Eine Goldgrube mit Aufnahmen von David Bowie, The Cure, Nirvana, Queen und hunderten anderen – Radiolegende John Peel macht es möglich, und ein heldenhafter Blogger hilft dabei.
von Michael Döringer
Im Archiv-Schlaraffenland
Eigentlich heißt es immer, Musikblogs seien tot. Durch erschwingliche Streaming-Abos ist alle Musik der Welt ständig und überall verfügbar, selbst obskure Bands und kleine Indie-Veröffentlichungen. Und dann das: Ein Mensch lädt hunderte Aufnahmen der legendären Peel Sessions hoch und macht daraus ein kleines Amateurarchiv, alphabetisch sortiert, mit ordentlichen Links und in sehr guter Audioqualität auf seinem Blog bzw. YouTube verfügbar. Ein Schlaraffenland für jede*n Musikliebhaber*in. Die Blogs leben noch!
Der wichtigste Radio-DJ des 20. Jahrhunderts
Worum geht’s? Denn meisten dürfte John Peel ein Begriff sein, im anglophonen Ausland ist er die Radiolegende schlechthin. Seine Musiktipps prägten ganze Generationen, seit er in den 1960er-Jahren mit seiner eigenen Show auf BBC Radio 1 auf Sendung ging. Sein grenzenlos guter Geschmack über alle Genres hinweg führte zu einem weiteren großen Vermächtnis: den Peel Sessions, die zwischen 1967 und 2004 – als John Peel im Alter von 65 Jahren verstarb – in einem BBC-Studio in London eingespielt wurden.
Junge Bands kamen vorbei und spielten eine Handvoll aktueller Songs ein, um ihre neue Platte zu promoten. Auch gestandene Künstler*innen schauten natürlich vorbei, wenn Peel das wollte. Das Besondere an den Peel Sessions: Oft heißt es, sie klingen in vielen Fällen besser als die eigentlichen Studioaufnahmen auf den Alben.
Hard to find
Veröffentlicht wurden sie über John Peels eigenes Label Strange Fruit Records, und da ist es eben nicht die Regel, dass alle diese EPs auch bei den Streamingportalen zu finden sind – sei es aus rechtlichen oder irgendwelchen anderen Gründen. Manche*r Künstler*in erachtet diese Aufnahmen vielleicht für unwichtig in seinem*ihrem Gesamtportfolio, andere wiederum mögen die Aufnahmen vielleicht einfach nicht, auch das ist ja sehr subjektiv.
https://www.udiscover-music.de/popkultur/10-live-albenÜber 4000 solcher Sessions wurden aufgenommen, mit mehr als 2000 verschiedenen Bands und Künstler*innen. Da wird es leicht unübersichtlich, gelinde gesagt. Ganz besonders, wenn viele der Aufnahmen nicht ohne weiteres zu bekommen sind. Auf CD oder Platte sind sie fast immer vergriffen, digital manchmal sowieso noch nie verfügbar. Hier kommt Blogger Dave Strickson ins Spiel: Er hat hunderte der mehr oder weniger einfach zu bekommenden Peel Sessions hochgeladen und alphabetisch geordnet. Wir sind selbst noch ganz baff und scrollen die Liste rauf und runter. Es wird Monate dauern, das alles durchforstet zu haben.
Die Highlights müsst ihr euch schon selber raussuchen, aber ganz ehrlich: Es wird nicht lange dauern, bis ihr auf irgendetwas ganz Besonderes stoßt. Denn John Peel hatte sie alle: David Bowie, Bob Marley & The Wailers, The Cure, Nirvana, Can, Fleetwood Mac, Jethro Tull, Queen, The Kinks, Soundgarden, unzählige Indie-Bands und Undergroundkünstler*innen, die heute so legendär sind wie Peel selbst.
Von Bowie bis Cobain
Wie wäre es zum Beispiel mit The Cure, einer der Lieblingsbands von John Peel, die er mehrmals zu einer Session einlud – ähnlich wie The Fall, PJ Harvey, Echo & The Bunnymen, Fairport Convention, Elvis Costello, Half Man Half Biscuit oder Killing Joke. The Cure waren zum ersten Mal 1979 bei Peel zu Gast und spielten Songs ihres Debütalbums Three Imaginary Boys. Dabei entstand die berühmte Neufassung von Grinding Halt unter dem Titel Desperate Journalist In Ongoing Meaningful Review Situation, mit dem sich die Band bei Paul Morley revanchierte, der ihr Album im NME recht überheblich abgekanzelt hatte.
Oder die Session von David Bowie zu Ziggy-Stardust-Zeiten 1972, inklusive einer Cover-Version von Waiting For The Man von The Velvet Underground? Oder der Besuch von Nirvana aus dem Jahr 1991, kurz vor dem großen Durchbruch? Viel Spaß beim Wühlen im Archiv, gern geschehen!