusik auf, beziehungsweise Moderator Howard Stern hat ihn dazu verleitet. In dessen Radioshow erläuterte er unter anderem, warum seiner Meinung nach die Beatles besser seien als die Stones. In einem Interview mit Apple Music stellte sich Mick Jagger kürzlich einigen Fragen zu Living In A Ghost Town, dem aktuellen Song seiner Band – und musste natürlich auch auch noch seinem Kumpel Paul McCartney antworten.
Manchmal schreibt man einen Song, der rein zufällig perfekt zum Zeitgeist passt – so ungefähr erklärte es Mick Jagger dem Beats-1-Moderator Zane Lowe, als er ihn für seine Radioshow für Apple Music zu Hause anklingelte. Man kann die Aktion nur als hellseherisch beschreiben, denn der Song über ausgestorbene Städte wurde schon vor einem Jahr aufgenommen, viele Monate vor den ersten Corona-Fällen. Er dreht sich um eine Welt, in der das Leben zum Erliegen gekommen ist. Die ursprünglichen Lyrics haben Jagger und Co. noch mal geändert, aber nicht, um sie wirkungsvoller für die aktuelle Situation zu machen. Die Seuchen-Visionen waren schlicht zu heftig und zu nah dran an unserer heutigen Situation. Diese Passagen wären „zu düster“ gewesen, so Jagger, und mussten deshalb geändert werden, bevor man den Song veröffentlichen konnte.
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Neue Songs mit Soul-Einschlag
Der Song entstand im Zuge der Arbeiten an einem neuen Album, an dem die Stones seit Ewigkeiten werkeln. Warum der Nachfolger von A Bigger Bang (2005) so lange dauert? Weil er eben „nicht nur gut, sondern großartig“ werden soll, erzählt Jagger Zane Lowe. Man hätte schon „fünf bis sechs Songs im Kasten, die einen starken Soul-Charakter hätten, ohne dass man absichtlich in diese Richtung gedacht hätte.“ Während man noch kurz über die verschobene Welttournee der Stones sprach, lässt es sich Lowe nicht nehmen, auf die jüngsten Kommentare von Paul McCartney zu sprechen zu kommen. Der hatte den Stones mehr oder weniger scherzhaft vorgeworfen, sie hätten die Beatles immer nur kopiert und im Gegensatz zu den vielseitig interessierten Beatles immer nur vom Blues gezehrt. Jagger reagiert versöhnlich und sehr besonnen, nennt McCartney ein „Sweetheart“. Und dann erklärt er, wo er ganz ernsthaft den Unterschied der beiden Bands sieht:
„Es gibt wirklich einen großen Unterschied, nämlich dass die Rolling Stones eine große Live-Band über viele Dekaden waren. Die Beatles haben nicht eine einzige wirkliche Stadion-Tour gemacht, sie spielten nie im Madison Square Garden mit einem vernünftigen Soundsystem. Sie haben sich ja aufgelöst, bevor das große Live-Geschäft überhaupt losging. Das entstand erst gegen Ende der Sechziger. Die erste Tour von dieser Art hatten wir 1969, mit richtigem Sound und eigenen Anlagen, eigener Bühne und Stage-Design. Und so tourten wir durch Amerika, durch Eishockey- und Basketball-Arenen, die alle die selbe Größe hatten. Diese Erfahrung haben die Beatles nie gemacht.“
Pilzköpfe und Glückspilze
Jagger erinnert sich aber auch an einen großartigen Auftritt der Beatles im New Yorker Shea Stadium anno 1965. Ehre, wem Ehre gebührt. Die Ausnahmesituation, dass die Stones seit dem Ende der 1960er-Jahre quasi nonstop Stadien um den ganzen Globus füllen, während die Beatles längst nicht mehr existieren, ist Jagger natürlich vollkommen bewusst: „Die eine Band darf sich unglaublich glücklich schätzen.“