Für das intime Videoformat spielt die australische Band eine intensive Version ihrer Single Paint My Heart.
von Michael Döringer
Urgewalt von Melbournes Straßen
Mit der Veröffentlichung ihres zweiten Albums Run Home Slow haben The Teskey Brothers und ihr klassisch-souliger Bluesrock endlich die Aufmerksamkeit generiert, die ihnen zusteht. Die australische Band um das Brüderduo Josh und Sam Teskey gründete sich im Jahr 2008 in Melbourne und verfolgte Schritt für Schritt ihren Weg. Das war nicht unbedingt einfach, denn Retro-Bands werden ja immer besonders kritisch beäugt. Doch diese Jungs hier haben zwei entscheidende Vorteile. Erstens ist ihr Vintage-Sound regelrecht perfekt. Seit sie auf Run Home Slow zusammen mit Produzent Paul Butler zusätzlich Folk- und Gospel-Elemente eingesetzt haben und ihre Arrangements mit Streichern, Bläsern und Background-Sängerinnen verstärkt haben, wird man von den Songs des Quartetts schier überwältigt. Man wird unvermittelt in die Sixties gezogen, ohne seinen Halt im Hier und Heute zu verlieren. Die Teskeys brechen die Zeitrechnung auf, als wäre es das normalste auf der Welt. Ein weiteres Argument: die Stimme von Sänger und Gitarrist Josh. Die ist eine Urgewalt, von der Natur gegeben und auf Melbournes Straßen entfesselt. Man kann gar nicht anders, als an Legenden wie Otis Redding oder Sam Cooke denken.
Nahaufnahmen im 360-Grad-Modus
Diese beiden Merkmale konnten The Teskey Brothers jetzt zu vollem Effekt in einer Liveperformance für das Videoformat The Circle° einsetzen. Dort werden verschiedenste Musiker in ganz besondere Locations gebeten, um sich im 360-Grad-Modus von allen Seiten beleuchten und auf die Finger schauen zu lassen. Hozier, Faber oder Giant Rooks sind nur einige der Namen, die sich schon bei The Circle° in den Ring gewagt haben. Dort kann man sich nämlich kein bisschen verstecken, sondern muss alles bloßlegen und preisgeben, was man hat. Kurz: Man muss es drauf haben.
Ein Gottesdienst für die Musik
The Teskey Brothers kommt das natürlich nur zugute. Sie entschieden sich für eine leicht ausgedehnte Version ihrer letztjährigen Single Paint My Heart, eine sich episch aufschwingende Blues-Ballade, die mit ihrer Hammondorgel und grobkörnigen Dynamik an den großen Joe Cocker erinnert. In einer warm ausgeleuchteten Atmosphäre irgendwo in Berlin, in einem saalartigen Raum, der mit seinen hohen Fenstern und Fließen wie eine Mischung aus Kathedrale und Gründerzeit-Schwimmbad wirkt, spielt die Band mit zusätzlichen Gastmusikern den Song, als ginge es um den finalen Akt auf diesem Planeten, so eindringlich und emotional. Die bereits erwähnte Orgel lässt die Stimmung nun wirklich spirituell und andächtig werden, als handele es sich um einen Gottesdienst für die Musik selbst. Ganz richtig schrieb jemand über diese Band, dass wenn Josh Teskey zu singen anfängt, sich um ihn herum eine totale Stille legt, als würde diese Stimme alles andere beherrschen und lenken. Mittendrin statt nur dabei – bei The Teskey Brothers und The Circle° wird dieser alte Werbespruch endlich eingelöst.